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Sonst noch was? - Einhundertdreißig

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  • 20. Januar 2019, 11:08 Uhr
  • Günter Weigel/SP-X

In den nächsten Wochen können wir uns auf unterhaltsame Diskussionen einstellen. Die Politik hat das Tempolimit auf Autobahnen als Maßnahme zur CO2-Reduzierung (wieder) entdeckt. Wir diskutieren schon mal vor.

Eine Expertenkommission der Bundesregierung hat einen Maßnahmenplan entwickelt, um den CO2-Ausstoß des Verkehrssektors zu reduzieren. Das ist sicherlich sinnvoll. Neben allerlei steuerlichen Maßnahmen wie die Mineralölsteuer für Diesel und Benzin anzugleichen und natürlich anzuheben bei gleichzeitiger Anpassung der Kfz-Steuer, einigen Goodies für E-Autos und der Förderung schadstoffarmer Fahrzeuge finden die Experten auch ein allgemeines Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen sinnvoll.Dafür hat die Kommission gute Argumente gesammelt. Aber das Tempolimit ist eine heilige Kuh der Deutschen. Am Motto ,,Freie Fahrt für freie Bürger" darf nicht gerüttelt werden. Da drohen Not und Elend, wie man es in allen anderen Staaten der Welt sieht. Tatsächlich genügt schon ein kurzer Blick in die Facebook-Kommentare vieler Freunde und Kollegen, um die diesbezügliche Stimmungslage autoaffiner Menschen festzustellen: Zeter und Mordio. Es wird also schwierig für die Politik, sollte sie sich tatsächlich an ein Tempolimit wagen. Von ferne am Horizont sehen wir schon wütende Menschen mit gelben Westen.Uns sei an dieser Stelle mal ein großes ABER gestattet. 130 km/h auf deutschen Autobahnen, das ist ein Tempo, dass wir im Schnitt schon lange nicht mehr geschafft haben. Vor rund 25 Jahren, als junger Mensch, konnten wir zumindest am Wochenende die knapp 500 Kilometer vom heimischen Westerwald nach München mit einem schnellen Sportwagen inklusive Tankstopp in zwei Stunden und zweiundvierzig Minuten absolvieren. Schneller wurde es seitdem nicht. Wenn wir heute die gleiche Tour planen, geben wir auf die üblichen fünf Stunden noch mindestens eine halbe Stunde Sicherheitszuschlag, um pünktlich anzukommen. Dabei sind weite Teile der A3 und der A9 ohne Tempolimit und sogar recht flott zu befahren. Dieser Tage brauchten wir für die 280 Kilometer nach Stuttgart zweieinhalb Stunden und waren froh, so schnell durchgekommen zu sein, standen wir doch nirgends still und schafften zwischenzeitlich für Phasen von über einer Minute auch mal Geschwindigkeiten um 160 km/h. Für den Heimweg benötigten wir dann anschließend drei Stunden und fünfundvierzig Minuten und Tempo 130 war erst auf den letzten 50 Autobahnkilometern überhaupt erreichbar.Auf quasi allen Autobahnen rund um Ballungsgebiete und solchen, die eben diese miteinander verbinden, würde ein allgemeines Tempolimit von 130 km/h auch notorische Schnellfahrer nicht wirklich einbremsen. Allenfalls auf ein paar Provinzautobahnen kann man noch schneller fahren. So gesehen könnte die Politik auf das Tempolimit natürlich auch verzichten mit dem Hinweis, dass es faktisch schon eingeführt ist. Tatsächlich macht es aber einen Unterschied, glauben doch viele Autofahrer, sie könnten, kaum dass sie das Schild mit der Aufhebung aller Streckenbeschränkungen passiert hätten, nun wieder unbegrenzt mit Vollgas weiterfahren.In den allermeisten Fällen kommt auf viel befahreneren Strecken ganz schnell das nächste Tempolimit oder langsamere Fahrzeuge scheren aus, um Lkw auf der mittleren Spur zu überholen. Dauerndes Beschleunigen und Abbremsen treiben Blutdruck und Spritverbrauch hoch. Ungefähr jeder uns bekannte Experte, der sich mit Verkehrsflüssen befasst, macht hohe Differenzgeschwindigkeiten zwischen einzelnen Verkehrsteilnehmern als Mitursache für Staus (und Stress) aus.Unser Nachbar, bekennender Petrolhead und stolzer Besitzer einer AMG-E-Klasse und einer gasbetriebenen älteren S-Klasse - Hauptsache V8 - schwärmt gelegentlich von leeren Ostautobahnen, wo Schnitte von 200 km/h machbar wären. Meisten lobt er allerdings inzwischen die tempolimitierten Autobahnen in unseren Nachbarländern, weil er dort insgesamt einfach schneller vorrankommt. Und soweit wir wissen, kaufen inzwischen vor allem Chinesen und Amerikaner die besonders schnellen deutschen Autos. Dort gelten Tempolimits. Und die Mär, dass die Chinesen diese Autos kaufen, weil sie auf der deutschen Hochgeschwindigkeitsautobahn getestet wurden, halten wir für übertrieben. Vielleicht machen Abstimmungsfahrten auf der Nordschleife einen vermarktungsrelevanten Unterschied, aber Schnellfahrten in den nächsten Stau eher nicht. Sonst noch was? Nächste Woche wieder.

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