Fahrrad

Panorama: Opelit-Fahrräder - Hier fasst Opel wieder Tritt

  • In FAHRRAD
  • 15. Februar 2019, 11:53 Uhr
  • Benjamin Bessinger/SP-X

Opel hat Grund zum Feiern. Denn vor 120 Jahren wurde in Rüsselsheim das erste Auto gebaut. Doch ihre größten Erfolge hatten die Hessen schon vorher - als Weltmarktführer in der Fahrrad-Fertigung. Urenkel Gregor von Opel lässt diese Tradition jetzt wieder aufleben.

Normalerweise kommt man in die Frankfurter Klassikstadt wegen der alten Autos. Doch wer aufmerksam durch den Backsteinbau bummelt, der stolpert irgendwann auch über einen Laden, in dem sie Fahrräder verkaufen. Das ist kein Planungsfehler, sondern Absicht. Denn die Fahrräder tragen den Namen ,,Opelit" und haben damit sehr wohl automobilen Bezug. Und vor allem sind ihre Wurzeln älter als die der allermeisten Autos, die hier zu bewundern sind.

Hinter der kleinen, aber feinen Marke steht kein geringerer als Gregor von Opel, dessen Urgroßvater vor 120 Jahren in Rüsselsheim mit dem Bau von Autos begonnen hatte. ,,Doch das ist nur die halbe Geschichte", sagt der Unternehmer, der nebenbei auch noch den Opel-Zoo in Kronberg führt. Denn bevor Opel 1899 mit dem Patent-Motorwagen ,,System Lutzmann" ins Automobilzeitalter aufgebrochen ist, baute die Firma Fahrräder - und zwar mit mehr Erfolg, als sie im Automobilbau je hatte: Ende der 1920er Jahre lief alle sieben Sekunden ein Fahrrad vom Band, die Hessen brachten es damit zum Weltmarktführer.

Davon ist Gregor von Opel noch weit entfernt. Er freut sich schon darüber, dass sein Umsatz gerade die Millionenmarke geknackt hat und auch, wenn er mit seiner Handvoll Mitarbeiter über das Internet Kunden aus ganz Europa und zum Teil sogar aus Übersee gewinnen konnte, ist Opelit doch eine eher regionale Marke - nicht umsonst tragen seine Räder Namen wie Mainhattan Blitz, Riederwald, Feldberg oder Taunus.

Auf die Idee mit dem Fahrradbau ist von Opel weniger wegen des Geschäfts gekommen als wegen des persönlichen Geschmacks. Selbst leidenschaftlicher Radler, war er irgendwann die Kompromisse leid, die ihm die Konkurrenz abforderte: Statt ewig nach dem für ihn passenden Rad zu suchen, hat er es deshalb kurzerhand selbst entwickelt. Und weil er zwar kein gelernter Konstrukteur, dafür aber ein erfahrener Kaufmann ist, gründete er auf dieser Idee ein neues Unternehmen. ,,Denn das Fahrrad hat in den letzten Jahren eine gewaltige Renaissance erlebt und obendrein das Zeug, unsere urbanen Verkehrsprobleme deutlich zu entschärfen", ist der Unternehmer überzeugt.

Den Namen dafür hat er aus dem Familienerbe übernommen. Allerdings nicht von Urgroßvater Adam, sondern von seinem Vater Georg. Als der durch den Verkauf der Opel-Werke an den General Motors-Konzern in Detroit und der Fahrrad-Produktion an NSU zu einem beachtlichen Vermögen kam, steckte er das in Autohäuser und gründete 1947 nebenbei die Marke Opelit. Zwar nicht für Fahrräder, aber für Ruderboote und allerlei anderes Sportgerät. Selbst einen zum Elektroauto umgebauten Opel GT gab es mit Opelit-Logo zu sehen, wenn auch nicht zu kaufen.

Jahrzehnte, nachdem Opelit eingestellt wurde, hat Gregor von Opel den Namen reanimiert und an den Rahmen seiner Fahrräder geschrieben, die mittlerweile fast das gesamte Marktspektrum abdecken. Es gibt Modelle vom Cityrad bis zur Rennmaschine, Pedelecs und E-Bikes und natürlich auch Trekking-Rad und Mountain-Bike. ,,Eigentlich fehlt uns jetzt nur noch ein Kinderrad", sagt von Opel. Aber spätestens da stößt seine Philosophie an ihre Grenzen. Zwar verzichtet er auf exotische Materialien und gibt sich ähnlich nahbar wie die Autos, die seinen Namen tragen. Doch weil er ausschließlich in Deutschland produzieren lässt und nur deutsche Zulieferer hat, kosten seine Räder zwischen 600 und 5000 Euro und zählen damit nicht zu den billigsten. Spätestens beim Kinderrad muss er den Preiskampf deshalb vorerst aufgeben.

So wie die Wiederaufnahme der Fahrradproduktion für Gregor von Opel eine sehr persönliche Geschichte war, so war es auch ein Jahrhundert früher bei seinem Urgroßvater. Denn dem sind die Fahrräder, damals allerdings noch als Einrad konstruiert, zum ersten Mal bei einer Reise nach Paris aufgefallen und er war davon so beeindruckt, dass er seinen fünf Söhnen 1885 eines zu Weihnachten schenkte. Nachdem allerdings die Probefahrt am Tag nach der Bescherung gleich im Graben endete, wollte Opel das offensichtlich gefährliche Spielzeug wieder abstoßen und machte dabei einen so großen Gewinn, dass sein Geschäftssinn geweckt war. Nur ein paar Monate später verlässt deshalb das erste Hochrad das Werk und 1888 wird in Rüsselsheim die erste Fabrikhalle eingeweiht, die der Zweirad-Produktion vorbehalten ist. Nachdem sich zum Hochrad das praktischere und leichter zu benutzende Niederrad gesellt, steigen Absatz und Mitarbeiterzahlen gleichermaßen: 1889 sind bei Opel in Rüsselsheim erstmals mehr als 1.000 Menschen beschäftigt, die neben Nähmaschinen 2.200 Hoch- und Niederräder bauen.

Die Opel-Söhne haben nach der ersten Erfahrung allerdings nicht vom Rad gelassen. Im Gegenteil: Sie alle sind Profis in den Pedalen geworden und haben als Rennfahrer reichlich Medaillen eingefahren: Carl gewinnt 60 erste Preise, Wilhelm 70, Ludwig über 100 und Heinrich landet 150 Mal auf der obersten Stufe des Siegerpodests. Erfolgreichster Opel-Fahrer ist Fritz mit über 180 ersten Plätzen.

,,Das war ein maßgeblicher Baustein für den Erfolg der Opel-Räder", sagt Klassik-Experte Uwe Mertin. Natürlich weiß das auch Opelit-Chef Gregor von Opel. Doch so gerne er im Sattel sitzt und so oft er durch den Taunus radelt, wird es bei ihm dazu nicht mehr reichen. Dafür allerdings hat er sich eine andere Zugnummer gesichert, die zumindest in der Region große Beliebtheit hat, und baut seit geraumer Zeit das offizielle Eintracht-Frankfurt-Rad. Und dabei will er es nicht belassen. Sein größter Traum wäre es, wenn seine Räder irgendwann im Zubehör-Programm von Opel landen würden. Dann könnte man sie nicht nur neben Oldtimern in der Klassikstadt sehen, sondern auch zwischen Neuwagen bei jedem Opel-Händler.

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