Volocopter

Autonom fliegende Lufttaxis im Anflug

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  • 11. März 2019, 10:30 Uhr
  • Hans-Robert Richarz/ampnet

Die elektrisch betriebene, automatisch fliegende und für den sicheren Transport von Menschen geeignete Drohne wird früher in der Luft zum Einsatz kommen als das autonom verkehrende Auto auf der Straße.
Zwar bestehen hierzulande für den Luftraum strenge Sicherheitsauflagen - jedoch ist der Luftverkehr deutlich einfacher zu kontrollieren, da anders als auf der Straße weder öffentlicher noch individueller Verkehr unterwegs ist und feste Hindernisse fehlen. Die Zeichen stehen also auf Grün.


Politikerinnen und Politiker, die ein Interview mit der ZDF-Moderatorin Marietta Slomka im "Heute Journal" ungerupft überstanden haben, sind selten. Frau Slomka beherrscht die Kunst des Nachfragens beispielhaft und lässt sich so gut wie nie von ihrer Linie abbringen. Das erlebte im Frühjahr 2018 Dorothee Bär kurz vor ihrer Berufung zur Staatsministerin für Digitalisierung.

Sie suchte angesichts der bohrenden Fragen nach einer Beschleunigung des bundesdeutschen Internettempos ihr Heil in der Flucht auf andere Sachgebiete und versuchte die zukünftige Datenversorgung autonom agierender Lufttaxis zum Thema zu machen. Das hätte sie besser nicht getan. Denn nach der Sendung ergoss sich ein Shitstorm der Orkanstärke zwölf in den sozialen Netzwerken über der Fränkin mit dem rollenden "R". Das allgemeine und vernichtende Urteil: "Science Fiction einer Traumtänzerin." Verfasser solcher und ähnlicher Zeilen hinken allerdings den Zeichen der Zeit hinterher.

Auf der Jahrespressekonferenz der Daimler AG teilte Vorstandschef Dieter Zetsche den staunenden Journalisten mit: "Gemeinsam mit dem Start-up-Unternehmen Volocopter entwickeln wir Mobilität in der dritten Dimension. Dieses Jahr starten unsere Flugtaxis in Singapur." Es werde zwar noch einige Zeit dauern, bis solche Dienste flächendeckend verfügbar seien. "Doch", so Zetsche, "die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zukunft schafft man in der Gegenwart."

"Schon 2025 werden Flugtaxis in großen Städten auf ersten, festgelegten Routen Passagiere transportieren", sagt Dr. Daniel Guffarth, Studienleiter und Mobilitätsexperte bei der Düsseldorfer Unternehmensberatung Horváth & Partners voraus. In der Initialphase von Urban Air Mobility (UAM) ab 2025 würden sich Flugtaxis in Megacitys beziehungsweise Metropolregionen etablieren. In Deutschland könnten sich Pilotstrecken auf stark strapazierten Pendlerstrecken durchsetzen, zum Beispiel in der Rhein-Ruhr-Region.

Generell sind in Deutschland neben innerstädtischer Mobilität auch Stadt-Land- oder Stadt-Stadt-Verbindungen zur Entlastung des Berufsverkehrs von hoher Relevanz. Ein Großteil der täglich 2000 Staus - ein neuer Rekordwert aus dem Gesamtjahr 2018 - entfallen auf den Berufsverkehr.
Weltweit führend bei der Entwicklung von senkrechtstartenden, vollelektrischen Multikoptern als Lufttaxi ist das Startup-Unternehmen Volocopter GmbH aus Bruchsal.

Was 2018 auf der Elektronikmesse CES in Las Vegas zu den Stars zählte, hatte seinen Ursprung in einem Kinderspielzeug. "Mein Mitgründer Stephan Wolf hat vor einigen Jahren für seinen Sohn eine elektrische Spielzeugdrohne gekauft", berichtet Unternehmensgründer Alexander Zosel, ,,und dabei kam er auf die Idee, das könnte man auch als Fluggerät für Passagiere herstellen." Gesagt, getan.

Inzwischen ist Mobilität in der dritten Dimension zu Taxipreisen nach siebenjähriger Forschungs- und Entwicklungsarbeit greifbar nahe. Als Investoren sind neben Daimler auch der Halbleiterhersteller Intel aus Santa Clara in Kalifornien sowie eine Reihe weiterer Unternehmen eingestiegen. Neuerdings gibt es auch Geld aus der Politik: Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer startete Ende Februar ein Förderprogramm für Drohnen und Flugtaxis in Höhe von 15 Millionen Euro.

Zwei Wochen zuvor hatten die Frankfurter Flughafengesellschaft Fraport und die Volocopter GmbH enge Zusammenarbeit vereinbart. "Gemeinsam entwickeln die Unternehmen Konzepte für die Bodeninfrastruktur und den Betrieb von Flugtaxis an Flughäfen. Im Vordergrund stehen die reibungslose Fluggastabfertigung sowie die effiziente Anbindung an bestehende Verkehrsinfrastruktur. Das wird beispielhaft an einem sogenannten Volocopter Port untersucht. Diese könnten in Zukunft Knotenpunkte in Städten miteinander verbinden - auch eine Verbindung vom und zum Flughafen Frankfurt soll geprüft werden", sagt Yi-Chun Sandy Chen, Fraport-Sprecherin für Digitalisierung und Servicethemen.

Die Bruchsaler waren weltweit die ersten, die eine Zulassung für bemannte voll-elektrische Flüge erhalten und zudem in Dubai im September 2018 den ersten öffentlichen Flug eines unbemannten Zweisitzers im Innenstadtverkehr vorgenommen hatten. "Dubai ist keine Traumstadt zum Testen von Flugtaxis. Dort herrscht Hitze, es gibt viel Sand und auch kulturelle Unterschiede. Aber die Behörden agieren fast wie Firmen, was ein Traum ist", sagt Alex Zosel. Die Vision des Unternehmens sei, dass 2030 in einigen Städten in der Welt Tausende Volocopter fliegen. Der Doppelsitzer 2X besitzt 18 Rotoren, mit denen sich das Gefährt überdurchschnittlich leise fortbewegen soll. Angeblich verursacht der 2X in 75 Metern Entfernung gerade mal so viel Krach wie ein Kleinsthubschrauber in 500 Metern. Die Reichweite beträgt 27 Kilometer.

Da ist es kein Wunder, dass auch andere am viel versprechenden Kuchen Lufttaxis mitbacken wollen. Boeing, Airbus, Uber und auch Autobauer wie Volkswagen und Porsche kündigten an, Fluggeräte für den Stadtverkehr zu entwickeln. Als Vorreiter gelten aber die beiden Startups Lilium mit einem elektrisch betriebenen Senkrechtstarter für den Mittelstreckenverkehr und Volocopter.

Aus der vermeintlichen Science Fiction ist also längst soweit Realität geworden, dass schon jetzt zukünftige Fahrpreise kalkuliert werden. Die Beratungsagentur Porsche Consulting errechnete am Beispiel für einen sechsminütigen Beförderungsflug vom Flughafen Stuttgart ins benachbarte Bietigheim-Bissingen 57 Euro. Würde man die Strecke mit einem herkömmlichen Straßen-Taxi zurücklegen, bräuchte man unter günstigsten Bedingungen 30 Minuten und würde um die 90 Euro bezahlen. Die Flugtaxipreise würden zur Entfernung relativ gleichmäßig ansteigen. Die zwölf Minuten nach Heilbronn könnten demnach 123 Euro kosten und nach Karlsruhe für 19 Minuten 186 Euro. Hamburg ist eines von fünf Testgebieten für die kleinen, elektrobetriebenen Senkrechtstarter von Volocopter. Mit ihm würde der Weg vom Flughafen in die Innenstadt nur noch drei Minuten dauern und rund 35 Euro kosten. Ein Linienverkehr ist voraussichtlich ab 2025 möglich. 

Würde Flugpionier Otto Lilienthal noch leben, dann würde er mit Sicherheit vor lauter Begeisterung einen Looping fliegen. (ampnet/hrr)

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