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Test: Gocycle G3 - Sauber gelöst

  • In FAHRRAD
  • 26. März 2019, 15:52 Uhr
  • Mario Hommen/SP-X

Seit 10 Jahren ist die Pedelec-Marke Gocycle schon auf dem Markt. Die jüngste Evolutionsstufe, das G3, hat dennoch nichts von seiner ursprünglichen Faszination eingebüßt. Es sieht weiterhin toll aus und fährt sich auch richtig gut.

Vor zehn Jahren wurde die damals neue Pedelec-Marke Gocycle auf der Fahrradmesse Eurobike mit dem Gold Award prämiert. Seither hat sich in der Zweiradszene vieles getan und so manches Fahrradkonzept ist längst ins Hintertreffen geraten. Das Gocycle hingegen scheint dagegen sogar heute noch seiner Zeit voraus. Es bietet wie eh und je Kopfverdreher-Potenzial und begeistert auch technisch seinen Nutzer. Obwohl einiges in ungewöhnlicher Weise gelöst wurde, fährt es sich zudem außergewöhnlich harmonisch.

Das Design hat nichts von seiner futuristischen Strahlkraft verloren. Vor allem trifft das auf das von uns getestete Top-Modell G3 zu, das unter anderem mit einem im Lenker integrierten XXL-Tagfahrlicht besonders Eindruck hinterlässt. Ebenfalls cool ist es, wenn über einen hinter dem Hinterrad im Magnesium-Rahmen versteckten Schalter das E-Bike zum Leben erweckt wird und in der dem Fahrer zugewandten, schwarzen Plastikabdeckung des Lenkers rote und blaue Dioden zu leuchten beginnen. Das Lichtspiel sieht nicht nur schick aus, es informiert den Fahrer unter anderem auch über den Akkufüllstand und den Leuchtmodus des Frontlichts. Wem diese Anzeige zu minimalistisch ist, der kann sein Smartphone mit dem G3 verbinden und es über die Gocycle-App als Informations- und Bedieneinheit nutzen. Das Design der Anzeigenoberfläche passt übrigens sehr gut zum Styling des Fahrrads. Auch die Befestigung - zwei einfache Gummilaschen reichen hier - ist so minimalistisch und durchdacht wie das gesamte G3. Selbst bei Fahrten über groben Untergrund bleibt das Handy stabil in seiner Position.

Bei den Verstellmöglichkeiten für eine optimale Sitzposition ist man als Nutzer eingeschränkt, denn stufenlos lässt sich beim G3 nur die Sattelhöhe justieren. Darüber hinaus ist die Lenkstange in zwei Positionen arretierter. Umso erstaunlicher, das man problemlos eine entspannte, tourentaugliche Haltung findet, an der es nichts zu mäkeln gibt. Die Sitzergonomie ist vorbildlich. Zumal man auf einem bequemen Sattel thront und zusätzlich noch den Komfort einer Hinterradfederung sowie den großen Vredestein-Ballonreifen genießt. Doch das G3 ist nicht nur komfortabel, es fährt sich zudem verbindlich und handlich.

Allein die Räder sind ein Kapitel für sich. Es handelt sich um besonders leichte 20-Zöller aus Magnesium, die jeweils einarmig geführt werden. Deshalb haben beide auch einen Zentralverschluss, der eine Demontage mit wenigen Handgriffen erlaubt. Wenn man möchte, kann man die Positionen beider Räder sogar tauschen. Nimmt man die Räder ab, lassen sich auch Hinterradschwinge und Lenker wegklappen sowie die Sattelstange herausnehmen, wodurch das mit 16 Kilogramm recht leichte G3 zu einem erfreulich kleinen Paket schrumpft. Ähnlich wie bei einem Klapprad ist so eine platzsparende Mitnahme im Auto, Wohnmobil, Yacht oder Sportflugzeug möglich. Für den kostenlosen und spontanen Transport in Zügen ist das G3 allerdings zu umständlich und unhandlich. Das weiß man auch bei Gocycle, weshalb man nun das neue Schwestermodell GX eingeführt hat, das speziell auf die Bedürfnisse multimodaler Pendler zugeschnitten wurde.

Ebenfalls eine gute Lösung ist die Kapselung von Kettenblatt, Kette und Dreigang-Schaltung in der aus einer Magnesium-Aluminium-Legierung bestehenden Hinterradschwinge. Clean Drive nennt Gocycle diesen wartungsfreien Antrieb, der die besonders schmutzigen Komponenten des Fahrrads versteckt. Schließlich ist auch der Motor nahezu unsichtbar, da die 250-Watt-Maschine in der Aufnahme fürs Vorderrad integriert wurde. Dank Clean Drive, den weitgehend im Rahmen versteckten Zügen und Kabeln sowie dem sehr kompakten Nabenmotor hinterlässt das G3 einen einzigartig aufgeräumten und sauberen Eindruck. Und dieser Eindruck täuscht nicht, denn schmierige Hände bekommt man hier nicht, selbst wenn man die Räder ausbaut.

Neben der optisch genial inszenierten Technik verblüfft das G3 mit seinen ausgewogenen Fahreigenschaften. Zunächst einmal fährt es sich wie ein ganz normales Fahrrad mit Pedalantrieb - und das angenehm spritzig und leichtfüßig. Wer Anstrengungen vermeiden möchte, kann den Motor in verschiedenen Unterstützungsstufen anfordern. Für alle Einsatzzwecke recht gut eignet sich der City-Modus. Dieser zieht das Rad auch bergauf ordentlich nach vorne und entlastet deutlich die Beinmuskeln. Etwas störend ist dabei die akustische Präsenz der kleinen E-Maschine. Die Mischung aus Surren und Schnarren ist laut Hersteller einem in den Motor integrierten, zweistufigen Planetengetriebe geschuldet.

Oftmals setzt das Geräusch allerdings auch aus, weil man nicht selten allein mit Beinarbeit bereits schneller als 25 km/h fährt. Kommt man wieder in den Bereich der Motorunterstützung, macht sich das umgehend akustisch bemerkbar. Während andere Pedelecs mit oft ruppigen Übergängen zwischen dem Ein- und Aussetzen der Motorunterstützung nerven, gelingt dies hier verblüffend geschmeidig.

Ebenfalls sehr gut gelöst ist die Automatik der Schaltung. Über einen Ring am rechten Lenkergriff lassen sich Gangwechsel manuell einleiten. Alternativ kann man die Schaltarbeit einem Servomotor überlassen. Es gibt dann bestimmte Schaltpunkte, an die man sich nach kurzer Zeit gewöhnt hat. Ist eine entsprechende Geschwindigkeit erreicht, wird kurz die Beinarbeit ausgesetzt, bis die Automatik in die nächsthöhere Übersetzung wechselt, was von einem leichten Servosurren akustisch begleitet wird. Zwar gibt es nur drei Gänge, doch reichen diese für die meisten Situationen aus. Nur wenn man ohne Motorunterstützung 30 km/h oder schneller fahren will, wäre ein vierter oder fünfter Gang schön.

Da sich das G3 sehr leicht auch ohne E-Power fahren lässt, ist es nicht weiter tragisch, dass die im Rahmen integrierte Batterie mit 375 Wh recht bescheiden ausfällt. Gocycle verspricht gut 80 Kilometer Reichweite, praktisch reichte es bei uns im Citymodus für 60. Wenn der Stromvorrat auf 10 Prozent fällt, setzt bereits die Motorunterstützung aus. Gelegentlich kann die Spannung während der Fahrt wieder auf 20 Prozent steigen, was man dann am plötzlichen Wiedereinsetzen des Motors spürt. Dieser Übergang mag etwas nervig sein, andererseits ist man jedes Mal froh, wenn der Motor wieder einsetzt. Gut vier Stunden dauert es, bis das kleine Ladegerät den Akku wieder geladen hat.

Design und die weitgehend überzeugende Technik haben ihren Preis: Die Basisversion des G3 kostet rund 4.000 Euro. Für Smartphone-Halterung, Supernova-Lichtanlage, Hauptständer und Schutzblechen kommen weitere 500 Euro hinzu. Die Schutzbleche waren übrigens der einzige Schwachpunkt am G3, denn diese verschandeln nicht nur die tolle Optik, das hintere Schutzblech verhindert zudem auch nicht, dass der Reifen feuchten Schmutz in den Rücken des Fahrers wirft. Doch das ist so ziemlich das einzige, was Gocycle bislang noch nicht ganz sauber gelöst hat.

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