Fahrrad

Test: Tern BYB P8 - Dreifaltig und dynamisch

  • In FAHRRAD
  • 29. Mai 2019, 10:39 Uhr
  • Mario Hommen/SP-X

An Klapprädern mit großen Laufrädern stört meist ein üppiges Packmaß. Das neue BYB von Tern macht da eine erfreuliche Ausnahme. Der Trick ist eine zusätzliche Faltstufe.

Wenn es um die Qualität der Fahreigenschaften geht, sind Klappräder mit 20-Zoll-Rädern gegenüber Mitbewerbern auf Minirädern klar im Vorteil. Große Räder verhindern allerdings ein kleines Packmaß. Eine interessante Alternative verfolgt Tern mit der neuen Trifold-Technik, die erstmalig im neuen BYB zum Einsatz kommt. Wie der Name bereits andeutet, trennt diese den Rahmen in drei Teile. Damit faltet sich das neue Tern um 30 Prozent kompakter als andere Modelle mit 20-Zoll-Rädern. Mit dem Trifold-Prinzip lässt sich zwar das extrem kleine Format eines Brompton nicht unterbieten, doch im Gegenzug fährt sich das neue Tern erfreulich erwachsen, dynamisch und präzise. Eigenschaften, die andere Falt-Ikonen vermissen lassen.

Bei der ersten Inaugenscheinnahme beeindruckt das neue BYB mit einigen pfiffigen und wertigen Details. Dazu gehören die Klappscharniere, bei denen es sich dank einfacher Handhabung und hochwertiger Verarbeitung um haptische Kleinode handelt. Einerseits helfen sie beim schnellen Ein- und Ausklappen des Rads, andererseits stellen sie eine besonders starke Verbindung zwischen eigentlich getrennten Rahmensegmenten her. Hat man nach etwas Übung den Bogen raus, überzeugt der Klappmechanismus mit einer gewissen Eleganz. Doch selbst als Geübter braucht man dafür gut 30 Sekunden. Gefaltet stehen die beiden Räder parallel zueinander. Damit das so bleibt, rastet ein Metallstift auf der gegenüberliegenden Seite ein. Tern nennt diese Besonderheit Anchor Bolt. Als weitere Sicherung gibt es noch einen Gummiriemen, der den ebenfalls abklappbaren Lenker in Position hält. Das so gesicherte, solide Paket ist zwar deutlich größer als ein gefaltetes Brompton, dennoch lässt es sich problemlos in einem Zug oder Kofferraum mitnehmen. Zudem lässt sich daheim für das BYB leichter ein Abstellplatz organisieren. Als Zubehörlösung bietet Tern zum Preis von rund 320 Euro einen maßgeschneiderten Hartschalenkoffer, was eine unkomplizierte Gepäckaufgabe des BYB bei Flugreisen erlaubt.

Mit rund 14 Kilogramm ist das P8 kein Leichtgewicht mehr, weshalb Tern es mit einer Trolleyfunktion versehen hat. Zusammengeklappt kann man es auf die 20-Zoll-Räder und drehbaren Minirollen stellen, was es dem Nutzer erlaubt, das Bike bequem und präzise wie ein Vierrad-Trolley über den Bahnsteig zu manövrieren. In der Unterseite des Sattels befindet sich noch eine Art Gummipolster, die das Tragen des Bikes im ausgeklappten Zustand auf der Schulter erleichtert, sofern man etwa Treppen steigen muss.

Eine weitere lobenswerte und der Marke vorbehaltene Lösung ist ein cleverer Verstellmechanismus für den Lenker. Werden zwei leicht zu lösende Hebel umgeklappt, kann man in einer Bewegung Höhe, Weite und Winkel auf das jeweilige Bedürfnis anpassen. Zudem gibt es dank des zweiteiligen Sattelrohrs mit zwei Schnellspannnaben einen besonders großen Bereich, um die Sattelhöhe zu verstellen. Entsprechend können kleine wie große Personen recht einfach und spontan eine gute Position finden.   

Dank der massiv gearbeiteten Verbindungsteile sowie der Doppeldeck-Rahmenstruktur ist das Bike absolut verwindungssteif und fährt sich entsprechend verbindlich. Das gilt auch für den abklappbaren Lenker, der anders als bei vielen Falträdern nicht mit einer biegsamen Lenksäule nervt. Im Zusammenspiel mit den 20-Zoll-Rädern erlaubt dies problemlos auch freihändiges Fahren. Beim erwähnten Mitbewerber aus England ist es bereits ein Wagnis, nur eine Hand vom Lenker zu nehmen.

 Erfreulich gut hat man das BYB im Fahrbetrieb unter Kontrolle. Man kann eine leicht sportliche, aber zugleich recht bequeme Haltung einnehmen. Alles liegt gut zur Hand, das Fahrrad reagiert angenehm direkt und präzise auf Lenkbefehle, so dass man Lust bekommt, mit ihm spritzig um Ecken zu fegen. Ob ein Fahrrad das Attribut sportlich verdient, liegt immer auch im Auge des Betrachters. Im Fall des BYB wäre aber folgender Vergleich angemessen: Wenn man Falträder der 70er-Jahre fahrdynamisch mit einem VW Käfer vergleicht, dann wäre das neue Tern ein Porsche 911. Zumal es sich in Kombination mit der achtstufigen Kettenschaltung von Shimano recht leichtgängig und außerdem angenehm leise auf Tempo bringen lässt. Die acht Zahnkränze am Hinterrad haben für eigentlich jede Situation die passende Übersetzung parat. Auch längere Strecken lassen sich mit 25 bis 30 km/h gut abspulen. Allerdings verzichtet das BYB auf Federelemente, weshalb man in Hinblick auf den Fahrkomfort gewisse Härten hinnehmen muss.

Wie schon erwähnt, hinterlassen Verarbeitung und Komponenten einen weitgehend hohen Qualitätseindruck. Eine Ausnahme sind jedoch die ergonomischen Gummigriffe, die bereits bei leichter Schweißbildung der Hände erste Auflösungserscheinungen zeigten, was wiederum für klebrige Handinnenflächen sorgt. Die V-Felgenbremsen verzögern tadellos, wer allerdings hydraulische Scheibenbremsen gewohnt ist, könnte sich möglicherweise noch feiner dosierbare und kräftiger zupackende Stopper wünschen.

Preislich bleibt das ab Juli verfügbare BYB in der von uns getesteten Version P8 mit rund 1.200 Euro auf dem Teppich. Zur Ausstattung gehören Schutzbleche, Seitenständer, Kettenschutz und Packtaschenhalter. Neben einem Beleuchtungssystem wird gegen Aufpreis noch eine Halterung mit Klickfix-Aufnahme angeboten, was die Montage eines speziellen Fahrradkorbs oder einer vielseitig nutzbaren Tasche erlaubt. Alternativ ist das BYB noch in der Leichtbau-Version S11 erhältlich, die sich durch edlere Komponenten und eine Elfgang-Schaltung auszeichnet. Diese Extraportion Dynamik lässt sich Tern mit 2.300 Euro allerdings teuer bezahlen.

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