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Der sympathische Russe

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  • 13. Juni 2019, 10:21 Uhr
  • Marcus Efler

Mit Hilfe des Renault-Konzerns startet Lada auch in Deutschland wieder durch. Wie schlägt sich der Vesta SW Cross im Alltag?


Der Motorradfahrer, der den Auto-Tester auf dem Supermarkt-Parkplatz anspricht, ist der typische Kunde für einen Lada: Seine chromblitzende Harley-Davidson glänzt in der Sonne, sie kostet gut und gerne 30.000 Euro. Niemals würde ihr Besitzer auch nur annähernd so viel Geld für ein Auto ausgeben. Ein Pkw, das ist schließlich ein Alltagsprodukt, das einen von A nach B bringt, wenn es mal regnet oder schneit, oder das Einkäufe transportiert, die nicht in die ledernen Satteltaschen der Harley passen.

"Was kostet denn der?", fragt der Biker und zeigt auf den Lada Vesta SW Cross. Gut 16.500 Euro, lautet die Antwort. Auch kein Billigst-Preis, aber dafür gibt es einen praktischen Kombi im trendigen SUV-Look. Und dass es die Marke Lada überhaupt wieder in Deutschland gibt, und dass sie ein solides Auto baut, für das die Leute sich interessieren - das verdankt sie dem Renault-Konzern. Die Franzosen nämlich haben sich bei AwtoWAS eingekauft, Russlands größtem Autohersteller, und Lada in ihr Portfolio eingegliedert.

Ob es Sinn macht, neben Dacia eine zweite Budget-Marke zu führen, kann man diskutieren. Das Know-How, ein brauchbares Automobil zum fairen Preis anzubieten, ist dem Vesta SW Cross jedenfalls anzumerken: Mit den spartanischen Blechbüchsen, für die Lada zu Sowjet-Zeiten stand, hat dieses Auto nichts mehr zu tun. Die technische Unterstützung durch Renault ist in jeder Ecke spürbar. Das Design der Karosserie mag manchem etwas barock vorkommen, räumt aber immerhin mit dem Brikett-Image des guten alten Lada Nova auf.

Auch im Interieur gibt es kaum etwas zu beanstanden, dank Schmuckfarbe wirkt es sogar etwas peppig. Die Raum-Ökonomie wirkt durchdacht: Im Fond sitzen zwei Passagiere auch auf längeren Strecken kommod, und drei noch menschenwürdig. Der gut nutzbare Kofferraum bietet unter der Bodenplatte noch zusätzlichen Stauraum mit großen, praktischen Boxen aus robustem Material.

Konventionell das Cockpit: Die analogen Instrumente sind gut ablesbar, in der Mittelkonsole steckt ein Touchscreen für die üblichen digitalen Inhalte. Beim Einlegen des Rückwärtsganges taucht - allerdings erst nach ein paar Augenblicken Verzögerung - das Bild der Heck-Kamera auf. Schade ist allerdings, dass Apple CarPlay oder Android Auto nicht zu haben sind: Sind diese Smartphone-Anbindungen doch wie geschaffen für Budget-Autos à la Lada, da deren Käufer sich möglicherweise gerne die Investition für ein Bord-Navi oder Kommunikations-Technologie sparen. Das ab Werk lieferbare Navigationssystem des Vesta SW Cross kann dazu mit Map-Apps nicht mithalten, liefert beispielsweise keine aktuellen Verkehrs-Infos.

Auch beim Thema Assistenz-Systeme hat der Vesta nicht viel zu bieten. So ein Auto fährt man eben noch selber. Und das klappt wirklich gut. Auch längere Strecken sind problemlos zu bewältigen. Bei entspanntem Autobahntempo 130 hält sich der Vierzylinder akustisch zurück, erst beim Zurückschalten und Beschleunigen kann man ihm bei der Arbeit zuhören - keine Schande für so ein ehrliches Auto. Der Praxisverbrauch geht mit 7,8 Litern auf 100 Kilometern ebenfalls ok.

Eher auf der komfortablen Seite bleibt auch das Fahrwerk. Von einem Lada erwartet man, dass er auch mal einen holprigen Feldweg mit Anstand bewältigt, und genau das tut der Vesta. Auch auf Asphalt, beim Kilometerfressen auf der Autobahn oder im täglichen City-Wahnsinn, fährt es sich so ebenfalls entspannter als mit einem Sportfahrwerk à la Audi.

Die Anforderung, eine problemlose Möglichkeit zur täglichen individuellen Mobilität zu liefern, erfüllt der Vesta SW Cross also souverän. Bleibt das Image als letztes Fragezeichen: Was sollen denn die Leute denken, wenn man mit so einem Basis-Auto auftaucht - das, wie der Testwagen, seine Marke sogar noch per großem Schriftzug mitteilt? Die Antwort: Sie sind interessiert und neugierig, begegnen dem Modell mit Sympathie. Der Harley-Biker ist längst nicht der einzige, der den Lada-Fahrer anspricht. Die russische Marke hat ein verblüffend positives Image, was wohl auch dem urigen Geländewagen Niva zu verdanken ist - und der unter der Bezeichnung 4 x 4 noch immer im Programm ist. Diese Mischung aus Tradition und Moderne, keine Frage, macht mittlerweile den Reiz dieser hierzulande noch immer exotischen Marke aus.

Marcus Efler / mid

Technische Daten Lada Vesta SW Cross:

Fünftüriger, fünfsitziger Kombi, Länge/Breite ohne Außenspiegel/Höhe/Radstand in Millimeter: 4.424/1.785/1537/2635 mm, Leergewicht: 1330 kg, Zuladung: 475 kg, Anhängelast gebremst/ungebremst: 900/600 kg, Kofferraumvolumen: 480 - 825 l, Tankinhalt: 55 l, Preis: ab 16.590 Euro.

Antrieb: 4-Zylinder-Benziner, Hubraum: 1.596 ccm, Leistung: 75 kW/102 PS bei 5.800 U/min, max. Drehmoment: 145 Nm bei 4.200 U/min, 5-Gang-Schaltgetriebe (Automatik optional), 0 - 100 km/h: 12,6 Sekunden, Höchstgeschwindigkeit: 180 km/h, Vorderradantrieb, Normverbrauch: 7,1 l/100 km, Testverbrauch: 7,8l/100 km, CO2-Emission: 162 g/km, Schadstoffklasse: Euro 6d-Temp.

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