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Sonst noch was? - Von Leichtgewichten und schweren Versäumnissen

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  • 23. Juni 2019, 07:38 Uhr
  • Peter Eck/SP-X

Angela Merkel hat mal wieder Recht: Mit ihr wird es tatsächlich keine Autobahn-Maut in Deutschland geben. Im Nachhinein wird nun klar, wir richtig die clevere Kanzlerin die Unfähigkeit ihrer Verkehrsminister eingeschätzt hat. Wer solche Leute im Kabinett hat, kann auch vermeintlich haltlose Versprechen abgeben.

Es ist ja nicht so, dass wir von unseren Politikern in Deutschland und anderswo nicht einiges gewöhnt wären. Und doch überrascht es immer wieder, wie ziellos, planlos und sturköpfig unsere politische Elite ins Verderben rennt. Nein, wir reden nicht über die SPD und wer jetzt an den Brexit denkt, wo ein paar machtbesoffene und im schlechtesten Sinn konservative Männer (und vormals auch eine Frau) ein ganzes Land an die Wand zu fahren drohen, hat zwar grundsätzlich Recht, aber das ist ja hier nicht unser Thema.

Verkehrspolitik allerdings schon mal ab und zu, wenn es denn einen Anlass gibt. Und da kann man gar nicht anders, als im Rückblick auf diese Woche noch einmal die - man muss es deutlich so sagen - Blamage der deutschen Politik in Sachen Autobahnmaut zu betrachten. Wobei, um beim obigen Brexit-Beispiel zu bleiben, die CSU irgendwie ja schon die Rolle der, sagen wir es vorsichtig, ,,eigenwilligen" Torys übernommen hat und zwei CSU-Verkehrsminister, ein ehemaliger und ein amtierender, dabei in die Rolle von Boris Johnson in diesem Fall als Hard-Mauter schlüpfen. Das passt, weil beide Leichtgewichte zusammen in politischer Währung vielleicht  gerade mal einen Johnson ergeben - und der ist ja schon nicht gerade ein neuer Churchill.

Nicht nur, dass der von der Bundesregierung und der großen Koalition zähneknirschend mitgetragene Maut-Vorstoß der Christsozialen von vornherein als bürokratisch, teuer, ungerecht und daher kaum als durchdacht bezeichnet werden kann. Nicht nur, dass man allenfalls Kleingeld eingenommen hätte und dafür in Kauf nahm, es sich mit einigen EU-Nachbarstaaten zu verscherzen. Nicht nur, dass dies alles von nicht wenigen Fachleuten auch genau so vorhergesagt worden war. Nein, jetzt wird das Ganze den Steuerzahler wohl auch noch viele Millionen, vielleicht sogar Milliarden Euro für die Abwicklung bereits geschlossener Verträge kosten. So viel Arroganz gepaart mit Unfähigkeit lässt einen einfach sprachlos zurück. Gut, dass wir gerade nicht reden müssen, sondern nur vor einer Tastatur sitzen.

Die grandios gescheiterte Maut war der Leistungsnachweis von Herrn Dobrindt, Herr Söder wiederum hat zwar viele Themen vor sich, aber noch nichts Deppertes in dieser Größe angedacht, weshalb er nun mit Eifer versucht, aufzuholen. Erst ging es um die Regelungen für E-Scooter, die, sagen wir mal, etwas undurchdacht sind. Jetzt kommt er mit der Idee ums Eck, dass der Pkw-Führerschein völlig ausreicht, um zumindest kleine Motorräder damit fahren zu dürfen. Wir schätzen mal, er will so seinem Kabinettskollegen Jens Spahn helfen, schließlich fehlen im Gesundheitssystem Organspender.

Die wirklich drängenden Probleme im Verkehrsbereich werden dagegen nicht oder nur verzögert angegangen. Ladeinfrastruktur für Elektro-Autos? Ja, da wird wohl irgendwas gemacht werden, aber zu spät und zu wenig. Unterstützung für die Bahn oder den Öffentlichen Nahverkehr? Das eine eher zögerlich, beim anderen kann man sich hinter den Kommunen verstecken.

Die Kommunen spielen allerdings auch häufig nicht gerade eine Prinzenrolle. Zwar geht den Politikern der dritten Reihe jederzeit ein Bekenntnis für eine autofreiere Stadt und eine Stärkung des ÖPNV leicht über die Lippen. In vielen Fällen bleibt es dann mehr oder weniger auch dabei.

Schaut man sich die ADAC-Auswertung der Ticket-Preise in großen deutschen Städten aus dieser Woche an, wird dieser Eindruck bestätigt. Es ist kaum nachzuvollziehen, warum eine am täglichen Verkehr fast erstickende Stadt wie etwa Köln mit die höchsten Preise etwa für Monats- oder Tagestickets nimmt. Nun ist die Kölner Kommunalpolitik selten ein leuchtendes Beispiel professioneller Arbeit, sondern wird eigentlich fast immer in einem Atemzug mit den Begriffen ,,Klüngel" und ,,atemberaubende Unfähigkeit" genannt. Aber auch andere Städte machen es in diesem Fall nicht besser. Dabei ist doch klar: Wer die Leute in Busse und Bahnen bringen will, muss ihnen wirklich attraktive Angebote machen und dafür auch Steuergeld einsetzen. Sonst wird das nichts, meine Damen und Herren in den Rathäusern. Beispiele für falsches oder zu spätes Handeln gibt es doch nun wirklich genug. Wir ersparen uns an dieser Stelle offiziell aus Zeit- und Platzgründen, tatsächlich aber wegen überbordenden Fremdschämens eine Aufstellung solcher Versäumnisse. Sonst noch was? Nächste Woche wieder.

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