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Fahrbericht: Audi S4 - Dieselhammer mit Stromanschluss

  • In AUTO
  • 17. Juli 2019, 07:39 Uhr
  • Peter Maahn/SP-X

Der Diesel lebt weiter, sogar wenn es um ausgeprägte Sportlichkeit geht. Zusammen mit dem Facelift der normalen A4-Modelle schickt Audi das stärkste Stück der Familie nur noch mit einem Selbstzünder ins Rennen. Um das lästige Turboloch zu stopfen, hat der allradgetriebene S4 TDI einen elektrischen Verdichter an Bord, der von einem 48-Volt-Stromnetz versorgt wird.

Diese Zahlen sind Musik in den Ohren von Fans jener Motorenart, der viele eigentlich keine Zukunft mehr zutrauen: 255 kW/347 PS, dank 700 Newtonmetern mehr Durchzugskraft als die Luxus-Limousine A8 mit gleichgroßem Motor und dabei ein Verbrauch von 6,5 Litern, natürlich nach neuesten Regeln. So erhält das ,,S" am Heck des Audi S4 eine neue Berechtigung. Natürlich steht es für ,,Sport" und somit für die jeweils stärksten Vertreter in den einzelnen Modellreihen. Und bei der überarbeiteten Version der an sich so braven A4-Familie verzichtet Audi sogar auf die bisherige, etwas stärkere Benzinvariante des Spitzenmodells und setzt voll auf den Selbstzünder.

Schon wegen des Preises von 64.250 Euro wird der S4 natürlich nicht häufig zu sehen sein. Und wenn, fällt er angesichts der eher dezenten Erkennungsmerkmale wie dem Schlitz unter der Motorhaube, den in Chrom gehaltenen Schwellern und Rahmen der Lufteinlässe oder dem eher angedeuteten Heckspoiler am oberen Rand des Kofferraumdeckel  nicht besonders auf. Wer genau hinschaut sieht aber, dass die Karosserie näher an die Straßenoberfläche herangerückt ist als beim normalen A4, genau um 2,3 Zentimeter.

Um unter Beweis zu stellen, was das Besondere am S4 ist, sollte man vielleicht den Spielpartner im Golf-Klub zu einer Mitfahrt auf dem Beifahrersitz animieren. Der nimmt dann Platz auf Sportsitzen mit integrierten Kopfstützen und einer in Rautenform gesteppten Sitzfläche, entdeckt vielleicht links unten die Pedalkappen aus Edelstahl und bewundert die Dekoreinlagen aus gebürstetem Aluminium oder Karbon. Und registriert - klar -  das sanfte Schnurren vom Bug her, wenn der Startknopf gedrückt wurde.

Ein Sechszylinder-Diesel also, der da vorne Dienst tut. Und der beim energischen Tritt auf rechte Pedal von Diskretion auf wohlige Potenz umschaltet. In knapp fünf Sekunden schraubt sich die bumerangförmige Drehzahlanzeige im digitalen Cockpit nach oben und lässt die ebenfalls digitale Tempoinformation dreistellig werden. Dabei schaltet die Achtgang-Automatik völlig ruckfrei hoch, scheinbar ohne Durchatmen beim Wechsel der Stufen. Das Geheimnis liegt in zwei zusätzlichen Bauteilen nahe am Dreiliter-Diesel: Ein sogenannter Riemen-Starter-Generator und ein Verdichter, der im Gegensatz zum ebenfalls vorhandenen Turbolader nicht von den Abgasen, sondern ebenso wie der Generator, von Strom angetrieben wird.

Da die übliche 12-Volt-Anlage diese zusätzliche Kraft nicht stemmen kann, verfügt der S4 über ein Bordnetz von 48 Volt, das die Energie aus einer Zusatzbatterie unter dem Kofferraumboden bezieht. Eine Technik, die auch Mercedes in einigen Modellen nutzt und die bald im auch im neuen VW Golf zum Einsatz kommen soll. Mittels Elektropower wird das Verdichterrad beim Gasgeben in nur drei Zehntelsekunden auf bis zu 65.000 Umdrehungen gebracht, die dann komprimierte Luft ins System leiten.

Im S4 wirkt sich das vor allem bei geringen Drehzahlen aus, bei denen der Motor noch nicht genügend Abgase für den klassischen Turbo produziert. Und das ist für die Insassen spürbar. Das Turboloch beim Gangwechsel ist Vergangenheit, sichere Überholvorgänge und Beschleunigen am Ausgang der Kurve werden nicht mehr ausgebremst. Weiterer Vorteil: Wer lieber gelassen unterwegs sein will, bemerkt im Alltagsbetrieb, dass die Automatik auf das Herunterschalten häufig verzichten kann, was wiederum Kraftstoff spart.

Beim Thema Sparen kommt dann der ebenfalls elektrisch angetriebene Generator ins Spiel, auch wenn das vom Innenraum aus kaum wahrnehmbar ist. Geht man zum Beispiel bei einer längeren Bergabfahrt vom Gas, kann der S4 bis zu 40 Sekunden lang mit komplett stillgelegtem Motor gen Tal segeln und leitet die dabei nicht benötigte Energie zurück in die Batterie. Das Gleiche gilt fürs Bremsen oder beim Lupfen des Gaspedals zum Beispiel, um überschüssige Geschwindigkeit auf der Autobahn abzubauen. Diese Rekuperation kennen wir aus E-Autos oder von Hybridsystemen. Deshalb gilt das 48-Volt-Bordnetz auch als ,,Mildhybrid".

Um all das braucht sich der Fahrer eines S4 nicht zu kümmern. Es läuft dank ausgeklügelter elektronischer Steuerung automatisch ab. Die Kommandozentrale ist auch für den besonders sportlichen Auftritt des Spitzenmodells zuständig und regelt das Fahrwerk samt Allradantrieb so, dass der vom Dynamik-Fieber befallene Fahrer seine Leidenschaft ausleben kann. Auf Wunsch gibt es ein Sportdifferential, Dämpferregelung oder eine spezielle Lenkung für noch sensibleres Ansprechen. Aber der S4 kann auch ganz entspannt, wenn es gilt, dem nach neuer Norm gemessenen Verbrauch nahezukommen. Schon die beschriebenen Systeme auf 48-Volt-Basis sparen gut einen halben Liter. Kommt dann noch ein leichter Gasfuß dazu, sind in der Praxis zwischen 7 und 8 Liter möglich.

Bei alledem werden einem S4-Interesssenten auch die Segnungen der großen Überarbeitung der Modellreihe zuteil. Die neue Frontpartie mit dem flacheren, aber breiterem Grill, die geänderten LED-Scheinwerfer oder auch der neue Touchscreen-Monitor auf dem Instrumententräger. Die Audi-Designer änderten viele Blechteile und die Ingenieure verfeinerten die Technik samt der heute so angesagten Vernetzung mit der digitalen Welt des Internets.

Der stolze Preis des S4 wird dafür sorgen, dass so ein Kraftpaket nur einen kleinen Teil der A4-Kundschaft anlockt. Hinzu kommt, dass viele der begehrenswerten Features zum Grundpreis addiert werden müssen. Im Eintrittsgeld in die S-Welt ist allerdings der überzeugende Dieselmotor immer mit drin. Und der könnte Kronzeuge werden, dass der viel gescholtene Diesel vielleicht doch noch eine Zukunft hat.



Audi S4 TDI  - Technische Daten:
Viertürige, fünfsitzige Limousine; Länge: 4,75 Meter, Breite (mit Außenspiegeln): 2,02 Meter, Höhe: 1,41 Meter, Radstand: 2,82 Meter, Kofferraumvolumen: 420 Liter
3,0-Liter-Sechszylinder-Turbodiesel, 255 kW/347 PS, maximales Drehmoment: 700 Nm bei 2.500 - 3.100 U/min, Achtgang-Automatik, Allradantrieb, Vmax: 250 km/h, 0-100 km/h: 4,9 s, Normverbrauch: 6,3 l/100 km, CO2-Ausstoß: 165 g/km, Abgasnorm: Euro 6d-temp, Effizienzklasse: B
Preis: ab 64.250 Euro (Audi S4 Avant: 65.900 Euro)



Kurzcharakteristik:
Warum: weil man an den Diesel glaubt  
Warum nicht: im E-Zeitalter bei aller Technik doch ein Auslaufmodell
Was sonst: in seiner Klasse ist der S4 mit 48-Volt-Netz noch allein auf weiter Flur

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