Sommermärchen 3

Ein Sommermärchen (III): Keine Chance für strategische Lösungen?

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  • 24. Juli 2019, 11:36 Uhr
  • Peter Schwerdtmann, cen/ampnet

Angesichts des politischen Versprechens, die EU bis 2050 als ersten Kontinent beim Kohlendioxid (CO2) neutral wirtschaften zu lassen und die Rede von Ursula von der Leyen nach ihrer Wahl zur Präsidentin der EU-Kommission noch im Ohr, wird klar: Dies sind keine Aktivitäten, um Medien übers Sommerloch zu helfen. Es geht ums Klima - ums meteorologische und um das in unserer Gesellschaft.

Keine Zeit für Wasserstoff

Bei einem Pressetermin auf dem Genfer Automobilsalon, als Mercedes-Benz-Chef Dieter Zetsche und sein Forschungsvorstands-Kollegen Thomas Weber noch im Amt waren, ergab sich folgender kleiner Disput: Ein Journalist fragte, welche Technologie Daimler bevorzuge: Batterie oder Brennstoffzelle. Der Ingenieur Weber hatte keinen Zweifel: die Brennstoffzelle. Niemand wolle immer mit einer halben Tonnen Batterie durch die Gegend fahren. Der CEO antwortete politisch: Die Batterie biete als einzige Technologie die Chance die Kohlendioxid-Grenzwerte zeitgerecht einzuhalten.

Dabei ging es Zetsche offensichtlich nicht nur darum, dass batterieelektrische Autos vor Ort kein Abgas entwickeln. Er spielte auf den Zeitfaktor an. Wenn die Kohlendioxid-Grenzwerte eingehalten werden sollten, dann mussten so schnell wie möglich Fahrzeuge verkauft werden, die entweder gar nichts emittierten oder deren Verbrauch sich - wie bei den Fahrzeugen mit Hybridantrieben - mit wohlwollenden, aber offiziellen Formeln herunterrechnen ließ. Für die Einführung der Brennstoffzelle als Ersatz für die Batterie hatte die EU mit ihren Grenzwerten keine Zeit gelassen.

Grenzwerte bestimmen die Richtung

Natürlich hatten Parlament und Kommission nur die Umwelt im Sinn, auch jetzt, da sie gerade wieder Grenzwerte nach unten verschieben wollen. Auch heute noch wird die Diskussion dabei von der Überzeugung befeuert, man müsse der Industrie nur die Pistole auf die Brust setzen, dann werde sie schon funktionieren.

Oft genug hatte das Verfahren Erfolg, etwa nachdem der französische Präsident François Mitterrand den deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder überredete hatte, den Dieselpartikelfilter vorzuschreiben. Was er auch tat und damit der Deutschen Umwelthilfe (DUH) die Gelegenheit verschaffte, sich zum ersten Mal so richtig gegen das Auto in Stellung zu bringen.

Der Gedanke, dass Druck erstaunliche Ergebnisse schaffen kann, steht auch dahinter, dass die Politik heute versucht, die Kräfte des Marktes auszuhebeln und von der Industrie Quoten für Autos verlangt, die heute noch gar keine Käufer finden. Die ,,Politik" - das sind in Brüssel auch die Vertreter der Nationen, deren Erfolg nicht in demselben Maße von dem ihrer Automobilindustrie abhängt wie in Deutschland.

Schurigeln mit anschließender Schadenfreude ist da keine seltene Reaktion. Auch François Mitterrand und die französische Automobilindustrie werden es genossen haben, dass die deutschen Kollegen auf einmal Hardware vorgeschrieben bekamen, wo es eigentlich üblich war, Grenzwerte zu setzen und nicht etwa die Technologie zu verordnen. (ampnet/Sm)

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