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Test: Seat Tarraco - Der bessere Alhambra

  • In AUTO
  • 15. August 2019, 10:34 Uhr
  • Holger Holzer/SP-X

Der Erfolg des SUV ist der Tod des Vans. Auch bei Seat läuft mittlerweile ein modischer Crossover dem als spießig verschrienen Familienbomber den Rang ab.

Nicht schön, aber praktisch: Jahrelang fanden die Großfamilien unter Seats Kunden im Van Alhambra ihr Idealmodell. Zwar gibt es den Siebensitzer immer noch, heute dürfte die Wahl aber eher auf das SUV-Topmodell Tarraco fallen. Der ist ähnlich geräumig, etwas günstiger - und vor allem deutlich modischer. Aber der große Allrader hat auch ein klassentypisches Problem.

Der größte Crossover im Programm der spanischen Volkswagen-Tochter teilt sich die Technik mit Skoda Kodiaq und VW Tiguan Allspace, fällt allerdings eine Handbreit länger aus als seine beiden Cousins. Zudem ringt er der notgedrungen bullig bauenden Architektur ein klein wenig mehr optische Dynamik ab. Das war es dann aber auch schon mit den Unterschieden: Der Tarraco ist ein generisches Mittelklasse-SUV, allerdings ein bemerkenswert gut gemachtes.

Keine Überraschung: Seine Paradedisziplin ist das Platzangebot. 4,74 Meter Länge bieten beste Grundvoraussetzungen, die durch ein raumökonomisch sinnvoll geschneidertes Blechkleid und eine durchdachte Inneneinrichtung erst richtig gut zur Geltung kommen. Prinzipiell sitzt es sich luftig und angenehm auf dem leicht erhöhten Gestühl im Innenraum, im Gegensatz zu manch anderem SUV kommt man sich nicht eingemauert oder komplett von der Straße entkoppelt vor. Dieses Pkw-hafte Gefühl spiegelt sich auch im relativ handlichen und agilen Fahrverhalten wider. Auch dank der weitblickenden Rückfahrkamera und aufmerksamer Abstandssensoren fühlt sich der Seat selbst in Innenstädten nicht permanent übergroß an. SUV-Skeptikern sei zudem gesagt: Der Van Alhambra ist gut zehn Zentimeter länger - und in Sachen Übersichtlichkeit auch nicht unbedingt ein Vorbild.

Eine Nasenspitze voraus ist der Familien-Klassiker dem neu startenden Crossover trotzdem beim Platzangebot im Kofferraum. Der fällt beim Tarraco mit 760 Litern sehr üppig aus, bleibt aber etwas kleiner als beim Alhambra und liegt zudem ein wenig höher. Optional lässt sich bei beiden Modellen eine dritte Sitzreihe ordern. Im Testwagen war diese nicht montiert, sie dürfte klassenüblich jedoch eher beengt ausfallen und sich vor allem für Kinder und Kurzstrecken eignen. Trotzdem: Diesseits eines Kleinbusses oder eines Luxusklassen-SUV bietet kaum ein Auto mehr Platz als der spanische Crossover.

In Bewegung gesetzt wird das Seat-Flaggschiff trotz aller aktueller Vorbehalte gegenüber dem Selbstzünder in der Regel wohl von einem Diesel. Den 2,0-Liter-Vierzylinder gibt es mit 110 kW/150 PS und optionalem Allradantrieb oder - wie im Testwagen - mit 140 kW/190 PS und serienmäßiger 4Drive-Technik. Auch ein Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe ist in diesem Fall Standard. Der Tarraco ist so durchaus ausreichend, aber längst nicht üppig motorisiert. Zwischensprints geht es der rund 1,8 Tonnen schwere Crossover eher gemütlich an, in älteren Konzernmodellen wirkte der gleiche Motor auch schon mal etwas spritziger. Störender als das zurückhaltende Temperament ist jedoch der recht hohe Praxisverbrauch von gut 8 Litern auf 100 Kilometern. Geschuldet sein dürfte das dem hohen Gewicht und der bulligen Stirnfläche, die sich vor allem auf der Autobahn spürbar in den Wind stellt. Einigermaßen genügsam gibt sich der Spanier nur bei gleichmäßigem Tempo auf der Landstraße, wo man auch mal eine ,,6" vor dem Komma erreicht.

Kräftig zahlen muss man auch beim Kauf des großen Seat. Bereits für das Einstiegsmodell mit dem 110 kW/150 PS starken Benziner, Frontantrieb und Handschaltung werden 30.000 Euro fällig, den gleich starken Basisdiesel gibt es ohne Allradtechnik ab 34.180 Euro, das getestete Diesel-Topmodell mit vier angetriebenen Rädern und Siebengang-DSG kostet knapp 44.000 Euro. Das ist viel Geld, allerdings immer noch weniger als für einen vergleichbaren Alhambra fällig wäre. Zudem fällt die Ausstattung im Gegenzug sehr ordentlich aus, unter anderem zählen neben Selbstverständlichkeiten wie einer Klimaanlage auch üblicherweise aufpreispflichtige Details wie die Dachreling und Spielereien wie die digitalen Instrumente zum Standard. Bei den starken Varianten sind außerdem Posten wie eine elektrische Heckklappe, ein adaptiver Tempomat und der Parkassistent an Bord. Wer weitere Extras ordert, darf sich über vergleichsweise faire Aufpreise freuen. Über die 50.000-Euro-Marke bekommt man den Spanier auch in der stärksten Ausführung nur schwer.

Unterm Strich dürften also nur ausgewogene SUV-Verächter dem auslaufenden Alhambra eine Träne nachweinen. Der Tarraco verzichtet zwar auf die praktischen Schiebetüren, kann aber sonst als Großraum-Familienauto mit viel Platz, hohem Komfortniveau und fairen Preisen überzeugen. Lediglich beim Thema Verbrauch schafft er das nicht.



Seat Tarraco - Technische Daten:
Fünftüriges, fünf- bis siebensitziges SUV, Länge: 4,74 Meter, Breite: 1,84 Meter, Höhe: 1,66 Meter, Radstand: 2,79 Meter, Kofferraumvolumen: 760 bis 1.920 Liter (Fünfsitzer), 700 bis 1.775 Liter (Siebensitzer)
2,0-Liter-Vierzylinder-Diesel, 140 kW/190 PS, maximales Drehmoment: 400 Nm bei 1.750 - 3.250 U/min, 7-Gang-DSG, Allradantrieb, 0-100 km/h: 8,0 s, Vmax: 210 km/h, Normverbrauch: 7,2 Liter (WLTP), CO2-Ausstoß: 197 g/km, Abgasnorm: Euro 6d-Temp, Effizienzklasse: k.A., Testverbrauch: 8,2 Liter, Preis: circa 44.000 Euro.



Kurzcharakteristik - Seat Tarraco:
Warum: viel Platz, viel Ausstattung, faire Preise
Warum nicht: klobige Abmessungen, hoher Verbrauch
Was sonst: VW Tiguan Allspace/Skoda Kodiaq, Nissan X-Trail, Hyundai Santa Fe

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