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New Mobility: Der Innenraum der Zukunft - Virtuelle Tasten und Wohlfühl-Duft

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  • 11. September 2019, 12:37 Uhr
  • Michael Gebhardt/SP-X

Yanfeng gehört zu großen Interior-Zulieferer der Autoindustrie. Mit der Studie XiM20 zeigen die Chinesen, wie wir zukünftig in autonomen Autos Reisen könnten. Einiges davon dürfte allerdings schon zuvor in konventionellen Fahrzeugen in Serie gehen. 

Wie lange sitzen wir noch selbst am Steuer? Diese Frage treibt alle um, die sich mit dem autonomen Fahren beschäftigen. Fakt ist: Die vor ein paar Jahren aufkommende Euphorie hat einen Dämpfer erhalten, zahlreiche ungelöste Probleme verhindern aktuell den Durchbruch: Präzise Karten und die gesetzlichen Grundlagen sind zwei dieser Hindernisse. Die aus dem Weg zu räumen, daran arbeiten gerade zahlreiche Entwickler mit Hochdruck, und dass zumindest der Autobahnpilot bald in Serie gehen kann, ist wahrscheinlich. Dann sitzt aber immer noch ein Fahrer in einem mehr oder weniger konventionellen Cockpit.

Fährt das Auto irgendwann von ganz alleine, hat das klassische Interieur ausgedient. Lenkrad und Pedale braucht man nicht mehr, und auf die Fahrt muss sich auch keiner konzentrieren. Aus dem Transportmittel Auto soll ein weiterer Lebensbereich werden, der während der Reise zum Arbeiten, Relaxen oder Schlafen genutzt werden kann. Mit der Studie XiM20 präsentiert auch der chinesische Zulieferer Yanfeng seine Zukunfts-Vision. Dabei handelt es sich um weit mehr als nur die Fingerübung eines Shanghaier Startups: Yanfeng ist Teil der riesigen SAIC-Gruppe und Joint-Venture-Partner von Adient, der ehemaligen Sitz-Sparte von Johnson Controls. Das Unternehmen zählt mit Entwicklungsstandorten auf der ganzen Welt zu den ganz großen Zulieferern für Auto-Innenräume und produziert unter anderem für Mercedes, BMW, VW und Porsche Türverkleidungen, Armaturenbretter oder Mittelkonsolen.

Die Vision XiM20 steckt in einer mehr oder weniger quaderförmigen Sitzkiste, die ein bisschen an Volkswagens selbstfahrenden Shuttle Cedric erinnert, der vor einigen Jahren über verschiedene Messen gerollt ist. Bei der Einrichtung setzen die Chinesen auf eine klare Zweiteilung. In Reihe eins gibt es zwei gemütliche Dreh-Sessel hinter einer großen, gewölbten Windschutzscheibe, dahinter einen kuscheligen Lounge-Bereich - diese Aufteilung kennen wir auch vom Audi AiMe, einem kleinen City-Shuttle der im Frühjahr 2019 vorgestellt wurde. Wie auch die Ingolstädter Designer, setzt Yanfeng zum Teil auf natürliche Materialien: Einige Wände sind mit Natur-Materialien verkleidet und vor den Erste-Reihe-Gästen tut sich ein großzügiger Holztisch auf.

Praktisch: Die Möblierung ermöglicht nicht nur einen kleinen Imbiss oder eine Partie Skat während der Fahrt, sondern blendet bei Bedarf auch verschiedene Bedienelemente ein, die direkt auf der Holzoberfläche erscheinen. Auch in die hintere, stoffbespannte Seitenverkleidung hat Yanfeng eine ,,Active Space" genannte Anzeige integriert, außerdem erscheinen auf dem ,,Bulletin Board", einer weißen Fläche zwischen den Sitzbereichen, wichtige Fahrtinformationen. Ein Trend, den wir zukünftig nicht nur in selbstfahrenden Autos sehen werden: Hinter hauchdünnen Holzfurnieren, Leder- oder Kunststoffoberflächen verbergen sich nicht minder dünne Displays, die durch das Dekomaterial durchscheinen. Neben bunten Ambiente-Effekten können damit auch Schalter und Tasten quasi beliebig positioniert werden.  Das ist dann wichtig, wenn wir nicht mehr in der gewohnten Sitzposition reisen, sondern lümmeln oder liegen: Echte Schalter wären dann vielleicht schlecht zu erreichen. Der Fingerdruck selbst wird entweder direkt von Sensoren in der Oberfläche erkannt oder von einer 3D-Kamera erfasst; dann reicht es sogar, sich der Schaltfläche zu nähern 

Das ist vor allem ein Komfort-Aspekt, aber auch aus Hygiene-Sichtpunkten wichtig: Mit Fahrzeugen wie dem XiM20, die meistens im Shuttlebetrieb eingesetzt werden, reisen tagtäglich viele Passagiere. Da darf es nicht passieren, dass alle Fahrgäste am nächsten Morgen erkältet sind, nur weil der erste Gast des Tages verschnupft war. Smart hatte, um das zu verhindern, in seiner Studie Vision EQ Desinfektionsspender an den Sitzen angebracht. Yanfeng dagegen setzt auf eine UV-Lichtbehandlung aller Kontaktoberflächen. Diese ,,Desinfektionslampe" könnte zukünftig auch in anderen Autos zum Einsatz kommen: Yanfeng hat sie zum Wellnes-Pod weiter entwickelt und mit einer Art Luftfilter und Beduftungs-Einheit kombiniert - letztere soll mit speziellen Duftnoten sogar der Reisekrankheit entgegen wirken.

Auch die Audio-Anlage aus dem Yanfeng ist sicher nicht nur für autonome Fahrzeuge interessant: Ein Sensor erkennt, wo sich der Kopf eines Passagiers befindet und das Soundsystem kann über die Lautsprecher im Dachhimmel Töne genau und ausschließlich an diese Position schicken. Nur der angesprochene Fahrgast hört dann die Musik, das Telefongespräch oder die Navigationsansagen - so, als hätte er Kopfhörer auf. Das funktioniert ausgezeichnet und könnte ab 2020 in Serie gehen. Dann dürften auch viele Eltern aufatmen, die während der Urlaubsfahrt nicht mehr Benjamin Blümchens Abenteuer in Endlosschleife miterleben müssen. Und damit das Smartphone, von dem das Hörspiel  gerade gestreamt wird, beim Bremsen nicht umherfliegt, arbeitet Yanfeng an adaptiven Ablagen: Statt überall große Fächer zu bauen, wird es zukünftig spezielle Flächen in den Türen, am Armaturenbrett oder auf dem Mitteltunnel geben, die sich automatisch absenken, wenn man etwas auf ihnen ablegt. Gibt es dagegen nichts zu verstauen, präsentiert sich das Cockpit aufgeräumt und geschlossen.  

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