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Panorama: Unterwegs im Kia Telluride - Ach du dickes Ding!

  • In AUTO
  • 13. September 2019, 12:48 Uhr
  • Benjamin Bessinger/SP-X

Vom Billigheimer zur smarten Designermarke: Kaum ein Hersteller hat in den letzten Jahren so einen Aufstieg hingelegt wie Kia. In den USA sind die Koreaner sogar noch ein Stück weiter. Dort klopfen sie mit dem Telluride lautstark an die Tür zur Oberklasse - zumindest bei den SUV. Doch so gewaltig der ,,Größte Kia aller Zeiten' auch sein mag, zumindest beim Preis macht er sich überraschend klein.

Kia probt den Aufstieg. Nachdem sich die Koreaner in den letzten Jahren vom Billigheimer zur Designermarke gemausert haben, die mit Auftritt, Ausstattung und Anspruch eher auf Audi zielt als auf Skoda, buhlen sie mit aller Macht um Anerkennung. In Europa steht dafür der Stinger, der als leidenschaftliche Coupé-Limousine mit sportlichen Fahrleistungen an die Tür zur gehobenen Mittelklasse klopft und es mit Konkurrenten wie dem Audi A5 oder dem BMW Vierer aufnehmen will.

In den USA dagegen backen die Koreaner noch größere Brötchen und haben seit diesem Jahr den Telluride am Start: Mit mehr als fünf Metern Länge und bis zu acht Sitzplätzen ist der Geländewagen das größte Auto, das die Koreaner bislang gebaut haben - und macht entsprechend viel Eindruck. Dabei verlieren sie trotzdem nicht die Bodenhaftung: Obwohl der Telluride formal auch mit einem BMW X7 oder einem Mercedes GLS konkurriert, hat er einen bürgerlichen Preis: Knapp 32.000 Dollar oder umgerechnet nicht einmal 30.000 Euro kostet das Dickschiff und spielt damit in der gleichen Liga wie der VW Atlas.

Während sich nach dem allerdings niemand mehr umdreht in Amerika, schlägt dem Telluride jede Menge Aufmerksamkeit entgegen. Nicht nur Passanten sprechen einen ständig an, sondern selbst die Jungs vom Valetparking, die so ziemlich jedes Auto schon gefahren haben, sind hochgradig interessiert und schwingen sich mit mehr als der üblicherweise nur gespielten Begeisterung hinter das Steuer.

Das liegt natürlich zu allererst am Design. Nicht umsonst wirkt der Telluride, der die im Radstand um 30 Zentimeter auf 3,08 Meter gestreckte Plattform des Sorento als Basis nutzt, ausgesprochen protzig und präsent mit seinen vergleichsweise graden Linien und mit einem Grill, der es in seiner schillernden Pracht sogar mit dem Bentley Bentayga aufnehmen kann. Dazu die beiden orangen Rauten um die Scheinwerfer als Lichtsignatur und Rückleuchten wie Wasserfälle - schon hat man alle Blicke gefangen. Der erste Eindruck jedenfalls ist fast so imposant wie das Panorama der Rocky Mountains im Skiort in Colorado, den Kia als Taufpaten auserwählt hat.

Innen geht die Überraschung weiter. Denn der Telluride ist viel vornehmer ausgeschlagen, als man es bei diesem Preis erwartet. Ja, bei einigen der metallenen Schalter wirkt die Beschriftung etwas grobschlächtig, und so richtig modern ist das Cockpit mit seinen analogen Anzeigen links und rechts des großen Bildschirms nicht. Doch die Materialauswahl ist mehr als mehr als vorzeigbar, es gibt Platz in Hülle und Fülle und die Sitze sind so bequem, dass man erst dann wieder aussteigen möchte, wenn man einmal quer durchs Land gefahren ist.

Treibende Kraft dabei ein V6-Motor, der allerdings voll auf den amerikanischen Geschmack ausgerichtet ist. So imposant 3,8 Liter Hubraum klingen und so viel Hoffnung Eckwerte wie die 291 PS oder die 333 Nm schüren, so gemütlich lässt es der Geländegigant angehen. Viel weniger als zehn Sekunden auf Tempo 100 werden kaum drin sein und jenseits der 200 km/h dürfte die Luft arg dünn werden - wenn man denn irgendwo so schnell fahren dürfte.

Egal in welchem der vier Fahrprogramme man unterwegs ist, erweist sich der Telluride deshalb als sanfter Riese, der sich von nichts und niemandem hetzen lässt. Schnelle Gangwechsel jedenfalls sind der Achtgang-Automatik fremd und enge Kurven sind seine Sache auch nicht. Stattdessen gibt er mit großer Leidenschaft und noch mehr Lässigkeit den Luxuscruiser, der förmlich nach einem Roadtrip giert.

Ähnlich wie der Stinger in Europa ist der Telluride in den USA mit aller Technik bestückt, die Kia im Regal hat: Es gibt deshalb einen vernünftigen Tempomat mit Abstandsregelung und einen ziemlich mitteilsamen Spurführungsassistenten, die Navigation geht Online, das Smartphone lädt kabellos und beim Parken lässt ein Heer von Kameras den Riesen auf ein handliches Format schrumpfen. Man muss vielleicht ein, zwei Mal öfter kurbeln, doch wenn man das Auto aus jedem Winkel sehen kann, kommt man auch in die engste Lücke. Erst recht in Amerika, wo auch kleine Parkplätze ein bisschen größer sind als bei uns.

Das mit Abstand coolste Feature ist allerdings der doppelte Außenspiegel. Denn Kia nutzt die seitlichen Kameras auch beim Aktivieren des Blinkers und überträgt das Bild auf den Monitor hinter dem Lenkrad. So wird der Schulterblick gar vollends überflüssig und man fährt noch gemütlicher durchs Land.

Es sind Details wie dieses, mit denen der Telluride Konkurrenten wie den VW Atlas hinter sich lässt. Doch außerhalb der USA hilft ihm dieser Vorsprung nicht weiter. Denn ein Schicksal haben beide Auswärtsspieler in Amerika gemeinsam: So gerne einige Kunden sie auch bei unseren Händlern sehen würden, bleibt ihnen der Weg nach Europa doch versperrt.

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