Kommentar: Dem Blödsinn (k)ein Ende

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  • 25. September 2019, 09:12 Uhr
  • Rainer Strang, cen/ampnet

Die Große Koalition hat heute in Berlin ihr mit Spannung erwartetes Klimapaket ausgepackt. Jetzt muss es die parlamentarischen Hürden nehmen. Am Tag der Veröffentlichung hat es weltweite Klimaproteste gegeben. Auch in Berlin. Mit dem Klimapaket hatten sie, wenn überhaupt, allerdings nur indirekt zu tun. Schon im Vorfeld des Klimafreitags wurde die Debatte über den Schutz der Umwelt äußerst hitzig und zum Teil mit blank liegenden Nerven geführt. Im Fokus: das Automobil.

So war laut Panorama-Moderatorin Anja Reschke auf der IAA das Aufbäumen einer sterbenden Branche zu beobachten, die fast schon versucht, den alten Glanz noch einmal aufzupolieren. Marion Tiemann, Verkehrsexpertin und Aktivistin von Greenpeace Deutschland, warf Bundeskanzlerin Angela Merkel bei Anne Will vor, auf der IAA die Augen verschlossen zu haben vor den dicken, spritschluckenden SUV, was angesichts der Klimakrise kaum auszuhalten sei. Und Tübingens grüner Oberbürgermeister Boris Palmer brüstete sich auf einem IAA Forum damit, dass er nicht ganz Tübingen umgraben werde, damit die Automobilhersteller ihre Ladesäulen bekommen. Welch geballter Blödsinn.

Werden Polemik und Populismus in der öffentlichen Auseinandersetzung mit dem Automobil und dem Schutz unseres Klimas nun verhallen, wo das Klimapaket der Regierungsparteien auf dem Tisch liegt? Zu befürchten ist: nein.

Natürlich hätte die Politik viel früher aktiv werden müssen, um das Klima zu schützen. Natürlich könnte man mehr machen als CDU, CSU und SPD in ihrem Klimapaket vorschlagen. Natürlich könnte alles viel schneller gehen. Natürlich sind viele erst wach geworden, als Greta Thunberg und ihre ,,Fridays for Future"-Bewegung für das Klima auf die Straße gegangen sind. Natürlich zeugt es von mangelnder Sensibilität, wenn Automobilhersteller ihre Modellpalette jetzt stolz um SUV für die Stadt ergänzen. Natürlich sind in unseren Städten zu viele Autos unterwegs. Natürlich wurschteln Städte bei Klimaschutz und Verkehr viel zu oft hilflos und unkoordiniert vor sich hin, um dann von Gerichten in die Pflicht genommen zu werden.

Und dennoch: Das Klimapaket der Koalitionsparteien ist ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zum Schutz unseres Klimas und zur Verbesserung unserer Lebensräume. Ebenso wie der Ausstieg aus der Braunkohleverstromung, der Ausbau der erneuerbaren Energien, die neuen Elektroautos und Pkw mit Gasantrieb, die auf der IAA vorgestellt worden sind, oder die Digitalisierung des Verkehrs, die unter anderem dazu führen wird, begrenzte Ressourcen besser zu nutzen.

Trotz des berechtigten Misstrauens aus Erfahrung: Vielleicht gelingt es jetzt endlich, die Maßnahmen des Klimapakets ebenso ernsthaft und zügig in die Tat umzusetzen wie das Bündnis für moderne Mobilität mit Kommunen und Ländern oder den Pakt mit dem Bürger, die sich Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer auf seine Fahnen geschrieben hat. Damit wären dem Klima, der Umwelt, den Städten, den mehr als drei Millionen Deutschen, die sich Jahr für Jahr ein neues Auto kaufen, den 800.000 Beschäftigten in der heimischen Automobilindustrie und allen anderen wirklich gute Dienste erwiesen. Das Ziel ist klar formuliert: 55 Prozent weniger CO2 bis 2030. Daran wird sich die Politik messen lassen müssen. (ampnet/rs)

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