Motorrad

Fahrbericht: Honda CRF1100L Africa Twin - Alles an Bord

  • In MOTORRAD
  • 15. Oktober 2019, 08:28 Uhr
  • Ulf Böhringer/SP-X

Honda hat sein Erfolgsmodell Africa Twin aufgemöbelt und spendiert nicht nur mehr Leistung, sondern vor allem jede Menge elektronische Assistenzprogramme.

Sie ist der größte Erfolg der letzten Jahre für den japanischen Zweirad-Giganten Honda auf den mitteleuropäischen Märkten - die 2016 erschienene CRF1000L mit dem Beinamen Africa Twin. Den fünften Platz der deutschen Zulassungs-Statistik belegt diese Reiseenduro schon seit 2016, fast 9.500 Einheiten kamen so bis zum September dieses Jahres auf die deutschen Straßen. Trotz dieser guten Zahlen hat Honda nun das Nachfolgemodell der CRF1000L vorgestellt: Es heißt CRF1100L Africa Twin und verheißt auf den ersten Blick keine wesentlichen Änderungen. Hinter der geänderten Typenbezeichnung steckt aber nicht nur ein vergrößerter und erstarkter Motor: Die zwei Versionen Africa Twin und Africa Twin Sports Adventure wurden deutlicher auseinandergerückt, verfügen über einen neuen Rahmen und jede Menge Elektronik. Ganz anders als das Vormodell, das mit einer bewussten elektronischen Zurückhaltung angetreten war, bietet die neue Africa Twin nun alles an Fahrassistenzsystemen auf, was der Markt bereithält und was die Wettbewerbsmodelle von BMW, Ducati, KTM und Triumph bereits offerieren.

Noch am wenigsten unterscheidet sich die Elfhunderter motorisch von ihrer Vorgängerin mit 998 Kubikzentimetern Hubraum: Die Leistung steigt moderat von 70 kW/95 PS auf 75 kW/102 PS, das maximale Drehmoment legt von 99 auf 105 Nm bei 6.250 U/min. zu. Auch der neue, im Hub verlängerte Zweizylinder-Reihenmotor hält also zu den Donnerbolzen aus München, Mattighofen, Bologna und Hinckley noch einen Respektabstand, liegen die Leistungswerte von deren 1200er- bis 1300er Motoren doch jenseits von 125 PS und 120 Nm. Für sich betrachtet ist der neue Honda-Antrieb aber ein wesentlicher Fortschritt: Die zur Verfügung stehende Leistung lässt sich bestens nutzen, das Triebwerk zieht spürbar souveräner durch. Zudem ist es zukunftssicher: Mit optimierten Abgaswegen, größerem Ventilhub und Auspuffklappe ausgerüstet, ist der um etwa zwei Kilogramm erleichterte Twin bereits nach der künftigen Euro-5-Norm homologiert. Beim Fahren im Gelände lässt sich das Triebwerk bis auf etwa 1.500 Umdrehungen herunterwürgen, ohne abzusterben, zugleich hat die Drehwilligkeit unter der Hub-Verlängerung nicht merkbar gelitten.

Zusätzlich zum schon bislang überzeugenden Sechsganggetriebe bietet Honda weiterhin optional das erneut überarbeitete Doppelkupplungsgetriebe DCT inklusive eines speziellen Geländeprogramms an; in der jüngeren Vergangenheit waren bereits 43 Prozent der in Deutschland verkauften Africa Twins mit diesem ausschließlich von Honda angebotenen Extra ausgerüstet. Dieser Wert dürfte sich trotz des Mehrpreises von 1.100 Euro künftig erhöhen, denn das neue DCT arbeitet nochmals deutlich besser. Das liegt weniger am Getriebe selbst als an dessen Steuerung. Die Messzentrale erkennt sämtliche Fahrzustände (Beschleunigung, Verzögerung, Schräglage, Bergauf- oder Bergabfahrt) und speist die entsprechenden Daten nicht nur in die neuen elektronischen Hilfsprogramme, sondern eben auch in das DCT ein. Das bei Bedarf automatisch die Gänge wechselnde System schaltet nunmehr also nicht mehr in der Kurve, sondern erst bei Geradefahrt und behält auch bei steilerer Bergauffahrt die gewählte Fahrstufe bei. Kurz gesagt: Die jüngste DCT-Version verhält sich nun weitaus ähnlicher wie ein erfahrener Motorradfahrer mit Schaltgetriebe. Auch im nicht allzu harten Gelände lässt sich die nun 236 Kilogramm wiegende Africa Twin mit DCT erfreulich handhaben; ohne DCT ist sie freilich, wie schon zuvor, zehn Kilogramm leichter.

Von der Sechsachsen-IMU profitieren auch das neue Kurven-ABS, die dreistufige Wheelie-Kontrolle und die nun siebenstufige dynamische Traktionskontrolle. Um alle Parameter optimal einstellen zu können, ist ein ausgiebiges Studium des Fahrerhandbuchs vonnöten: Der linke Lenkersatellit weist 16 Tasten und Knöpfe auf... Zudem kann das neue, endlich einwandfrei ablesbare TFT-Display auch mit dem Finger betatscht werden; es ist vom Stamme der Touch-Screens. Auf diese Weise lassen sich die vier vorkonfigurierten Fahrprogramme Road, Urban, Gravel und Offroad modifizieren; zusätzlich kann sich der Fahrer zwei Individualprogramme zurechtklicken. Ein Tempomat ist nun Serie, auch Apple Car Play ist integriert, wodurch mittels einer Navi-App ein separates GPS-System entbehrlich werden kann und natürlich unterwegs sämtliche Smartphone-Funktionen genutzt werden.

Das neue Kunststoff-Koffersystem zeigt ebenfalls, dass Honda die Modellüberarbeitung der Africa Twin ernst genommen hat; die von Honda selbst gefertigten Behälter lassen sich weitaus geschmeidiger handhaben und fühlen sich zudem wertiger an. Alternativ gibt es von einem Zulieferer bezogene Aluminium-Behälter; auch passgenaue Innentaschen sowie ein Tankrucksack sind lieferbar.  

Mit einem Grundpreis von 14.165 Euro ist die CRF1100L Africa Twin des Modelljahres 2020 exakt 1.000 Euro teurer als das Vormodell. Dafür erhält der Kunde viel Gegenwert: Außer der eher bescheidenen Mehrleistung des Motors ein Gewichtsminus von insgesamt vier Kilogramm, ein neues, noch besser abgestimmtes Fahrwerk mit souveräner Leistung on- wie offroad, eine prima Ergonomie mit 4 Zentimeter schmälerer Sitzbank und schmälerem Tank sowie die schon erwähnten Elektronik-Features plus automatischer Blinkerrückstellung. Zudem gibt es die Möglichkeit, das 1.100 Euro kostende, einzigartige und besser denn je funktionierende DCT zu bestellen.

Speziell für Fernreisen konzipiert hat Honda zudem die Version Africa Twin Sports Adventure; sie bietet dieselben, ohnehin schon üppigen Federwege wie das Standardmodell, was gegenüber dem Vormodell die Sitzhöhe deutlich reduziert und dem Umgang mit der Sports Adventure erheblich erleichtert. Wesentliche Unterschiede zur Basis-Twin bestehen im 25 Liter-Tank, Schlauchlos-Felgen, einem leider nur mit zwei Händen höhenverstellbaren Windschild, Kurvenlicht und serienmäßigem Gepäckträger. Der Sports-Adventure vorbehalten ist das neu entwickelte semiaktive Fahrwerk von Hersteller Showa: Es heißt EERA (Electronically Equipped Ride Adjustment), bringt zwei zusätzliche Kilo auf die ohnehin schon um 12 Kilo stärker ausschlagende Waage und erhöht deutlich den Komfort; weniger beim Fahren als bei der Fahrwerks-Einstellung, denn diese lässt sich hier durch Knöpfchendrücken bewerkstelligen. 1.600 Euro zusätzlich muss einem der Spaß allerdings wert sein. Womit eine voll ausgestattete CRF1100L Africa Twin Sports Adventure mit DCT und EERA inklusive Liefernebenkosten und Gepäcksystem die 20.000 Euro-Marke überspringt.



Technische Daten - Honda CRF1100L Africa Twin
Motor: Flüssigkeitsgekühlter Parallel-Zweizylinder-Viertaktmotor, 1.084 ccm Hubraum, vier Ventile pro Zylinder, SOHC, 75 kW/102 PS bei 7.500 U/min, maximales Drehmoment: 105 Nm bei 6.250 U/min; Einspritzung, 6 Gänge, Kette
Fahrwerk: Doppelschleifen-Rohrrahmen;  45 mm Upside-down-Telegabel vorne, voll einstellbar, 230 mm Federweg; Aluminium-Zweiarmschwinge hinten, Gasdruck-Zentralfederbein, voll einstellbar, 220 mm Federweg; Speichenräder mit Aluminiumfelgenbett; Reifen 90/90-21 mit Schlauch (vorne) bzw. 150/70-18 mit Schlauch (hinten). 310 mm Doppelscheibenbremse vorne, 256 mm Einscheibenbremse hinten
Assistenzsysteme: Kurven-ABS, Traktionskontrolle, Wheelie-Kontrolle, 6 Fahrprogramme, Tempomat, automatische Blinkerrückstellung, Doppelkupplungsgetriebe (optional)
Maße, Gewichte und Verbrauch: Radstand 1,575 Meter, Sitzhöhe 87/85 cm, Gewicht fahrfertig: 226 kg, DCT-Version: 236 kg, Tankinhalt: 18,8 l, Normverbrauch: 4,9 l/100 km (mit DCT: 4,8 l/100 km)
Preis: ab 14.165 Euro

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