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Neuer Motor für die BMW R 18 - Der Kraftmeier

  • In MOTORRAD
  • 3. Dezember 2019, 12:52 Uhr
  • Ulf Böhringer/SP-X

BMW hat beim Triebwerk für die R 18 nicht nur auf Technik, sondern in besonderem Maße auf die Optik geachtet und orientierte sich bei der Entwicklung daher an historischen Vorbildern.

Weil der amerikanische Cruiser- und Tourermarkt der volumenstärkste der Welt für starke Motorräder ist, BMW bisher aber jenseits des großen Teichs bisher nur magere Marktanteile ergattern konnte, hat sich bayerische Hersteller zu einem Kraftakt entschlossen: Seit Ende 2016 läuft die Entwicklung einer speziellen Baureihe, die vom Cruiser bis zum vollverkleideten Tourer alles möglich macht, was es in den USA und Kanada auf große Stückzahlen bringt. Vor wenigen Tagen hat BMW die Andeutungen, die es zum Antrieb der neuen R 18 bereits gab, durch belastbare Informationen ergänzt. Der neue, luft-/ölgekühlte Boxermotor mit 1.802 Kubikzentimetern Hubraum ist demzufolge ein echter Kraftmeier.

Besonders interessant ist dabei, dass man sich an historischen Triebwerken orientiert, die vor teils mehr als 70 Jahren en vogue waren, um ein optisch außergewöhnliches und technisch überzeugendes Ergebnis zu erzielen. Der größte jemals für den Serieneinsatz gebaute Boxermotor knüpft technisch dort an, wo BMW zwischen 1936 und 1951 besonders stark war: an den Motoren der Baureihen R 5/R 51 (1936-1941) bzw. R 51/2 (1950-51). Diese Triebwerke verfügten im Gegensatz zu den anderen OHV-Konstruktionen aus München über zwei mittels Hülsenkette von der Kurbelwelle angetriebene Nockenwellen.

Über diese Technologie verfügt auch der neue ,,Big Boxer".  Die Nockenwellen sind, wie beim historischen Vorbild, links und rechts oberhalb der Kurbelwelle angeordnet. Grund für die Wahl dieses aufwendigen Ventiltriebs sind die kürzeren Stößelstangen gegenüber einer Lösung mit nur einer Nockenwelle. Auch reduzieren sich bei dieser Bauart die bewegten Massen, die Stößelstangen biegen sich weniger durch und weisen geringere Längenausdehnungen auf. Der steifere Ventiltrieb lässt sich präziser steuern und ist drehzahlfester. Die Maximaldrehzahl des Big Boxers liegt bei 5.750 U/min.

Die Leistungsdaten des inklusive Ansauganlage knapp 111 Kilogramm wiegenden Boxermotors sind eindrucksvoll; das maximale Drehmoment beträgt 158 Nm bei 3.000 U/min; zwischen 2.000 und 4.000/ U/min liegen mindestens 150 Nm an. Die Maximalleistung ist angesichts des vorhandenen Drehmomentgebirges fast schon Nebensache: sie beträgt 67 kW/91 PS. Damit liegt der Big Boxer auf dem Leistungslevel der den US-Markt dominierenden Marke Harley-Davidson; deren Milwaukee-Eight-Triebwerksgeneration bringt in ihrer aktuell höheren von zwei Leistungsstufen ungefähr die gleichen Werte.

Außer dem Konstruktionsprinzip der Luft-/Ölkühlung und der DOH -Ventilsteuerung ist alles andere am BMW-Motor topaktuell: Er weist vier Ventile pro Zylinder, eine moderne Brennraumgestaltung, Saugrohreinspritzung und Doppelzündung auf; zudem gibt es eine Einscheiben-Trockenkupplung mit Antihopping-Funktion. Eine Nasssumpfschmierung ist zuständig für Schmierung und Kühlung des Triebwerks; es gibt eine zweistufige, via Hülsenkette von der Kurbelwelle angetriebene Ölpumpe. Klassisch ist die Betätigung der Ein- und Auslassventile über Gabelkipphebel; der Ventilspielausgleich erfolgt nicht über Hydroelemente, sondern über je eine Einstellschaube mit Kontermutter pro Ventil, also mechanisch.

Die Ventile sind aus Stahl gefertigt, das Motorgehäuse aus Aluminiumguss, wie auch Kolben, Pleuel und die verrippten Zylinder mit beträchtlichen 107,1 mm Bohrung und 100 mm Hub. Wie die historischen Vorbilder, so weist der neue Big Boxer ein separates Motor- und Getriebegehäuse für die Sechsgang-Schaltbox auf. Ein Rückwärtsgang soll als Sonderausstattung lieferbar sein; er wird über ein Vorgelege und einen E-Motor angetrieben und manuell schaltbar sein. Außergewöhnlich ist, dass die Kurbelwelle in der Mitte über ein zusätzliches Hauptlager verfügt; es soll unerwünschte Biegeschwingungen der Welle unterbinden, vergrößert aber dadurch den Zylinderversatz.

Der vollständige Antriebsstrang inklusive Auspuffanlage wiegt 155 Kilogramm. Es ist deshalb klar, dass der große Motor in einem schweren Motorrad Platz finden wird; das fahrfertige Leergewicht der ersten R 18, die im späten Frühjahr 2020 als Cruiser debütieren und voraussichtlich im Herbst 2020 auf den Markt kommen wird, dürfte jenseits der 300 Kilogramm liegen.

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