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Panorama: Toyota Century - Heute ein Kaiser

  • In AUTO
  • 13. Dezember 2019, 09:18 Uhr
  • Benjamin Bessinger/SP-X

Es gibt modernere Autos und welche, in denen man mehr auffällt. Und trotzdem ist ein Toyota Century etwas ganz besonders. Denn der berühmteste Besitzer der einzig wahren Luxuslimousine aus Japan ist der Kaiser persönlich. Und viel mehr als ein paar hundert Autofahrer im Jahr tun es ihm nicht gleich. Aber gerade deshalb macht der exklusive Exot, wo er aufläuft, so einen großen Staat.

Toyota und Luxus, das sind zwei Worte, die einem schwerlich gemeinsam über die Lippen gehen. Denn so solide und erfolgreich, so konsequent auf Sparsamkeit getrimmt und neuerdings sogar mutig gezeichnet die Autos der Japaner auch sind, kann man mit ihnen in der Prestige-Wertung kaum punkten. Und selbst mit der noblen Schwester Lexus machen sie gegen Audi, BMW und Mercedes nur schwerlich einen Stich. Doch es gibt eine Ausnahme: den Century. Zwar nur in Japan gebaut und dort auch nur in winzigen Stückzahlen verkauft, tritt er nicht gegen S-Klasse & 7er an, sondern steht auf einer Stufe mit einem Rolls-Royce Phantom oder einem Bentley Mulsanne. Und das liegt nicht allein am biblischen Alter und am barocken Auftritt der Baureihe, sondern nicht zuletzt am prominentesten Kunden. Denn kein geringerer als der Kaiser persönlich hat sich zum obersten Werbeträger für das Flaggschiff der japanischen Autoindustrie aufgeschwungen.

Das wirkt, selbst wenn ausnahmsweise mal ein Normalsterblicher mit dem Luxusliner chauffiert wird: Wo man sich eben noch mühsam durch den Stau gequält hat, fährt man jetzt wie mit einer unsichtbaren Eskorte fast störungsfrei durch die Stadt, so bereitwillig halten die anderen Verkehrsteilnehmer ehrfürchtigen Abstand. Den braucht man allerdings auch. Denn während die deutschen Premiumlimousinen mit Allradlenkung handlich werden und sogar so etwas wie Fahrspaß bieten, ist der Century ein Straßenkreuzer nach alter Väter Sitte, in dem sich alles um die Hinterbänkler dreht. Während der Chauffeur vorne richtig arbeiten muss, um den langen Lulatsch durch die engen Straßen von Tokyo zu zirkeln, ist man im Fond wie in Watte gepackt und auf Wolken gebettet und schwebt eher durch die Stadt als dass man fährt. So muss sich ein Kaiser fühlen, wenn er von seinen Untertanen auf Händen getragen wird.

Das Zeitgefühl bleibt dabei vollkommen auf der Strecke - und zwar gleich aus mehreren Gründen. Weil das Auto zwar gerade erst neu aufgelegt wurde und noch kein Jahr auf der Straße ist, aber ganz nach dem Geschmack der konservativen Kunden in der Regierung, den Konzernzentralen und der Unterwelt von den Wollpolstern unter den blütenweißen Häkeldeckchen bis hin zu den Displays mit der Qualität der ersten Gameboys oder dem Schuhlöffelhalter an der B-Säule hoffnungslos altmodisch ist. Vom fast schon barocken Design und den strengen Stufenschnitt der 5,34-Meter-Limo ganz zu schweigen. Weil unter der Haube zwar leider nicht mehr der famose Zwölfzylinder steckt, den sich Toyota eigens für die letzte Generation des Luxusliners geleistet hat, sondern sich nun auch der Century dem Hybrid-Diktat beugt und deshalb mit dem V8-Tandem aus dem Lexus LS an den Start geht. Doch fünf Liter Hubraum, eine Systemleistung von 431 PS und ein maximales Drehmoment von 510 Nm aus dem Verbrenner und 300 Nm aus den E-Maschinen sind selbst bei 2,4 Tonnen Leergewicht allemal genug; erst recht, wenn man ohnehin nirgends schneller als 120 km/h fahren darf. Und weil man sich von nichts und niemandem mehr hetzen lassen muss, wenn man es einmal in den Century geschafft hat: Wer hier hinten links in seinem weichen Sessel lümmelt, der ist unabhängig von der Destination am Ziel und selbst Herr seiner Zeit.

Und selbst wer kein Kaiser ist und auch kein Unternehmensführer, ist im Century Herr über ein riesiges Reich: Für die eher klein gewachsenen Japaner reicht es im Fußraum des Fonds wahrscheinlich zum Tai-Chi. Und spätestens wenn sich der Beifahrersitz auf Knopfdruck wie ein Origami-Kunstwerk fast ins Handschuhfach faltet und sich stattdessen ein Ottomane entblättert, lümmeln auch Langnasen so bequem im Century wie sonst nur in Maybach oder Rolls.

Noch bemerkenswerter als das Auto selbst ist aber die Tatsache, dass es so etwas wie den Century bei Toyota überhaupt gibt. Denn für eine Marke, die sonst in Millionen-Chargen denkt, ist so ein exklusiver Exot buchstäblich ein Luxus. Erst recht, weil das Flaggschiff so gar nicht in die durch und durch rationalisierte Fertigungswelt passt, sondern ganz traditionell weitgehend von Hand montiert wird. Mit Liebe, Stolz und unendlich viel Zeit. Allein das modellieren des Phönix auf der Kühlerplakette, der inspiriert ist vom Kinkaku Tempel in Kyoto, dauert angeblich fünf Wochen, die Bleche werden nicht gestanzt und gepresst, sondern mit dem Hammer in Form gebracht und für das Auftragen, Nassschleifen und Trockenpolieren der sieben Schichten Kamui-Lackes mit dem schönen Namen ,,ewiges Schwarz" lässt sich ein erfahrener Mitarbeiter fast eine Woche Zeit. So ist es kein Wunder, dass die Produktion jedes einzelnen Century mehrere Wochen dauert. Und umso verwunderlicher ist der Preis, der mit 19,6 Millionen Yen oder umgerechnet gut 160.000 Euro plötzlich gar nicht mehr so hoch erscheint.

Für den Aufstieg in den automobilen Adelsstand jedenfalls ist das ein vergleichsweise bescheidener Preis: Aber so nah man sich dem kaiserlichen Adel im Century auch fühlt und so erlesen die Kundschaft bei gerade einmal 50 Autos im Monat auch sein mag, wird man allerdings nie vollends bei ihm ankommen. Denn erstens fährt der Tenno neuerdings in einem Century Cabrio, das ein echtes Einzelstück ist und ihm eigens zur Inthronisation gebaut wurde, und zweitens kommt er mit seinem Century weiter als jeder weltliche Würdenträger. Denn während im alle Türen offenstehen, ist unsere Testfahrt spätestens an den Toren des Palastes zu Ende.

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