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Panorama. Im Jeep Gladiator durch Los Angeles - Großstadt-Cowboy

  • In AUTO
  • 24. Januar 2020, 14:22 Uhr
  • Benjamin Bessinger/SP-X

Er meistert die übelsten Offroad-Pisten, erklimmt die höchsten Gebirge, suhlt sich mit Begeisterung im Dreck und schleppt mehr Ausrüstung, als man im längsten Abenteuerurlaub braucht. In der Stadt dagegen fühlt man sich am Steuer des Jeep Gladiator wie einstmals Crocodile Dundee beim Ausflug nach New York. Und genau wie im Kino ist das hitverdächtig.

Wenn die Großstadt wirklich ein Dschungel ist, dann ist er das richtige Auto. Denn wer einmal im neuen Jeep Gladiator durch Los Angeles gefahren ist, der hat keinen Zweifel mehr daran, dass die Wiedergeburt des Wrangler als Pick-Up das ideale City Car ist. Das beginnt schon beim Valet Parking. Mag schon sein, dass der Porsche Taycan, der hier gerade den amerikanischen Medien präsentiert wird, das interessantere und vor allem innovativere Auto ist. Doch die Jungs in der Tiefgarage interessieren sich nur so lange für den schnittigen Stromer, bis jemand den Startknopf des Gladiator drückt. Zwar ist der 3,6 Liter groß V6-Motor mit seinen 285 PS und 352 Nm in dem sicher zwei Tonnen schweren Pritschenwagen nicht eben ein großer Kämpfer, doch mit dem Sportauspuff von Mopar macht er zumindest Krawall wie ein ganz großer und lässt die Garage in ihren Grundfesten erzittern.

Hat man die erst einmal verlassen, fühlt man sich nur ganz kurz deplatziert in diesem Giganten. Klar, auf den großen und zumindest früher mal prächtigen Straßen von Downtown LA oder vor dem spektakulären Disney-Opernhaus sehen die Cadillacs und Cayenne, die G-Klasse und die X5er besser aus. Aber wer zweimal falsch abbiegt in dieser Gegend, der ist mitten drin im Urban Dschungel und freut sich über so ein rustikales Auto. Denn hier, wo sich die ganzen Nobelhobel in den knöcheltiefen Schlaglöchern nur ihre polierten Felgen ruinieren, blüht der Gladiator auf, walzt mit seinen Blattfedern und Starrachsen locker über die tiefen Krater im Asphalt und die riesigen Fugen zwischen den Betonplatten. Und für einen Haufen Müll mitten auf der Straße sollen doch bitte andere ausweichen. Wer den legendären Rubicon Trail meistert, dem ist auch vor Downtown LA nicht bange. Und nicht vor den zwielichtigen Typen, die hier noch immer gerne rumlungern. Auch wenn der Gladiator kein großer Kämpfer ist und die Achtgang-Automatik eher langsam schaltet, reicht es allemal, um Reißaus zu nehmen. My Car is my Castle - seit dem seligen Hummer hat man sich in keinem Auto so unverwundbar gefühlt wie im Jeep Gladiator.

In der Stadt noch ein Panzer, wechselt der Gladiator auf dem Weg raus zum Strand von Santa Monica seinen Charakter - und zwar nicht erst, wenn man schnell mal ein Surfbrett auf die Pritsche wirft. Eben noch hochgerüstet und zugeschnürt, reichen ein paar Handgriffe und der Einsatz des Bordwerkzeugs, um aus dem Stahlross ein Sommerauto zu machen. Denn nicht nur das Verdeck lässt sich in mehreren Teilen demontieren, selbst die Türen kann man ausbauen und die Frontscheibe umlegen - dann wird der Gladiator zum ultimativen Cabrio und lässt mehr Luft herein als jeder Buggy - nur dass er im Sand um Längen weiter kommt. Denn das Terrain, in dem der Gladiator mit Allradantrieb und Geländeuntersetzung und der Bodenfreiheit eines Militärfahrzeugs stecken bleibt, das muss man um Los Angeles herum erst einmal finden.

Nach dem Spaß am Strand geht s zurück in die Stadt und die Tour führt über den Rodeo Drive, wo der Gladiator noch einmal seine Vorzüge ausspielt und selbst die allfälligen Lamborghini und Ferrari aussticht. Nein, nicht bei Antritt und Tempo, und selbst beim Sound kann er nicht mithalten. Doch wer einmal versucht hat, ein neues Abendkleid in einen Aventador zu stopfen, der ist froh und dankbar, dass es beim Gladiator kein Shopping Limit gibt: Auf die große Ladefläche jedenfalls passt mehr, als selbst eine Platin-Kreditkarte hergibt.

In den USA fährt der Gladiator - natürlich immer mit Allrad - wahlweise mit dem V6-Benziner mit Sechsgang-Schaltgetriebe oder Achtgang-Automatik oder einem V6-Diesel, der es bei drei Litern Hubraum auf 260 PS bringt und nur automatisch geschaltet wird.

Beide Motoren werden es zum Verkaufsstart irgendwann später in diesem Jahr allerdings eher nicht nach Europa schaffen. Genau wie für den Wrangler dürfte es bei uns für einen 2,2 Liter großen Diesel mit 200 PS und 450 Nm geben oder einen 2,0-Liter-Benziner, der auf 270 PS und 400 Nm kommt. Viel mehr als 160 Sachen dürften damit nicht drin sein. Aber umso größer wird der Durst des Dinosauriers sein: Wenn schon der Wrangler auf dem Prüfstand 7,6 Liter Diesel verbraucht, ist der Gladiator im Alltag zweistellig. Und in noch einem Punkt distanziert sich der kantige Gigant von den vielen Spielzeugen, die sich gerne SUV nennen. Beim Preis. Den hat Jeep zwar noch nicht verraten, aber so viel steht beim Blick auf die US-Tarife bereits fest: Für ein Spielzeug wird er auf jeden Fall zu teuer, denn unter 50.000, eher 55.000 Euro dürfte der Gladiator kaum zu haben sein.

In Deutschland mag das seinen Erfolg etwas limitieren, genau wie das stattliche Format. Schließlich hat Jeep Wrangler für den Lastentransport allein im Radstand um einen halben Meter gestreckt und mit einer knapp 1,50 Meter langen Pritsche bestückt. Das Ergebnis ist ein Koloss von 5,54 Metern, der rund 800 Kilo zuladen und 3,5 Tonnen an den Haken nehmen kann.

Doch in den USA, wo die Parkplätze größer und die Straßen breiter sind und wo big noch immer beautiful ist, ist das nur von Vorteil. Selbst wenn der Gladiator unförmig und auch ein bisschen ungelenk ist. Und auf schlechten Straßen reitet man tatsächlich durch die City wie ein Großstadt-Cowboy, so bockig und sperrig ist das Fahrwerk. Doch wenn es mal zu einer der Rempeleien kommt, die in der Rushhour unvermeidlich sind, fühlt man sich wieder an Crocodile Dundee erinnert, der bei seinem Ausflug nach New York alle Übergriffe mit einem Lächeln abschüttelt. Selbst den rückwärtigen Einschlag eines anderen Geländewagens im Ampelstau quittiert der Gladiator mit einem Schulterzucken: Während der Ford Escape abgeschleppt werden muss, ist bei ihm nur der Rahmen ums Kennzeichen gebrochen.

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