Motorsport

Der harte Kampf ums Überleben

  • In MOTORSPORT
  • 1. April 2020, 11:24 Uhr
  • Andreas Reiners

Motorsport in Zeiten des Coronavirus ist eine heftige Herausforderung, vor allem für Teams wie Phoenix Racing. Wir haben mit Teamchef Ernst Moser gesprochen.


Phoenix Racing kann loslegen. Ist bereit zu starten, Gas zu geben, im wahrsten Sinne des Wortes. Das DTM-Team steht Rennwagen bei Fuß, wird aber brutal ausgebremst. Eine beängstigende Situation, vor allem eine ungewöhnliche. Denn keiner weiß, wie es mit dem Coronavirus weitergeht. Wie schlimm es wird, welche Auswirkungen es hat. Nicht nur gesundheitlich, sondern auch beruflich. Ernst Moser weiß es auch nicht. Er ist der Teamchef des Traditionsteams Phoenix Racing.

"Wir schweben irgendwo im Nirgendwo", sagt Moser im Gespräch mit dem Motor-Informations-Dienst (mid). Sein Rennteam, eine GmbH mit einem Umsatz von sechs Millionen Euro im Jahr, gibt es seit 1999, er beschäftigt inzwischen 30 Mitarbeiter, viele seit vielen Jahren. Seit 2000 ist Phoenix in der DTM dabei, zunächst für Opel, seit 2006 dann mit Werksunterstützung von Audi. Zweimal gewann man den Fahrer-, einmal den Teamtitel.

Parallel betreibt Moser mit seiner GT-Abteilung auch Kundensport. Diese Sparte trifft es bereits jetzt hart, dort muss er erste Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken. Denn klar: Er kann im Moment nicht liefern. "Deshalb habe ich keine Einkünfte. Die Kosten laufen aber weiter. Durch Kurzarbeit kann ich das ein wenig abfedern", sagt er.

Er vergleicht sich mit der Event-, Reise- oder Gastronomiebranche: "Wir werden das eine gewisse Zeit überbrücken können, aber da sprechen wir von zwei Monaten. Die bekommen wir hin. Doch danach muss es weitergehen, sonst werden wir das wahrscheinlich nicht überstehen. Was dann sicher vielen Firmen so gehen wird", sagt Moser.

Möglichkeiten gibt es, Regierung und Länder spannen finanzielle Rettungsschirme wie zum Beispiel durch Kredite der Förderbank KfW. Das soll unkompliziert und schnell über die Bühne gehen, damit Unternehmen wie Phoenix Racing liquide bleiben. Um die Zeit zu überbrücken, bis es wieder anläuft.

Wann auch immer das sein wird, denn die Infektionszahlen steigen in Europa weiter an, auch in Deutschland. Für mittelständische Unternehmen ist das mehr als eine Nagelprobe. Moser weiß: "Eine GmbH ohne Liquidität kann Insolvenz bedeuten. Was wiederum bedeutet, dass ich nicht mehr Herr im Hause bin. Heißt: Ein Insolvenzverwalter erklärt mir, was zu tun ist. Das ist für mich das No-go, weshalb ich versuche, das jetzt schon zu verhindern. Und um den Betrieb am Leben zu erhalten." Um vor allem auch seine Mitarbeiter zu schützen.

Immerhin: Die DTM-Abteilung ist durch den Vertrag mit Audi vorerst abgesichert. Einnahmen fallen durch die Zwangspause trotzdem weg, denn gefahren wird auch in der Tourenwagenserie nicht. Als Unternehmer muss er aber auch schon jetzt zwei, drei Schritte weiterdenken: "Wie kann ich mir ein Polster ansammeln, um über die Nachphase zu kommen? Denn jetzt haben wir eine Krise, aber es wird auch eine Krise nach der Krise kommen."

So gesehen ist es zumindest kein Nachteil, dass Moser das Programm seines Teams bereits vor Corona konsolidiert hat. Phoenix konzentriert sich, wenn es denn in dieser Saison weitergehen sollte, auf die Langstrecke und 24-Stunden-Rennen, dazu auf die DTM und dort im Rahmenprogramm auf die Trophy und die GTC. "Wir bei Phoenix werden unseren Motorsport etwas verändern müssen", weiß Moser. "Wir hatten viele gute Jahre, jetzt werden die schwierigeren Jahre kommen. Um im Geschäft zu bleiben, werde ich mich wahrscheinlich mehr auf den Kundensport konzentrieren, um zu überleben, bis der Werkssport wieder mehr Aufschwung erfährt." Immerhin: Den Grundstein dafür, um flexibel agieren und reagieren zu können, hat Moser schon viel früher gelegt: mit der Teamphilosophie. "Ich habe immer Wert darauf gelegt, in das Team, in neue Technologien, Equipment oder Ingenieursleistungen zu investieren. Das könnte sich jetzt auszahlen. Um sich richtig aufzustellen und ein erfolgreiches Paket zu schnüren, ist auch die Erfahrung der ganzen Mannschaft wichtig. Und die haben wir."

Moser betont deshalb das Motto, das für viele Teams in dieser Krise gilt, das aber nur schwer umzusetzen ist: "Man muss sich der Situation anpassen." Krisen gab es im Motorsport schon immer, die bekam das Team bislang aber stets gemeistert. "Das ist mit Abstand die schwierigste Situation und die größte Herausforderung", sagt Moser: "Man konnte das sonst immer beeinflussen oder es betraf nicht den ganzen Betrieb. Dass die ganze Firma stillgelegt wird, habe ich so noch nie erlebt."

Andreas Reiners / mid

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