Oldtimer

Impression: Alpina B7 Turbo trifft B5 Biturbo - Blaugrüne Traumkombination

  • In OLDTIMER
  • 9. April 2020, 08:57 Uhr
  • Patrick Broich/SP-X

Die Geschichte Alpinas vom kleinen Veredler von BMW-Fahrzeugen bis zur Marke mit Herstellerstatus ist nahezu beispiellos. Zeit für eine Begegnung der beiden smarten und pfeilschnellen Business-Class-Modelle B7 Turbo aus den Achtzigern und B5 Biturbo aus der Neuzeit.

Da die Automarke Alpina, bekannt für hochwertige BMW-Veredlung, noch vergleichsweise jung ist, sei ihr die inkonsequente Nomenklatur zur Bezeichnung der Modelle nachgesehen. Wer auf ein unbebildertes ,,B7 Turbo"-Inserat mit knapper Beschreibung stößt, sollte genau nachhaken, um welchen fahrbaren Untersatz es sich handelt, falls das Objekt im Zeitraum von den späten Siebzigern bis Ende der Achtziger vom Band lief. Dahinter verbirgt sich nämlich entweder der E12, BMWs erste Fünfer-Baureihe, der E24, das erste Sechser-Coupé oder aber die zweite Fünfer-Baureihe E28, bevor der B7 erst deutlich später (2001) zur Oberklasse avancierte. Welchen B7-Oldtimer man auch fährt - mit insgesamt 800 Exemplaren hat man immer eine Rarität in der Garage. Hand angelegt an den hier montierten frühen M30-Reihensechszylindern hatte damals übrigens kein geringerer als Professor Fritz Indra, der anschließend erst bei Audi und später bei General Motors in der Aggregateentwicklung tätig war. Bei Alpina verpasste der österreichische Ingenieur den harmlosen Saugern eine für damalige Verhältnisse eher unkonventionelle Turboaufladung, um die Benziner zu beflügeln.Unser Fotofahrzeug - ein später E28 aus dem Jahr 1985 mit inzwischen 3,4 Litern Hubraum - macht die Straße mit 243 kW/330 PS unsicher. Früher ein irrwitziger, heute -für ein 35 Jahre altes Auto erst recht - noch immer mehr als respektabler Wert und genug Feuer, um es sogar ambitionierten Neuwagen noch zu zeigen. Das feine Stück Maschinenbau unter der Haube des schlicht gehaltenen E28 reizt ungemein, zu erleben, wie sportlichste gehobene Mittelklasse vor mehr als drei Jahrzehnten fuhr. Wirklich identifizieren wird den Veteranen lediglich der Kenner, beispielsweise an den traditionellen Dekorstreifen, die aber ja zur Option zählen.Also nichts wie hinter das Steuer des unverschämt unauffälligen Fünfers. Der Tacho mit 300 km/h-Skala ist natürlich verdächtig. Der Reihensechser verfällt schnell in einen stabilen Leerlauf, klingt dezent. Die Kupplung geht stramm, der erste Gang rastet präzise über kurzem Weg, also typisch BMW. Um den Besitzer möglichst wenig zu strapazieren, will das Öl zunächst gründlich betriebswarm gefahren werden, bevor die bayerische Limousine mit Hinterradantrieb mal richtig durchatmen darf. Dabei fällt auf, dass der B7 Turbo bei moderater Drehzahl eher zurückhaltend beschleunigt. Klar, Turbos aus vergangenen Zeiten brauchen einen fülligen Abgasstrom, um zu arbeiten, und dafür wiederum braucht es Umdrehungen.Nach ein paar Kilometern darf die mit klassischem ,,Dampfrad" (hier regelt man den Ladedruck) ausgerüstete Nummer 114 zeigen, was sie kann. Passiert die Nadel des Drehzahlmessers die 3.500 Touren-Marke, nimmt der Druck auf die Passagier-Rücken zu. Wer es darauf anlegt, wird binnen rund sechs Sekunden 100 km/h schnell, die 200 km/h-Marke steht nach rund 20 Sekunden an, nachzulesen in historischen Fachmagazinen. In der Praxis macht der betagte Fünfer so richtig Laune, mal, wenn es mit Schmackes auf Tempo geht, mal, wenn man lässig cruist und die Blicke manch kundiger Passanten genießt. Mit seiner potenten Antriebsquelle gehört der B7 Turbo selbst im heutigen Straßenverkehr zu den ganz fixen Vehikeln, kann sich ohne Probleme mit ernsthaften Sportwagen der Neuzeit anlegen. Doch auch mit seinem legitimen Nachfolger B5 Biturbo? Nicht im Ansatz.Erwartungsgemäß wurden auch die Alpina-Modelle in den letzten Jahren analog zu anderen Spitzenautomobilen kräftig in der Leistung gesteigert. Mit 447 kW/608 PS rangiert die schlichte Business-Limousine auf einer Stufe mit potenten Aston Martin, Ferrari oder Lamborghini. Freilich bekommt man auch bei BMW, Mercedes oder Audi Produkte in dieser Klasse - doch was die Exklusivität angeht, schlägt der Kleinserienhersteller selbst manchen Edelbriten oder -Italiener. Schön beim B5 Biturbo ist seine Unauffälligkeit. Beim Fotofahrzeug fehlen die berühmt-berüchtigten Dekorstreifen übrigens, und das Imperialblau aus der BMW-Palette macht den Fünfer maximal bodenständig. Daran ändern auch die sauber eingepasste Vierrohr-Auspuffanlage und die Spoilerlippe auf dem Heckdeckel nichts.Der sportiv-kommode B5 fährt in jeder Hinsicht unter dem Radar, wenn er seine Fahrgäste auf üppigen Lederfauteuils höchst luxuriös und durchaus auf fortgeschrittenem Komfortlevel ans Ziel bringt. Auf Wunsch ist er jedoch schneller, als die Polizei meist erlaubt. Beim Sound lässt die Truppe aus Buchloe ebenfalls Zurückhaltung walten und installiert Stille, wo beispielsweise beim M5 Aufruhr herrscht. Ehrlicherweise muss man sagen, dass der 4,4 Liter große Achtender des B5 nicht einmal akustisch herauszuhören ist. Eher würde der Laie bei Leerlauf noch vermuten, es könne sich um einen Selbstzünder handeln, weil der Direkteinspritzer ein wenig schnarrt. Dann unter Last bleibt ein leises Murmeln, das war es.Diametral entgegen steht dem aber die Wucht, mit der das schwere Herz die obligatorisch allradgetriebene Limousine Richtung Horizont wirft. Wenn ein Fahrzeug innerhalb von kaum mehr als zehn oder elf Sekunden auf 200 km/h beschleunigt, dann spottet die Realität jeder Beschreibung. Achterbahn, freier Fall, Zentrifuge - jedem mögen andere Assoziationen in den Sinn kommen, es stimmt alles. Warum man sich für Alpina und nicht für einen BMW M5 entscheiden mag, ist eigentlich schnell beantwortet: Der je nach Lackierung fast schon bieder wirkende Fünfer steht mit 330 km/h in den Papieren und braucht daher eigens von Alpina in Auftrag gegebene Pneus mit ,,ALP"-Kennung. Dieser Reifen wurde in enger Abstimmung mit Buchloe und Pirelli zusammen für die schnellen Limousinen entwickelt. Und die Plakette mit der individuellen Fahrzeug-Nummerierung fehlt auch heute auf keiner Alpina-Konsole. Außerdem geht Understatement mit keinem Liebhaber-Fahrzeug besser. Und die Balance zwischen Dezenz und maximaler Performance ist ausgeglichen. Die Frage am Ende lautet wie so oft: Welchen nehmen, den Klassiker oder den Neuwagen, der in puncto Assistenz sowie Infotainment keine Wünsche offenlässt? Beide nebeneinander machen sich toll, ist die ehrliche Antwort. Schön, wenn das Konto diese Wahrheit vertragen kann.

Alpina B7 Turbo - technische Daten:Limousine der gehobenen Mittelklasse, Bauzeit 1984 bis 1987 (E28), Länge: 4,62 Meter, Breite: 1,70 Meter, Höhe: 1,41 Meter, Radstand: 2,63 Meter3,4-l-Sechszylinder-Otto-Reihenmotor mit Turboaufladung, 243 kW/330 PS, maximales Drehmoment: 512 Nm bei 2.4000 U/Min, 0-100 km/h: 6,1 s, Vmax: 266 km/h, Fünfgang-SchaltgetriebeEhemaliger Neupreis: ab 79.900 MarkHeutiger Marktpreis nach Classic DataNote 2: 53.400 EuroNote 3: 36.500 EuroNote 4: 16.400 EuroAlpina B5 Biturbo - technische Daten:Limousine der gehobenen Mittelklasse, Länge: 4,96 Meter, Breite: 1,87 Meter, Höhe: 1,47 Meter, Radstand: 2,98 Meter4,4-l-Achtzylinder-Otto-V-Motor mit Direkteinspritzung und doppelter Turboaufladung, 447 kW/608 PS, maximales Drehmoment: 800 Nm bei 2.000 bis 5.000 U/Min., 0-100 km/h: 3,5 s, Vmax: 330 km/h, Achtgang-Automatik (Wandler), Durchschnittsverbrauch: 10,9 l/100 km, CO2-Ausstoß: 248 g/km, Effizienzklasse: F, Grundpreis: ab 112.000 Euro

STARTSEITE