Motorrad

Fahrbericht: Zero SR/F - Hohes Niveau

  • In MOTORRAD
  • 14. Juli 2020, 14:02 Uhr
  • Ulf Böhringer/SP-X

Die amerikanische Marke Zero bietet bereits mehr als zehn Jahre Elektromotorräder an. Spitzenmodelle sind die neue SR/F und ihre Schwester SR/S. 

SP-X/Alkmaar.Geht man von den ersten Fahreindrücken mit der SR/F und der SR/S aus, schaffen es die neuesten Produkte der amerikanischen E-Motorradmarke Zero spielend, sich in den Punkten Leistungsfähigkeit, Ausdauer, Ladezeiten und Fahrzeuggewicht an die Spitze der E-Motorräder zu setzen. Und das für vergleichsweise eher günstige Tarife. Was freilich immer noch einen Preis ab fast 21.000 Euro bedeutet, mit Zusatzlader-Ausstattungsplus können es sogar gut 25.000 Euro werden.

Wer sich die neuen Modelle im Detail anschaut, darf sich über eine vorzügliche Verarbeitungsqualität und hochwertige Materialien sowie gute Komponenten bei Fahrwerk und Bremsen freuen. Zudem sind E-Motor, Akku und das Energiekontroll-Management inzwischen auf einem hohen Niveau angekommen. Die Dauerleistung des Motors beträgt 40 kW/54 PS, die offizielle Maximalleistung liegt bei 82 kW entsprechend 110 PS. Zugunsten der Reichweite wird das Höchsttempo auf 200 km/h begrenzt. Mit der nutzbaren Akkukapazität von 12,5 kWh liegt die Praxis-Reichweite im gemischten Verkehr je nach Sensibilität der Fahrerhand zwischen etwa 140 und 175 Kilometern. Das liegt auf dem Niveau der Harley-Davidson Livewire (13,6 kWh nutzbar, 80 kW/109 PS, 249 kg, ca. 33.000 Euro), während die wesentlich schwerere Energica Eva EsseEsse9+ (18,9 kWh nutzbar, 80 kW/109 PS, 270 kg, ab 20.900 Euro) mehr Reichweite bietet.

Im Fahrbetrieb stellt sich schnell heraus, dass die Kombination aus dem extrem durchzugsstarken E-Motor und dem vergleichsweise niedrigen Gewicht von 220 Kilogramm den größten Vorteil der Zero SR/F darstellt. Sie lässt sich ausgesprochen leichtfüßig fahren und erscheint weniger frontlastig als andere E-Motorräder. Damit gestaltet sich auch das Befahren kurvenreicher Strecken lustvoll. Der Druck des 110 PS leistenden Triebwerks ist dem jedes üblichen Verbrenners bis mindestens 160 PS überlegen. 

Sehr gut gelöst hat Zero die Abstimmung des Controllers, der das Motormanagement regelt. Die Leistung wird sehr feinfühlig abgegeben, nichts ruckelt und zuckelt. Auch die Rekuperation, also die Strom-Rückgewinnung beim Verzögern, arbeitet vorteilhaft; sie ist abhängig vom gewählten Fahrmodus. Vier davon stehen zur Auswahl. Sie unterscheiden sich deutlich voneinander.

Die Ausrüstung der SR-Baureihe mit Showa-Fahrwerkselementen zeigt sich als gelungen: Das Ansprechverhalten der vollständig einstellbaren USD-Gabel ist sensibel, beim ebenfalls voll einstellbaren Zentralfederbein erscheint der füllige Federweg von 14 Zentimetern als vorteilhaft für den Komfort. Die Fahrstabilität ist bei Landstraßen-Tempi untadelig. Kurven umrundet die Zero SR/F absolut stabil, ein nennenswertes Aufstellmoment beim Bremsen in Kurven war nicht feststellbar. 

Gut gefallen konnten auch die Bremsen. Das Ansprechverhalten der vorderen, groß bemessenen Radialanlage ist einwandfrei, die Wirksamkeit ebenfalls tadellos. Auch die Wirkung des schräglagenoptimierten Bosch-ABS stellt absolut zufrieden. Insgesamt hat die Bremsanlage mit dem relativ leichtgewichtigen Elektrobike leichtes Spiel. 

Gut gelöst haben die Entwickler den Punkt Ergonomie. Der Kniewinkel ist (noch) entspannt, die Lenkerbreite günstig gewählt, die Fußrasten sind gut platziert. Auch bieten die Spiegel der F-Version ordentlichen Rückblick. Bei der verkleideten S, deren Sitzposition etwas sportlicher ausfällt, sind die Spiegel tiefer montiert; der Rückblick ist dadurch etwas gewöhnungsbedürftig. Die Bedienung der Schalter und Hebel erschließt sich leicht, auch die Bedienung des Bordcomputers im übersichtlichen TFT-Display lässt sich innerhalb einiger Fahrten erlernen. Die Ablesbarkeit des Instruments ist jedenfalls ausgezeichnet. Auch der LED-Doppelscheinwerfer - bei der S-Version gibt es vier einzelne Leuchten - inklusive Tagfahrlicht ist gelungen. Die Aerodynamik der F-Version ist für eine Nakedbike vorteilhaft; die kleine Hutze vor dem Display bricht den Winddruck erstaunlich wirkungsvoll. Der Windschutz auf der S ist erwartungsgemäß fülliger; sie ist aber auch lauter.

Die Ladeprozedur ist bei der Zero SR (F wie S) vergleichsweise einfach: Serienmäßig ist ein 3-kW-Lader installiert, mit dessen Hilfe der Akku an Level-2-Ladestationen wie auch an der Haushaltssteckdose in vier Stunden zu 95 Prozent geladen sein soll. Beim optionalen Premiumpaket (2.150 Euro) wird ein zweites 3-kW-Ladegerät installiert, was die Ladezeit halbiert. Wer dann noch den 6-kW-Zusatzlader (für weitere 2.900 Euro) draufsattelt, verliert einerseits das Ablagefach unter der Tankattrappe und steigert zugleich das Fahrzeuggewicht auf etwa 232 Kilo, gewinnt dafür aber die Möglichkeit, den Akku an einer passenden Säule innerhalb  einer Stunde auf 95 Prozent zu bringen. Die letzten fünf Prozent dauern aus Gründen der Batterieschonung in jedem Fall 30 Minuten. Unverständlich ist, dass Zero seine Bikes ohne jedes Ladekabel ausliefert. Das Schukodosen-Adapterkabel schlägt mit stolzen 508 Euro zu Buche. Darüber hinaus fällt nur eine Kleinigkeit auf, die an Zero SR/F und SR/S nicht ins Bild passt: Es sind die mit Glühlampen bestückten Blinker.



Technische Daten Zero SR/F (SF/R in Klammern)

Motor:  Passiv luftgekühlter Permanent-MagnetmotorTyp ZF 75-10, 82 kW/110 PS bei 5.00/min., 190 Nm (0-5.000/min); kupplungsfreier Direktantrieb; Riemen-Endantrieb.

Batterie: Lithium-Ionen-Akku, Nenn-Kapazität 14,4 kWh (nutzbar 12,6 kWh), Rekuperation im Schiebebetrieb. Ladedauer von 0-95 % an Level-2-Ladesäulen oder an der Haushaltssteckdose 4 Stunden, mit Schnelllader 1 Stunde. Aufladen von 95 auf 100 % immer 30 Minuten. Ladeeffizienz 0,94. 

Fahrwerk: Stahl-Gitterrohrrahmen; vorne USD-Telegabel ø 43 mm, voll einstellbar, Federweg12 cm; hinten Leichtmetall-Zweiarmschwinge,Zentralfederbein, voll einstellbar, Federweg 14 cm; Aluminiumguss-Räder,schlauchlose Reifen Pirelli Diablo Rosso III120/70 ZR 17 (vorne) und 180/55 ZR17 (hinten). 32 cm Doppelscheibenbremse vorne, 24 cm Einscheibenbremse hinten.

Assistenzsysteme: Zweikreis-ABS mit Kurvenfunktion, vier Fahrmodi (Road, Sport, Rain, Eco) plus 10 individuell konfigurierbare Fahrmodi, Traktionskontrolle, Motorschleppmomentregelung, Tempomat, LED-Beleuchtung, Konnektivität mittels Smartphone-App.

Maße und Gewichte: Radstand 1,45 m, Sitzhöhe78,7 cm, Gewicht fahrfertig 220 kg (229 kg), Zuladung 234kg (225 kg).

Fahrleistungen: Höchstgeschwindigkeit 200km/h; Reichweite im Test je nach Fahrweise 140 bis 175 km, lt. EU-Verordnung 158 km.

Stromkosten bei Normverbrauch ca. 5 Euro pro Akkufüllung.

Garantie: Zwei Jahre auf das Fahrzeug, fünf Jahre auf die Batterie.

Preis: ab 20.720 Euro (ab 20.990 Euro); Adapterkabel für Schuko-Steckdose 508 Euro

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