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New Mobility: Dreirädrige Elektro-Scooter - Kurvenkipper auf Schlingerkurs

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  • 22. Juli 2020, 12:32 Uhr
  • Mario Hommen/SP-X

Einspurroller mit elektrischen Antrieben werden in Deutschland immer beliebter. Ihre dreirädrigen Verwandten tun sich mit dem E-Antrieb bislang hingegen schwer.

Dreirädrige Roller mit Benzinmotor sind bereits seit Mitte der Nullerjahre recht erfolgreich unterwegs. Modelle wie MP3 oder Metropolis haben seither einen festen Platz im Portfolio der Roller-Riesen Piaggio und Peugeot. Dank zweirädriger Vorderachse kombinieren die flinken Dreibeiner gehobenen Fahrspaß mit erhöhter Stabilität und Sicherheit. Außerdem reizvoll: Dank breiter Vorderachse dürfen auch Inhaber des Pkw-Führerscheins diese Roller fahren. Und eigentlich wäre damit dieses Genre prädestiniert für elektrische Antriebsapplikationen, doch in die Erfolgsspur haben dreirädrige E-Scooter bislang nicht gefunden.

Die derzeit einzigen in Deutschland verfügbaren Dreirad-Roller mit E-Antrieb sind der 45 km/h schnelle iTank und sogar 70 km/h fahrende iTango vom chinesischen Hersteller Doohan. Wie ein Bremer Händler erklärt, würden vor allem weibliche Kunden Interesse an den wendigen Stromern zeigen, weil diese den gleichen Fahrspaß wie einspurige E-Rollern bei gleichzeitig sicherem Fahrgefühl bieten. Auch Kurierfahrer fänden Gefallen an der zweirädrigen Vorderachse, da diese dank einer per Handgriff aktivierbaren Vorderachssperre ein spontanes Abstellen auf jedem Untergrund erlaubt. Im Fall des iTank sind mit Doppelakku zudem große Reichweiten möglich. Mit rund 2.300 Euro für den iTango und etwa 4.000 Euro für den schnellen iTank liegen die Preise auf moderatem Niveau. Doch der 2018 gestartete Vorstoß von Doohan scheint zu scheitern. Wie die für den Deutschlandvertrieb verantwortliche KSR Group bestätigte, hat man die Zusammenarbeit mit Doohan bereits eingestellt. Gründe für diesen Schritt werden von KSR allerdings nicht genannt. Zugleich wurde bestätigt, dass Doohan wegen der Corona-Krise in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckt.

Europäische Rollerhersteller nähern sich dem Thema bislang mit Vorsicht an. 2018 stellte Peugeot den e-Metropolis mit 36 kW/49 PS starken Motor, 135 km/h Höchstgeschwindigkeit und 200 Kilometer Reichweite als Konzept vor. Im gleichen Jahr zeigte Mitbewerber Quadro eine vierrädrige und 2019 eine dreirädrige E-Roller-Vision namens eQooder. Während sich Peugeot bislang nicht zu einer möglichen Serienproduktion des e-Metropolis äußern will, hat Quadro die Markteinführung der vierrädrigen Variante des eQooder bereits angekündigt. Eigentlich hätte die Serienversion mit 45 kW/60 PS starkem E-Antrieb und 150 Kilometer Reichweite im März 2020 auf den kurzfristig abgesagten Genfer Autosalon debütieren sollen. Derzeit scheint auch bei Quadro die Corona-Situation für Verzögerungen beim Marktstart zu sorgen. Wann genau der in der Basisversion rund 17.500 Euro teure eQooder in Deutschland verfügbar sein wird, ist noch unklar.

Ähnlich ungewiss ist der Start des überdachten Dreirad-Roller Velocipedo des spanischen E-Scooter-Herstellers Torrot. Bereits 2017 wurde das Modell vorgestellt und zugleich ein zeitnaher Serienbau angekündigt. Doch eine Markteinführung lässt auf sich warten. Zuletzt haben die Spanier Ende 2019 den Start eines entsprechenden Serienmodells auf frühestens Ende 2020 verschoben. Angesichts der Corona-Krise scheint auch hier ein späterer Termin wahrscheinlich.

Auch außerhalb Europas finden sich einige wenige Hersteller, die dem E-Dreirad ein gewisses Marktpotenzial zutrauen. So hat Anfang 2020 der indische Hersteller Hero mit dem AE-3 ein entsprechendes Modell mit 4-kWh-Batterie und 5,5 kW/7,5 PS starkem E-Antrieb vorgestellt. Das bis zu 80 km/h schnelle und 100 Kilometer Reichweite bietende Dreirad könnte bereits 2021 zumindest in Indien auf den Markt kommen. Und in den USA schreibt der Hersteller Sway auf seiner Internetseite, er wolle seinen Lithium genannten Dreirad-E-Roller auch nach Europa bringen. Doch damit ist klar: Selbst wenn andere Marken in die Fußstapfen von Doohan treten sollten: Elektrische Dreiradroller werden vorläufig ein Nischenprodukt bleiben.

Es gibt allerdings artverwandte Konzepte, die mit drei Rädern, Neigungstechnik und einer zudem schützenden Kabine als elektrische Leichtfahrzeuge in nächster Zeit unsere Städte erobern könnten. Unter anderem wurde als solches das in den Nullerjahren eingeführte Dreirad Carver One reaktiviert. Statt wie einst von einem Daihatsu-Dreizylinder wird die elektrische Neuauflage von zwei jeweils 2 kW/3 PS starken E-Motoren bis maximal 45 km/h und dank 5,3 kWh großer Batterie bis 100 Kilometer weit angetrieben. Geblieben ist hingegen die auf der zweirädrigen Hinterachse gelagerte Fahrgastkabine, die sich bis 45 Grad in Kurven seitlich neigen kann. Angesichts der Geschwindigkeits- und Leistungsbeschränkung handelt es sich um ein Leichtfahrzeug, das in Deutschland mit Versicherungskennzeichen und der Führerscheinklasse AM gefahren werden darf. Kosten soll das Dreirad rund 8.000 Euro. Der offizielle Marktstart für den E-Carver lässt allerdings auf sich warten.

Das trifft auch auf das in der Schweiz entwickelte Bicar zu, das deutlich kompakter als der rund 2,90 Meter lange Carver baut. Die Vorderachse ist zweirädrig, hinten gibt es ein nur ein Rad, das einen 2 kW/3 PS starken Nabenmotor integriert. Dank Neigungstechnik kippt die Fahrgastzelle bei Richtungswechseln zur Seite, wodurch sich das Bicar eng und wohl auch mit gewissem Fahrspaß durch Kurven manövrieren lässt. In der Ein-Personen-Kabine sitzt der Pilot über dem Hinterrad. Während der Fahrt muss er sich mit einem Dreipunktgurt anschnallen, wodurch der Helm-Verzicht möglich wird. Dank breiter Frontverkleidung und Dach ist der Fahrer vor Regen und Fahrtwind geschützt. Vor allem als Sharing-Angebot in Städten soll das Bicar Karriere machen. Derzeit arbeitet das Start-up daran, eine Serienproduktion vorzubereiten. Derzeit plant man, Anfang 2021 die ersten Exemplare des umgerechnet rund 6.600 Euro teuren Auto-Roller-Zwitters an Kunden auszuliefern.

Apropos 2021: Diesen Marktstarttermin hat ebenfalls das polnische Start-up Triggo ausgerufen. Auch hier handelt es sich um Mischwesen aus Roller und Auto mit Neigungstechnik. Zwar steht der Triggo auf vier Rädern, doch bei Fahrgefühl und der benötigten Verkehrsfläche ist man dem Roller sehr nah. Um auch bei hohem Tempo ein stabiles Fahrverhalten zu bieten, kann der Triggo - und das ist ein Alleinstellungsmerkmal - die vordere Spur von 90 auf 150 Zentimeter verbreitern. Der 20 kW/27 PS starke und 90 km/h schnelle Zweisitzer soll in der Leichtbauklasse L7E antreten. Ob das wie angekündigt klappen wird, bleibt abzuwarten.

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