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Sonst noch was? - Schädliche Ablenkung

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  • 2. August 2020, 09:58 Uhr
  • Günter Weigel/SP-X

Wenn man einen Kampf nicht gewinnen kann, geht man ihm am Besten aus dem Weg. Diese Erkenntnis eignet sich für ganze Schlachten ebenso wie für Zweikämpfe. Im Wirtschaftsleben sollte man kreativer sein. Für die Begrenzung der Kreativität sorgt notfalls schon ein Jurist.

Kennt eigentlich jemand den § 23 der Straßenverkehrsordnung? Wir fragen nicht für einen Freund, sondern für die aktuelle Generation der Interieur-Designer der Autoindustrie. Die machen - so scheint es uns gerade - nämlich einen kleinen Denkfehler. Im besagten § 23 geht es um ,,Sonstige Pflichten von Fahrzeugführenden" und der Gesetzgeber hat, fürsorglich wie er manchmal sein kann, darin wie folgt formuliert: ,,Wer ein Fahrzeug führt, darf ein elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, nur benutzen, wenn hierfür das Gerät weder aufgenommen noch gehalten wird und entweder nur eine Sprachsteuerung und Vorlesefunktion genutzt wird oder zur Bedienung und Nutzung des Gerätes nur eine kurze, den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen angepasste Blickzuwendung zum Gerät bei gleichzeitig entsprechender Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen erfolgt oder erforderlich ist."

Logisch, man darf halt mit Smartphones nicht Whats-Appen oder Emaillesen, während man auf der linken Spur der Autobahn unterwegs ist. Machen aber trotzdem jede Menge Menschen aller Altersklassen. Nun hat das Oberlandesgericht Karlsruhe sich diese Formulierung ganz genau angeguckt und gleichzeitig einen Blick auf die Bedienlogik eines amerikanischen E-Autoherstellers geworfen - der Name tut hier tatsächlich nichts zur Sache. Jedenfalls befanden die Richter, dass auch ein fest eingebauter Touchscreen ein elektronisches Gerät im Sinne des § 23 ist und bestätigten damit ein Urteil des Amtsgerichts Stuttgart.

Das wiederum hatte einen Autofahrer zu einer Strafe verdonnert, weil er im Untermenü auf dem Touchscreen die Bedienfunktion des Scheibenwischers einstellen wollte, dabei mangels Blick auf die Straße von derselben abkam und in die Böschung kachelte. Nun sind Richter nicht unfehlbar und es gibt fast immer noch höhere Instanzen, aber so ein Oberlandesgericht ist schon recht weit oben angesiedelt in der juristischen Nahrungskette. Wir wagen deshalb mal die Voraussage, dass sich ein Urteil wie dieses durchaus auf die künftige Gestaltung von Autoinnenräumen auswirken könnte. Statt schicker glatter Flächen und Displays mit Tatsch- oder Gestensteuerung kommen vielleicht doch ein paar rudimentäre Knöpfe und Schalter zurück.

Meistens eher nicht zurück kommen Automarken, die einen Markt verlassen haben. Das wiederum hat dieser Tage Mitsubishi für Europa befunden. Man wolle in Zukunft keine neuen Fahrzeuge mehr auf den europäischen Markt bringen, weil der Marktanteil der Marke dort zu gering sei und nicht mit denen in der Region Asien mithalten könne, hieß es sinngemäß aus Japan. Kann man so machen. Muss man aber nicht, zumal Mitsubishi just im vergangenen Jahr seinen Marktanteil in Deutschland auf ein recht ordentliches Niveau gesteigert hatte. Wir fürchten, auf ähnliche Ideen könnten auch andere Hersteller noch kommen, denn das Argument ist natürlich stichhaltig. Aber, um mal unsere Oma zu zitieren ,,Wenn das alle so machen würden..." wären die Märkte auf Dauer ziemlich langweilig und abgeschlossen. Da loben wir uns dann ausnahmsweise mal die Chinesen. Deren Marken und Hersteller kündigen zwar bislang mehr an als dass sie ins Umsetzen kämen, aber sie sind immerhin gewillt, sich dem Wettbewerb früher oder später zu stellen.

Einen Wettbewerb, auf den die Welt aus unserer Sicht nicht ganz so dringend gewartet hat, will E-Auto-Pionier Fisker jetzt starten. Die E-SUV-Racing-Series soll die Welt erobern. Das ist, siehe oben, zwar löblich, aber im Detail dann doch ziemlicher Unfug. Die Alltagstauglichkeit von elektrischen Automobilen, auch SUVs, beweist man am besten im Alltag. Werbung für Elektromobilität macht schon die Formel-E auf urbanen Rennstrecken. Wieso sollte irgendwer besonders schwere Rennwagen in SUV-Form am besten noch im Matsch sehen wollen? Und wem ist damit geholfen außer denen, die SUVs schon immer albern fanden? Bislang war Fisker im Vordenken nicht ganz schlecht, im Umsetzen aber meist grauselig. Wenn es jetzt mit dem Vordenken auch nichts mehr wird, steht es schlecht um das Unternehmen, das binnen vier Jahren immerhin vier neue E-Modelle auf den Markt bringen will. An dieser Stelle sei unter Bezug auf § 23 darauf hingewiesen, dass Ablenkung im Verkehr schädlich ist, im Wirtschaftsleben mitunter auch. Sonst noch was? Nächste Woche wieder.

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