Motorrad

Fahrbericht: Mash X-Ride 650 - Retro-Single

  • In MOTORRAD
  • 29. September 2020, 14:36 Uhr
  • Thilo Kozik/SP-X

Zitate der Vergangenheit beleben das Motorradgeschäft. Dazu benötigt man nicht unbedingt große Motoren und teure Karosserien. Es geht auch ziemlich einfach, wie eine französische Marke zeigt.

Huch, hat Yamaha nach der Ténéré nun auch noch die XT 500 aus dem Jahr 1976 wiederbelebt? Das könnte der erste Gedanke beim Betrachten der neuen X-Ride 650 Classic des französischen Herstellers Mash sein. Für diesen Verdacht verantwortlich sind die weiß-rot gehaltenen Graphics auf dem 12 Liter fassenden Tank wie auf den Verkleidungsteilen unterhalb der Sitzbank. Ebenso vertraut kommen einem die goldfarbenen, eloxierten Speichenräder vor oder die einteilige, nur leicht abgestufte Sitzbank. Außerdem: Genauso wie die selige XT wird die X-Ride von einem klassischen Einzylinder-Viertaktmotor angetrieben.

Dafür haben sich die Franzosen allerdings von Honda inspirieren lassen. Mit einem Bohrung-Hub-Verhältnis von 100 x 82 mm und einem Hubraum von 643,7 ccm entspricht der Antrieb exakt den Maßen des Motors der ebenfalls verblichenen Honda Dominator 650 von 1988. Den hat Mash im Prinzip nachgebaut und auch schon einmal verwendet, und zwar in der 2019 vorgestellten Dirt Track 650, einem klassischen Roadster im US-Racer-Look. Mit einer Leistung von 40 PS bei 6000 U/min und einem Drehmoment von 45,1 Nm präsentiert sich der Einspritz-Vierventiler allerdings etwas zurückhaltender als das Dominator-Vorbild - den aktuellen Abgas- und Lärmvorschriften geschuldet.

Ein klassisches Fünfgang-Getriebe überträgt die Motorkraft per Kette an das mit einem grob profilierten 150er-Reifen bestückte Hinterrad. Der luftgekühlte Single zeigt sich durchzugsstark mit ordentlich Vortrieb im praxisrelevanten Drehzahlbereich zwischen 3.000 und 5.000 Umdrehungen. Auf kurvigen Landstraßen fühlt sich der Scrambler-Treiber daher am wohlsten, hier kann er das Potential der X-Ride voll ausspielen, ohne sich zu überfordern. Ab 6.000 Touren sind Vibrationen durchaus spürbar, aber keineswegs zu störend. Irgendwie gehören sie zum Konzept eines klassischen Scramblers dazu, das war schließlich zu XT-Zeiten nicht anders.

Auf derartige Motorräder hat sich Mash spezialisiert, seit der ehemalige Rennfahrer Frederic Fourgeaud als Präsident des Fahrzeugimporteurs SIMA im Jahr 2012 auf die Idee kam, klassische britische und japanische Motorrad-Stilelemente der 1960er und 70er-Jahre mit zeitgemäßer Technik zu verknüpfen. Designt und entwickelt werden die Motorräder in Frankreich, preiswert produziert in China. Mash gehört mit seinen Retro-Singles in Frankreich zu den Marktführern im 125er-Segment, bietet aber auch Caféracer mit 250 cm3 Hubraum und sogar ein 400er-Retro-Gespann an. Hierzulande kümmert sich die Mash Motor GmbH in Neunkirchen-Seelscheid, ein Schwesterunternehmen des niederländischen Mash-Importeurs Motomondo, um den Vertrieb der französischen Retro-Bikes.

Flaggschiffe im umfangreichen Modell-Portfolio sind die 2019 präsentierte Dirt Track 650 und natürlich die neue X-Ride 650 Classic. Sie versucht sich optisch in Anlehnung an die XT als klassische Softenduro, gehört mit ihrem 17-Zoll-Fahrwerk aber eher in die Sparte moderat offroadtaugliches Straßenmotorrad. Die Federung vorn übernimmt eine konventionelle Telegabel, hinten stützt sich die Zweiarmschwinge aus Stahl gegen ein Zentralfederbein mit Ausgleichsbehälter ab. Der Federweg von 130 mm vorn und hinten reicht aus, komfortabel gedämpft selbst tiefe Schlaglöcher unbeschadet zu überstehen, im unbefestigten Gelände wäre das zu wenig.

Über Kopfsteinpflaster schwebt die X-Ride geradezu hinweg. Das wird der anvisierten Einsteiger-Zielgruppe 40plus genauso gefallen wie die bequeme, aufrechte Sitzposition hinter dem Enduro-Lenker mit Querstange. Kleinere Fahrer muss die Sitzhöhe von 84 cm nicht abschrecken und das leicht zu handhabende Gewicht von 180 kg werden sie zu schätzen wissen, während größere Fahrer über 1,85 Meter die Sitzposition als sehr kompakt empfinden werden.

Zugeständnisse an den Stand der Technik sind nicht nur das abschaltbare ABS und die ordentlich dosierbare und effektiv arbeitende Bremsanlage mit radial angeschlagenem Vierkolbensattel vorn und die Zweikolbenanlage hinten. Auch die Rundum-LED-Beleuchtung mit LED-Tagfahrlicht im schicken Rundscheinwerfer repräsentiert den Stand der Technik. Ansonsten herrscht eher praxisbezogene Alltagstauglichkeit vor. Den einfachen Armaturen sieht man an, wo gespart wurde, genauso dem spartanischen Cockpit mit analogem Drehzahlmesser und einem zu kleinen, schlecht ablesbaren Digital-Display. Bei einem Preis von 5.985 Euro für die X-Ride 650 Classic kann man mit solchen Einschränkungen durchaus leben, bekommt man dafür doch ein Stück Motorrad-Geschichte im Neo-Retro-Kleid.



Technische Daten und Ausstattung Mash X-Ride 650:

Motor: Luft-/ölgekühlter Einzylindermotor, 644 ccm Hubraum, 29,4 kW/40 PS bei 6.000 U/min, 45,1 Nm bei 4.500/min; vier Ventile/Zylinder, ohc, Einspritzung, Fünfganggetriebe, Kette

Fahrwerk: Stahlrohr-Brückenrahmen; Telegabel vorne, nicht einstellbar, Federweg 13 cm; Stahl-Zweiarmschwinge hinten, Zentralfederbein (Vorspannung einstellbar), Federweg 13 cm; Drahtspeichenräder; Reifen 120/70-17 (vorne) und 150/60-17 (hinten). 32 cm Einscheibenbremse vorne, 24 cm Einscheibenbremse hinten

Assistenzsysteme: ABS

Maße und Gewichte: Radstand 1,470 m, Sitzhöhe 84 cm, Gewicht fahrfertig 180 kg, Zuladung 160 kg; Tankinhalt 12 l

Fahrleistungen und Verbrauch (Herstellerangaben): Höchstgeschwindigkeit 150 km/h, 4,5 l/100 km

Preis: ab 5.985 Euro

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