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New Mobility: Die neuen Zweirad-Mischwesen - Motorrad? E-Bike? Oder beides?

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  • 11. November 2020, 15:42 Uhr
  • Mario Hommen/SP-X

Lange Zeit ließen sich Fahrräder und Motorräder gut voneinander abgrenzen. Doch mit der aufkeimenden E-Mobilität mehren sich die Beispiele von Zweirädern, bei denen die einst klaren Trennlinien unscharf werden.

Als Ende des 19. Jahrhunderts das Motorrad das Laufen lernte, waren die frühen Modelle optisch und technisch mit dem Fahrrad noch eng verwandt. Im Laufe der Jahre entkoppelten sich jedoch beide Zweiradbereiche voneinander. Motorräder wurden größer, stärker und schneller und verlangten nach ganz anderen und eigenen Lösungen. Mit der seit Jahren aufkeimenden E-Mobilität kommen sich beide Segmente allerdings in einigen Bereichen wieder näher. Mittlerweile finden sich reichlich Beispiele von Einspurfahrzeugen, die trotz Motor dem Fahrradsektor angehören, optisch hingegen an Motorräder erinnern. Außerdem gibt es Mischwesen, bei denen sich Elemente beider Welten auf verschiedene Art vermischen.

Unter anderem mehrt sich seit einigen Jahren die Zahl von Pedelecs, die optisch mit Motorrad-Ästhetik kokettieren. Dabei handelt es sich um Design-Fahrräder, die vor allem Elemente klassischer Motorräder und aus dem Chopper-Segment aufgreifen. Aus rein ergonomischer Sicht eignen sich diese Entwürfe kaum als Alltagsräder, doch dank E-Antrieb kann man auch solche Bikes als Transportmittel nutzen. Unter anderem setzt der fränkische Zweiradschmiede Ruff Cycles mit dem Pedelec The Ruffian auf Vintage-Motorrad-Look und E-Bike-Technik von Bosch. Das in der Basis rund 4.700 Euro teure Elektrofahrrad eignet sich vor allem zum Cruisen und außerdem dazu, Aufmerksamkeit zu erregen. In ähnliche Richtung tendieren auch die Entwürfe der spanischen E-Bike-Marke Rayvolt, deren um 3.000 Euro teure Modelle Cruzer oder Torino vor allem als Hingucker taugen. Mittlerweile gehen Motorradhersteller selbst dazu über, E-Bikes mit alter Motorradoptik aufzulegen. So will die von Harley-Davidson mitgegründete Fahrradmarke Serial 1 Cycle kommendes Frühjahr das Pedelec Serial 1 auf den Markt bringen, dass optisch eine klare Referenz an das von Harley ab 1903 aufgelegte erste Motorradmodell ist.

Neben solchen Retro-Modellen finden sich noch einige Beispiele von Pedelecs, deren Styling von Enduros und Cross-Maschinen inspiriert ist. Imposantester Vertreter dieser Gattung ist das Carbon genannte Modell des italienischen Herstellers Moto Parilla, das mit seinen mächtigen Ballonreifen im Offroadstil, einer wuchtigen Hinterradschwinge und einer aufwändig gearbeiteten Parallelogramm-Gabel mit besonders breiten Gabelholmen schon sehr nach Motorrad aussieht. Zwar noch weitgehend wie ein Mountainbike kommt das E-SUV von Bianchi daher, doch Rahmendesign und der Cockpit-Vorbau im Motorrad-Stil lassen das Fahrrad zugleich wie eine Motorrad-Enduro im Kleinformat erscheinen.

Die Grenzen zwischen Motorrad und E-Bike verschwimmen lassen wollte auch die 2015 wiederbelebte, spanische Motorradmarke Bultaco. Deren Modelle Brinco oder Albero zeichnen sich durch Fahrradelemente wie einen Pedelantrieb und Komponenten klassischer Fahrradmarken wie etwa die Bremsen von Magura aus. Zugleich kann ein Hinterradnabenmotor die Brinco auf bis zu 60 km/h beschleunigen. Mittlerweile scheint sich Bultaco allerdings vom Markt wieder zurückgezogen zu haben, denn im Netz finden sich keine aktuellen Fahrzeugangebote, der letzte Facebook-Post ist zudem von 2018.

Noch deutlich näher am Motorrad bewegt sich das aus Deutschland stammende Zwitter-Zweirad eRockit, das wie die Bultaco-Modelle einen Pedalantrieb mit einem E-Motor kombiniert. Allerdings kann die Maschine 5 kW/7 PS Dauer- sowie 16 kW/22 PS Spitzenleistung liefern und die eRockit bis maximal 90 km/h beschleunigen. Der fast 12.000 Euro teure und über 120 Kilogramm schwere Mischwesen wird trotz seiner Pedale als Leichtkraftrad zugelassen.

Mittlerweile finden sich vermehrt auch elektrisch angetriebene Klein- und Leichtkrafträder, die auf Pedale verzichten, optisch und gewichtstechnisch dennoch dem E-Bike näher als dem Motorrad sind. Zu den bereits etablierten Anbietern dieser Gattung gehört etwa die schwedische Firma Cake, die mit ihrer Enduro-Plattform Kalk ein in der leichtesten Version nur 70 Kilogramm schweres Elektromotorrad anbietet. Die zu Preisen ab 9.500 Euro erhältlichen Offroader werden über 90 km/h schnell. Auch das rund 4.000 Euro teure Kleinkraftrad Elmoto vom deutschen Herstellers Govecs ist mit 59 Kilometer sehr leicht und optisch einem Fahrrad dennoch sehr nah. Gleiches trifft auf das Modell Firefly der Marke Sur-Ron zu. Die ohne Batterie nur 47 Kilogramm schwere Elektroenduro erinnert stark an ein Mountainbike, doch in den Versionen ohne Straßenzulassung erreicht das geländegängige Modell über 80 km/h. Für und 4.200 Euro bietet Sur-Ron auch eine straßenzugelassene Version an, die allerdings nur maximal 45 km/h schnell wird.

Ebenfalls die Grenzen von Fahrrad und Motorrad aufweichen wollen die beiden deutschen Start-ups Novus und Bykstar. Das von zwei jungen deutschen Designern gegründete Unternehmen Novus hat 2019 ein gleichnamiges Elektro-Kraftrad vorgestellt, das man auf den ersten Blick für ein Pedelec halten möchte. In Hinblick auf die Fahrleistungen kann es jedoch mit Leichtkrafträdern locker mithalten. Das bereits vorbestellbare und ab 2022 verfügbare Zwischending bietet Novus in drei Leistungsstufen mit 7 kW/10 PS, 11 kW/15 PS sowie 18 kW/24 PS an, die 45, 90 beziehungsweise 120 km/h schnell sind. Dank vieler Carbonteile bringt das Novus-Bike nur 75 Kilogramm auf die Waage, ist mit mindestens 46.000 Euro allerdings auch sehr teuer.

Die Grenzen zwischen Motorrad und Fahrrad löst eine Bykstar getaufte E-Enduro aus München nochmals stärker auf. Das mit Akku nur 47 Kilogramm leichte und bis 12 kW/16 PS starke Offroad-Bike setzt sich aus 117 Bauteilen zusammen, wobei es bei rund einem Viertel um originäre Mountainbike-Komponenten handelt, wie sich an der Vorderradführung mit Downhill-Gabel von RockShox zeigt. Es wird vermutlich noch ein Weilchen bis zur Marktreife der E-Enduro von Bykstar dauern. Ein konkreter Termin der Verfügbarkeit wird jedenfalls nicht genannt. Konkreter sind indes die Vorstellungen beim Preis, den Bykstar mit rund 7.000 Euro für die Einstiegsversion beziffert.

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