Ratgeber

Kein neuer Bußgeldkatalog – Vermittlungsgespräche gescheitert

  • In RATGEBER
  • 16. November 2020
  • Redaktion

Nach Inkrafttreten des neuen Bußgeldkatalogs im April 2020 sorgte ein juristischer Formfehler in der entsprechenden StVO-Novelle für Chaos. Statt den Fehler einfach zu bereinigen, streiten Bund und Länder inzwischen seit Monaten über die neue Straßenverkehrs-Ordnung.

Auch die Plenarsitzung des Bundesrats am 6. November brachte keine Einigung. Ob und ab wann die verschärften Strafen des neuen Bußgeldkatalogs gelten, bleibt abzuwarten. Bis die inhaltliche Debatte ein Ende hat, kommen die alten Strafen zur Anwendung.

Strengere Fahrverbote für Raser hinfällig

Fahrverbote sind für Verkehrssünder besonders ärgerlich. Sie dienen der Abschreckung, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten und stellen eine zentrale Maßnahme im Sanktionssystem dar. Hart bestraft, werden beispielsweise Rotlicht- und Geschwindigkeitsverstöße, weil sie mit einem hohen Risiko einhergehen. Wie der Informationsdienst zum deutschen Bußgeldkatalog unter bussgeldkatalog.de/rotlichtverstoss/ aufzeigt, zieht das Überfahren einer roten Ampel mit Gefährdung neben einer Geldbuße von 200 Euro und zwei Punkten im Fahreignungsregister (FAER) ein einmonatiges Fahrverbot nach sich. Für Temposünder waren mit der StVO-Novelle verschärfte Strafen vorgesehen. Ein Fahrverbot von einem Monat sollte demnach bereits diejenigen treffen, die innerorts 21 km/h und außerorts 26 kmh/h zu schnell unterwegs sind. Die alten Regelungen sehen direkte Fahrverbote innerorts erst ab 31 km/h beziehungsweise ab 41 km/h außerorts vor. Im Interesse der Rechtsklarheit wenden die meisten Bundesländer den neuen Bußgeldkatalog bereits seit Sommer 2020 nicht mehr an. Schließlich ist die StVO-Novelle zumindest teilweise unwirksam. Dementsprechend wurden die Neuerungen für Fahrverbote bei Geschwindigkeitsverstößen ausgesetzt.

Eine Ziffer allein ist schuld an der Ungültigkeit der neuen Fahrverbotsregeln: Gemäß Zitiergebot Artikel 80 Absatz 1 Satz 3 des Grundgesetzes, muss eine Verordnung gesetzliche Bestimmungen, auf die sie sich bezieht, aufzeigen. Im Rahmen der StVO-Novelle wurde Nr. 3 des Absatzes 1 aus § 26a vergessen, welche sich auf Fahrverbote bezieht.

Darüber hinaus wurden folgende Strafen vorerst ausgesetzt:

- 240 Euro Geldbuße + 2 Punkte + 1 Monat Fahrverbot für unberechtigte Nutzung von Rettungsgassen
- 70 Euro + 1 Punkt für das Abbiegen nach rechts durch Lkws schneller als mit Schrittgeschwindigkeit

Streit statt Einigung

Nachdem der Formfehler erkannt wurde, begann eine scheinbar endlose Debatte um die StVO-Novelle. Während die Grünen beispielsweise Fahrverbote für Geschwindigkeitsüberschreitungen in Tempo-30-Zonen forderten, wollte die Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz Anke Rehlinger (SPD) aus dem Saarland sowohl Union als auch den Grünen mit einem Kompromisspapier entgegenkommen. Es sah weniger Fahrverbote, aber sattere Geldbußen für Raser vor. Nach Rehlingers Vorschlag sollte die Fahrerlaubnis innerorts erst bei 26 km/h und außerorts erst ab 36 km/h entzogen werden. Hinsichtlich der Bußgelder für Raserei wollte Rehlinger hingegen deutliche Erhöhungen durchsetzen und sich damit den strengen Strafen europäischer Nachbarländer annähern. Ihr Vorschlag hätte in etwa eine Verdoppelung nach sich gezogen:

- Statt 80 Euro Geldbuße für eine Geschwindigkeitsüberschreitung innerorts von 21 km/h künftig rund 160 Euro.
- Statt 480 Euro Geldbuße für eine Geschwindigkeitsüberschreitung innerorts von 61 km/h in Zukunft knapp 1.000 Euro.

Politik diskutiert weiter

Eine schnelle Einigung im Streit um die StVO-Novelle scheint weiterhin Wunschdenken zu bleiben. Der Kompromissvorschlag zum Bußgeldkatalog aus dem Saarland ist bei der Plenarsitzung am 6. November durchgefallen. Damit wurde ein weiterer Vorschlag abgelehnt. Der Verkehrsminister Schleswig-Holsteins Buchholz bezeichnete das Papier als unverhältnismäßig. Weil der Entschließungsantrag im Bundesrat keine Mehrheit gefunden hat, bleibt die Rechtsunsicherheit bei den Sanktionen und Regeln im Straßenverkehr bestehen.

DVR kritisiert und fordert schnelle Lösung

Kritik kassiert die Politik unter anderem vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR). In einer Meldung unter dvr.de/presse macht der DVR deutlich, dass die Ablehnung des Kompromissvorschlags unter anderem einen Rückschritt für die Sicherheit von Rad- und Fußverkehr darstellt. „Der Kompromiss sei schlechter als die ursprüngliche Einigung des Bundesrates und die (fehlerhafte) Verordnung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), aber doch gut für die Verkehrssicherheit gewesen“, bewertet der Präsident des DVR Prof. Dr. Walter Eichendorf die Entscheidung. Bereits im Mai hatte der DVR vor der Rücknahme bestehender Sanktionen gewarnt und bezeichnete die Ende April in Kraft getretenen Maßnahmen als starkes Signal an alle Verkehrsteilnehmer.

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