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Sonst noch was? - Genau hinschauen und an der richtigen Stelle zahlen

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  • 10. Januar 2021, 10:17 Uhr
  • Günter Weigel/SP-X

Zum Jahresbeginn loten wir sprachliche Finessen aus und denken mal so ganz automobil über Ablasshandel nach.

Sprache ist komplex, manchmal zwei- oder mehrdeutig und schon Kleinigkeiten können einen großen Unterschied machen. Ein richtig gesetztes oder fehlendes Komma macht - die Erkenntnis ging inzwischen viral - in dem banalen Satz ,,Komm wir essen (,) Oma" den Unterschied zwischen Einladung und Verbrechen aus. In diesem Fall heißt es: Satzzeichen retten Leben! Um nichts weniger geht es nun Google, pardon Alphabet-Tochter Waymo mit der Definition sprachlicher Feinheiten.

Das Unternehmen beschäftigt sich mit autonom fahrenden Autos und macht in seiner jüngsten Veröffentlichung darauf aufmerksam, dass man aus Gründen sprachlicher Exaktheit und letztlich der Sicherheit der Verbraucher künftig nur mehr ,,autonom fahrendes Auto" und nicht ,,selbst fahrend" sagen und schreiben will. Der Terminus ,,selbst fahren" werde von einigen Automobilherstellern missbräuchlich genutzt, was den Fahrer eines solchen Fahrzeugs in der trügerischen Sicherheit wiege, sein Auto könne ,,selbst" im Sinne von ,,alleine" fahren, dabei wäre es höchsten kurzfristig in der Lage unter Aufsicht des Fahrers die Spur zu halten und zu bremsen, nicht aber die komplexen Anforderungen des autonomen Fahrens zu erfüllen. Damit spielt Waymo nicht zuletzt auf den Autopiloten von Tesla an, der inzwischen einige Fahrer ihres irdischen Daseins beraubte, weil sie die Bezeichnung zu wörtlich nahmen.

Derweil nehmen wir mit Respekt zur Kenntnis, dass Elon Musk seit dieser Woche im Bloomberg Milliardärs-Index die Spitzenposition übernommen hat und ein Nettovermögen von 188,5 Milliarden Dollar sein Eigen nennt. Das sind schlanke 150 Milliarden mehr als vor 12 Monaten und natürlich ist der Zuwachs vornehmlich der Kursrallye seines Unternehmens geschuldet. Tesla legte gut 750 Prozent zu an der Börse und ist nun wohl ungefähr so viel wert wie Daimler, BMW, VW, GM, Honda, Hyundai, Ford, Suzuki, Fiat, PSA, Nissan und Renault zusammen. Mit dem Gewinn hapert es allerdings trotz fünf profitabler Quartale in Folge. Der verharrt im dreistelligen Millionenbereich und ist nicht zuletzt dem schwunghaften Handel mit CO2-Derrivaten zu verdanken. Aber wir wollen nicht kleinlich sein. Hier werden schon lange keine Werte mehr gehandelt, sondern ausschließlich Träume und die können offensichtlich auch ziemlich wertvoll sein.

Wertvoll und zugleich gefährdet ist bekanntlich auch unsere Umwelt, weshalb der Verbrauch von CO2 reduziert werden muss. Diesbezüglich hat der Philosoph Bernward Gesang in der altehrwürdigen TAZ eine interessante Idee notiert. Wenn man mit einem Kompakt-SUV 75.000 Kilometer fährt, verursacht man 20 Tonnen CO2 und hat sich für rund 30.000 Euro mobiles Wohlergehen gegönnt. Nun kann man die 20 Tonnen einsparen, indem man auf eben dieses Wohlergehen verzichtet. Dann trägt man aber auch nicht mit dem entsprechenden Betrag zum Wohlstand des Landes bei. Das hat dann auf Dauer wieder schädliche Folgen für Infrastruktur, Bildung, Gesundheit und dergleichen mehr. Man kann stattdessen aber für 20 Tonnen CO2 eine Kompensationszahlung in Höhe von derzeit 460 Euro leisten und ist dann mit dem SUV klimaneutral unterwegs. Die Kosten für die Kompensationszahlung sind natürlich nur deshalb so gering, weil man heute für relativ kleines Geld auf der Südhalbkugel der Erde einiges in Sachen CO2-Kompensation erreichen kann und sei es durch das Pflanzen von Bäumen. Klingt logisch.

Solange das so ist, könnten die Hersteller der SUVs doch eigentlich diese Zahlungen für die Kunden erbringen, und schon sind die Flotten sauber. Das ist eine Art moderner Ablasshandel, aber wenn es funktioniert, warum nicht? Und es ist wahrscheinlich für die Umwelt besser, als den Ablass in Form von CO2-Zertifikaten an Tesla zu zahlen, auch wenn das Elon Musk anders sehen wird.

Für die Menschen, die ihren CO2-Ausstoß lieber mit dem Rad regulieren hat das neue Jahr eine Überraschung parat. Zumindest in den Niederlanden. Dort testet die Polizei in sechs Städten Räder mit Blaulicht. Wenn also demnächst ein radelnder Raudi flackerndes blaues Licht wahrnimmt, muss er sich entscheiden, zu bremsen oder schneller in die Pedale zu treten. Es kann aber sein, dass die Blaulichtbiker der Polizei elektrische Hilfsmotoren nutzen, was dann das Wegstrampeln eher schwierig machen wird. Und überhaupt raten wir ja immer allen, zu ihren Sünden zu stehen und also in diesem Fall anzuhalten und den fälligen Ablass, pardon die Strafe zu zahlen. Sonst noch was? Nächste Woche wieder.

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