Technik & Wissen

VW-Ford-Kooperation - Die autonome Zukunft lässt noch auf sich warten


Noch vor wenigen Jahren hätte man meinen können, fahrerlose Autos würden schon bald die Herrschaft auf unseren Straßen übernehmen. Solche Vorhersagen waren aber wohl zu euphorisch, was einmal mehr auch bei der Präsentation des künftigen VW-Ford-Gemeinschaftsunternehmens Argo AI deutlich wurde.

Im Januar dieses Jahres einigten sich die Autokonzerne Ford und VW darauf, in mehreren Bereichen gemeinsam Modelle zu entwickeln und zu produzieren, was Synergien bündelt und Kosten spart. Ein halbes Jahr später haben die Partner ihre Kooperation auf einen weiteren wichtigen Entwicklungsbereich ausgeweitet: Wichtigster Baustein der frisch ausgebauten Allianz ist die gemeinschaftliche Mehrheitsbeteiligung am Autonomfahr-Spezialisten Argo AI. Das junge amerikanische Start-up soll die technischen Grundlagen entwickeln, um mittelfristig Autos von Ford und VW mit Selbstfahr-Kompetenzen auszustatten. Argo-AI-Chef Bryan Salesky zeigt sich dabei zuversichtlich, autonome Fahrtechnik zur Serienreife entwickeln zu können. Doch bis fahrerlose Roboterautos uneingeschränkt unterwegs sein werden, wird seiner Ansicht nach noch einige Zeit vergehen.

Gegründet wurde Argo AI Ende 2016 in Pittsburg von einem ehemalige Uber-Manager sowie Salesky, der aus dem Roboterauto-Team von Google kam. Bereits 2017 übernahm Ford die Mehrheit am Start-up und investierte einen Milliarden-Betrag. Die Belegschaft wuchs auf 500 Mitarbeiter. Getestet wird in mittlerweile fünf US-Städten mit Ford-Fahrzeugen, die an mächtigen Sensoreinheiten auf dem Dach erkennbar sind. Derzeit wird die Selbstfahrtechnik in bereits dritter Generation eingesetzt.

Mit dem Einstieg von VW werden Argo AI künftig weitere Ressourcen zur Verfügung stehen. Neben finanziellen Mitteln, VW will eine Milliarde Dollar investieren, kommen noch Mitarbeiter und die Expertise der Audi-Tochter AID hinzu, die mit Argo AI fusionieren soll. Damit erhält Argo AI 200 weitere Mitarbeiter, zusätzliches Know-how und einen neuen Standort in München. Der soll es dem Unternehmen ermöglichen, schon im kommenden Jahr autonome Fahrzeuge in Europa zu testen und so die Technik an europäische Anforderungen anzupassen.

Ziel von Argo AI ist es, ein für den weltweiten Massenmarkt taugliches Selbstfahr-System (SDS) zu entwickeln. Neben der Software arbeitet das Start-up auch an der Sensor- und Rechnertechnik. Dabei soll in Zusammenarbeit mit Ford, VW und seinen Zulieferern ein vollständig und leicht integrierbares Technikpaket für eine Vielzahl vn Modellen entstehen. Argo will dazu eng mit den Produktentwicklungsteams beider Autokonzerne zusammenarbeiten.

Die Chefs der Autokonzerne und auch Salesky betonen, das sicherste SDS entwickeln zu wollen. Diese Aussage ist wohl auch als Verweis auf Tesla und Uber zu verstehen, deren selbstfahrende Fahrzeuge bereits in Unfälle verwickelt waren. Am Ende soll ein autonomes Fahrzeug auf die Straße kommen, das aber auch nicht wie ein übervorsichtiger Roboter, sondern weitgehend wie ein von Menschen gesteuertes Fahrzeug agiert. Salesky nennt dies ,,natürliches Fahrverhalten", welches sich durch eine Mischung aus Vorsicht und Aggressivität auszeichnet. Dies sei der Schlüssel für einen aus Kundensicht komfortablen und akzeptablen Fahrstil etwa für künftige Taxiservices. Wichtig sei, dass die Fahrzeuge sich im Stadtverkehr in Hinblick auf den Fahrstil nicht wesentlich von anderen Autos unterscheiden.

Wann genau erste Fahrzeuge mit SDS auf die Straßen kommen, lässt Salesky offen. Angedeutet wurde ein Zeitraum in der ersten Hälfte des kommenden Jahrzehnts. Der Zeitplan hängt unter anderem auch von Gesetzen ab, die bislang die Möglichkeiten automatisierten Fahrens vielerorts noch einschränken. Zudem soll die Technik zunächst soweit entwickelt werden, dass sie höchste Sicherheit verspricht. Laut Ford-CEO Jim Hackett geht es darum, nicht als erster, sondern als bester Anbieter in das autonome Auto-Business einzusteigen. Die ersten Fahrzeuge sollen autonome Fahrkünste auf Level 4 beherrschen. Level 5, also das komplett selbstständige Fahren ohne jeden Eingriff durch einen Menschen, bleibt eher ein Fernziel, denn dafür werden enorme Ressourcen benötigt. Die mittelfristig von Ford und VW eingesetzten Selbstfahr-Mobile werden sich daher zunächst in eingegrenzten Arealen, innerhalb sogenannter ,,Geozäune" bewegen. Erste Fahrzeuge könnten zunächst für Liefer- oder Shuttle-Dienste wie VW Moia eingesetzt werden, deren SD-Systeme allerdings eine Kalibrierung auf den Einsatz auf städtischer Ebene benötigen.

Eine Lösung für alle Regionen wird es sowieso nicht geben, vielmehr müssen die SD-Systeme zumindest softwareseitig auf bestimmte lokale Gegebenheiten zugeschnitten sein. Zunächst wird die Technik über Flotten in den Markt kommen. Für private Pkw wird SDS vorläufig zu teuer sein. Doch über Skalierungseffekte will man auch diesen Markt erobern - letztlich dann auch für Level-5-Fahrzeuge.

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