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Fahrbericht: Honda SH 350 - Stadtexpress

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Der Honda-Roller fühlt sich in der Stadt besonders wohl Foto: RKM

Für die Stadt optimiert, aber nicht nur dort zu gebrauchen, zeigt sich der Honda SH 350 für die Zukunft gewappnet. Besonders gefallen hat uns das Fahrwerk. Zu meckern gab es wenig.  

In den Hauptstädten Europas beherrscht der Honda-Scooter mit den zwei Buchstaben den Verkehr. Mehr als eine Million SH-Roller wurden in den letzten 36 Jahren in Europa verkauft, wenn es um das Thema Großradroller geht, führt an Hondas SH kein Weg vorbei. Sogar hierzulande gewinnt der in Italien im Honda-Werk in der Nähe von Rom produzierte Japaner immer mehr Freunde, der quirligen Kraftentfaltung und dem guten Fahrwerk gedankt, dass es mit den hierzulande immer übleren Fahrbahnen aufnimmt.

Für das neue Flaggschiff der SH-Reihe - es gibt noch drei Modelle mit 125 und 150 ccm - haben die Honda-Entwickler vor allem beim Motor draufgesattelt: Gut 50 Kubikzentimeter mehr Hubraum bei 40 Prozent weniger Emissionen tun der Fahrfreude gut mit 29 PS und fast 32 Nm Drehmoment. Dazu kommen technische Lösungen, die auch beim Fireblade-Superbike und dem Crosser CRF450R zu finden sind: eine neue Öldüse zur Kolbenkühlung und eine Steuerkette mit hydraulischem Spanner beispielsweise, die mehr Zuverlässigkeit versprechen, eine 10 Prozent leichtere Kurbelwelle für mehr Drehfreude sowie eine neue Ausgleichswelle, die zu einer ruhigen Fahrt beiträgt.  

Damit wird der SH350 laut Honda zur ,,ultimativen Waffe", die auch mit dem schwierigsten innerstädtischen Verkehr fertig wird. Tatsächlich gilt das für Tempo-30-Zonen genauso wie für Stadtautobahnen, wo Geschwindigkeiten jenseits der 100 km/h erlaubt sind: Die Leichtigkeit, mit der der Roller den Spagat zwischen Langsamfahrt und Speed schafft, ist beeindruckend. So spontan setzen nur wenige Roller dieser Klasse Gasbefehle in Beschleunigung um, aus dem Stand braucht der 350er für 200 Meter knappe 10,2 Sekunden.  

Das geschieht zudem so sanft und gleichmäßig, dass man kaum bemerkt wie schnell man sich der Höchstgeschwindigkeit von echten 135 km/h nähert, die auch längeres Verweilen auf der linken Autobahnspur erlaubt. Insofern sind die ermittelten 3,9 Liter Durchschnittsverbrauch für die gepflegte sehr dynamische Fahrweise nicht von schlechten Eltern - zurückhaltende Gashände dürften mit gut drei Litern hinkommen.

Die Souveränität in jedem Geschwindigkeitsbereich verdankt der SH aber auch seinem komplett überarbeiteten Fahrwerk. Rohrdurchmesser, Wandstärken und Materialien wurden verändert, insgesamt ist das Rahmengerüst ein Kilogramm leichter als beim Vorgängermodell. Der längere Radstand sorgt für mehr Geradeauslaufstabilität, die neue Bremsanlage für eine hohe Verzögerungseffizienz. Auch wenn sich der vordere Stopper gerne etwas gefühlvoller dosieren lassen könnte. Unauffällig überwacht das sicherheitsfördernde ABS beide Räder, assistiert von einer ebenso unkomplizierten Traktionskontrolle. Neu ist die Notbremssignalfunktion: Sobald das ABS eine Vollbremsung erkennt, leichte alle vier Blinker auf, um andere Verkehrsteilnehmer zu warnen.  

Der ganze technische Aufwand fällt trotz leichteren Rahmens ins Gewicht, im Vergleich zu den 169 kg des SH300 wiegt der neue Honda-Roller mit 174 kg fünf Kilo mehr. Das wirkt sich im Kurvengeschlängel jedoch nicht negativ aus, der potente Motor kann die Gewichtszunahme locker kaschieren. Da macht der SH fast noch mehr Spaß als in der Stadt, wo er jeden Ampelsprint für sich entscheiden kann. Agil und dennoch absolut spurtreu flutscht der SH durch langgezogene wie enge Kurvenkombinationen, dass es eine wahre Freude ist. Die Sitzposition nahe am und über dem Lenker trägt ihren Teil dazu bei, Lenkimpulse reaktionsschnell umzusetzen.  

Überhaupt das Sitzen: Grundsätzlich passt das Platzangebot allen Staturen, mit ausreichender Kniefreiheit und ebenso breitem wie flachem Trittbrett, das nur in der Länge eingeschränkt ist. Größeren Fahrern wird die gebeugte Haltung auf Dauer aber irgendwann unangenehm.  

Bei der Ausstattung schöpft der SH350 aus dem Vollen: LED-Technik überall, USB-C-Anschluss unter der Sitzbank, Smartkey mit zentraler Bedieneinheit und Fernentriegelung für die Sitzbank, ein serienmäßiges Topcase und ein zweigeteiltes LCD-Cockpit, dessen unterer Teil ein wenig klein geraten ist. Insofern wird der neue SH 350 die Dominanz in Europas Mega-Cities nicht nur fortschreiben, sondern ausbauen - dank der überzeugenden Agilität wohl auch hierzulande.





Motor: flüssigkeitsgekühlter Einzylinder, 330 ccm Hubraum, 21,5 kW/29,2 PS bei 7.500 U/min, 31,5 Nm bei 5.250/min; vier Ventile/Zylinder, ohc, Einspritzung, CVT-Automatik, Fliehkraft-Trockenkupplung, Riemen-Sekundärantrieb  

Fahrwerk: Unterzug-Stahlrohrrahmen; 3,5 cm USD-Telegabel vorne (nicht einstellbar),10,2 cm Federweg; Triebsatzschwinge hinten, zwei Federbeine (Vorspannung einstellbar), 9,5 cm Federweg; Leichtmetall-Gussräder; Reifen 110/70 16 (vorne) und 130/70 R16 (hinten). 25,6 cm Einscheibenbremse vorne, 24 cm Einscheibenbremse hinten

Assistenzsysteme: ABS, Traktionskontrolle

Maße und Gewichte: Radstand 1,45 m, Sitzhöhe 8,05 cm, Gewicht fahrfertig 172 kg, Zuladung 180 kg; Tankinhalt 9 l  

Fahrleistungen und Verbrauch (Testangaben): Höchstgeschwindigkeit 135 km/h, 3,9 l/100 km  

Preis: 6.120 Euro  

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