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New Mobility: Plug-in-Hybride - Brückentechnik mit Gegenwind

  • In AUTO
  • 22. September 2021, 14:01 Uhr
  • Holger Holzer/SP-X
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Selbst große Plug-in-Hybride wie der Bentley Bentayga haben nicht immer einen Schnellladeanschluss Foto: Bentley

Umwelt-Freund oder Steuersparmodell für Besserverdiener? Der Plug-in-Hybridantrieb ist immer wieder in der Kritik. Ein Überblick.  

Der Plug-in-Hybridantrieb gilt als Brücken-Technologie hin zu einem komplett elektrifizierten Auto-Verkehr. Doch um die Tragfähigkeit des Konstrukts gibt es immer wieder Diskussionen. Wie sieht es aktuell mit der Statik aus?  

Welche Arten von PHEVS gibt es?  

Prinzipiell gibt es zwei Sorten von Autos mit Plug-in-Hybrid. Solche, die es einzig mit diesem Antrieb gibt. Und solche, wo die Elektrifizierung lediglich eine von mehreren Optionen ist. Diese Gruppe ist mit Abstand die größte. Rund 70 entsprechende Modelle sind in Europa im Angebot. Reine PHEV-Baureihen hingegen gibt es gerade einmal eine Hand voll. Und zwar ausschließlich bei den Importeuren, darunter Modelle wie den MG EHS, den Suzuki Across und den in Deutschland aktuell nicht angebotene Kia Optima. In diesen Modellen ist der Plug-in-Antrieb ein willkommener Ersatz für den Diesel, der bei asiatischen Marken auch schon vor der Abgas-Skandal nicht besonders populär war. In den gemischten Baureihen wird der Steckdosen-Hybrid hingegen häufig parallel zu den Dieselmodellen angeboten.  

Welche Modelle gibt es als PHEVs?  

Rund 50 der gut 70 in Europa angebotenen Plug-in-Hybride sind SUVs. Die meisten davon kommen von sogenannten Premium-Marken. Neben den deutschen Anbietern Porsche, Mercedes und BMW sind auch Volvo aus Schweden, Land Rover aus England und DS aus Frankreich stark bei Teilzeitstromern. Dazu kommen einige Modelle von Volumenanbietern wie VW, Opel, Ford, Kia, Mitsubishi und Peugeot. In den meisten der Baureihen ist als emissionsarme Alternative auch noch ein Diesel zu haben.  

Was kostet ein PHEV?

Preisliste für PHEVs startet knapp oberhalb von 30.000 Euro. In dieser Liga spielen etwa Autos wie der Hyundai Ioniq, der Renault Captur und der Kia Niro. Vergleichbare Modelle mit reinem Benziner sind jeweils mehrere tausend Euro günstiger. Direkte Vergleiche sind schwierig, da die Plug-in-Hybride meist die leistungsstärksten Optionen sind und zudem mit üppiger Ausstattung daherkommen. Im Gegenzug erhalten Käufer den Umweltbonus von bis zu 6.750 Euro netto. Bezieht man diesen ein, sind die Teilzeitstromer in etwa so teuer wie vergleichbare Modelle mit Diesel. Allerdings gelten die Vergünstigungen nur für Modelle bis 65.000 Euro, die zudem bestimmte Vorgaben bei der elektrischen Reichweite oder dem CO2-Ausstoß erfüllen müssen.  

Wie gut verkaufen sich PHEVs?  

In Deutschland steigen die Zulassungszahlen von Plug-in-Hybriden seit Monaten. Im August lag ihr Marktanteil bei 13 Prozent (25.000 Neuzulassungen), ein Jahr zuvor betrug er noch knapp 7 Prozent (17.100 Neuzulassungen). Bei den reinen Stückzahlen lagen sie lange Zeit vor den E-Autos, mussten diese zuletzt aber vorbeiziehen lassen. Wohl auch, weil das Angebot an reinen Elektromobilen immer größer und attraktiver wird. Europaweit gesehen hatten die PHEVs zuletzt noch die Nase vorn, was Stückzahlen und Zulassungen angeht. In der ersten Jahreshälfte 2020 rollten 537.000 neue Plug-in-Hybride auf die Straße. Die Zahl der reinen E-Autos betrug 492.000. Dem gegenüber standen rund 2,75 Millionen Benziner und 1,28 Millionen Diesel (Daten jeweils für EU, EFTA und UK).  

Wer kauft PHEVs?

Zwei von drei Plug-in-Hybriden in Deutschland werden als Dienstwagen zugelassen. Denn für diese Nutzung sind sie doppelt attraktiv. Zum einen, zahlen Nutzer weniger Steuern, weil für die Berechnung des geldwerten Vorteils im besten Fall nur 0,5 Prozent des Listenpreises herangezogen werden. Zum anderen haben sie gegenüber dem reinen E-Auto, für das identische Steuervorteile gelten, den Vorzug der Unkompliziertheit. Denn weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber müssen sich um eine passende Ladeinfrastruktur sorgen, da der Dienstwagen notfalls wie gewohnt auch mit Sprit fährt.  

Was sind die Vorteile von PHEVs?  

Plug-in-Hybride fahren auf kurzen Strecken emissionsfrei. Für das Pendeln ins Büro und zurück, für den nachmittäglichen Kindertransport oder den Wochenendeinkauf ist ihr Betrieb daher umweltfreundlicher als die Fahrt mit einem Benziner oder Diesel. Gleichzeitig sind sie aber auch gut für lange Strecken geeignet. Ist die Batterie nach 50 bis 100 Kilometern leer, übernimmt einfach der Verbrenner, so dass noch einmal mehrere hundert Kilometer Fahrt möglich sind. Weil dank guter Rekuperation immer etwas Energie in die Batterie zurückgeführt wird, ist der E-Motor auch während dieser Phasen immer wieder aktiv, was den Verbrauch des Gesamtsystems auf das Niveau eines klassischen Hybridantriebs ohne Stromanschluss senkt.  

Was sind die Nachteile von PHEVs?

Das theoretische Sparpotential des Plug-in-Hybriden wird in der Praxis nur selten konsequent gehoben. Laut einer Studie legen die Fahrzeuge europaweit nur 20 Prozent ihrer Wege im reinen E-Betrieb zurück, in Deutschland sind es sogar nur 18 Prozent. Dass die Plug-in-Hybride selten elektrisch gefahren werden, hat vor allem praktische Gründe. Denn weil sich die meisten Hersteller schnelle und teure Bordlader sparen, dauert es oft Stunden, bis die kleinen Akkus an Wallbox oder AC-Ladesäule für ein dann ebenfalls eher kleine Zahl elektrischer Kilometer geladen sind. Eine DC-Schnellladefunktion bieten die meisten Modelle gar nicht erst an. Viele Nutzer sparen sich das Kabel-Gefummel dann lieber ganz. Dazu kommen zwei weitere Nachteile: das höhere Gewicht und das meist geringere Kofferraumvolumen im Vergleich zu einem konventionell motorisierten Pkw. In beiden Fällen ist die zusätzliche Batterie der Grund.  

Gibt es Lösungen für die PHEV-Schwächen?

Neuere Plug-in-Hybride fahren bereits deutlich länger elektrisch als die ersten Generationen. Norm-Reichweiten um die 50 Kilometer sind aktuell Standard, einige Modelle kommen auch rund 100 Kilometer weit, perspektivisch dürften sie sich bei rund 120 Kilometern einpendeln. Auch das schnarchige Ladeverhalten lässt sich technisch beheben. Beides kostet allerdings Geld. Einige Hersteller versuchen daher, alternativ oder parallel, ihre Kunden mit App-Spielen oder Bonuspunkten zum regelmäßigen Strom-Laden anzuregen. Prinzipiell hängt der Klimanutzen der Technik aber weiterhin stark von der Disziplin und den Möglichkeiten der Nutzer ab. Trägheit und Bequemlichkeit sind dort nur schwer zu besiegen.  

Was wollen die PHEV-Kritiker?

Die Kritik an den Plug-in-Hybriden richtet sich vor allem gegen deren Subventionierung. Vergünstigungen für Plug-in-Hybride sollten an harte Kriterien für die elektrische Reichweite, die elektrische Leistung und den Nachweis einer regelmäßigen Lademöglichkeit geknüpft sein, fordern nicht nur Umweltschützer. Doch selbst bei regelmäßigem Laden bleibt der Plug-in-Hybrid immer ein Verbrenner mit CO2-Ausstoß. Die Dekarbonisierung des Verkehrs ist mit ihm nicht zu machen.  

Was will die Politik?  

Die EU-Kommission will ab 2035 nur noch emissionsfreie Neuwagen zulassen. PHEVs wären dann wohl nicht mehr erlaubt. Auch die noch aktuelle Bundesregierung lässt eine gewisse Skepsis gegenüber der Technik erkennen. Zuletzt wurden Pläne bekannt, die Förderbedingungen deutlich strenger zu machen und vor allem größere elektrische Reichweiten vorzuschreiben. Wie es mit dem PHEV-Antrieb wirklich weitergeht, wird sich aber wohl erst nach der Bundestagswahl zeigen. Auch in den europäischen Nachbarländern gibt es noch viel Unklarheit. Allerdings haben einige Großstädte bereits Fahrverbote für Verbrenner angekündigt, was in den meisten Fällen auch die Plug-in-Hybride treffen dürfte.  

Was wollen die Hersteller und Zulieferer?  

Zuletzt hatte sich Mercedes überraschend klar vom Plug-in-Hybrid losgesagt. Die Stuttgarter wollen zumindest künftig keine neuen Antriebe dieser Art mehr entwickeln, die neueste Generation der Technik aber noch in weiteren Modellen auf den Markt bringen. Als Ersatz sollen künftig vollelektrische Varianten in allen Baureihen verfügbar sein. Auch die anderen Hersteller werden wohl diesen Weg gehen - war der Plug-in-Hybrid doch von Anfang an als Brückentechnologie geplant. Die Teilzeitstromer sollten die Lücke füllen, bis ausreichend leistungsfähige und preisgünstige Batterie-E-Autos zur Verfügung stehen. Zumindest in Europa ist der Bedeutungsverlust der Plug-in-Hybriden daher bereits eingeplant und absehbar. Weltweit könnte das aber anders aussehen. Zulieferer ZF hatte erst letztens noch einmal betont, auch nach 2030 noch einen Markt für die Technik zu sehen. Nicht zuletzt in den ländlichen Gebieten der USA und China.  

Soll ich mir noch einen PHEV kaufen?  

Je besser die E-Autos werden, je mehr die Reichweiten steigen und die Preise fallen, desto weniger attraktiv ist der Plug-in-Hybrid. Zumindest für Privatkunden, die nicht von der Dienstwagenbesteuerung profitieren. Um überhaupt einen Vorteil zu haben, müssten sie sich zudem eine private Ladestation organisieren, denn das Laden allein in der Öffentlichkeit ist in der Regel für die langsam tankenden PHEVs keine Option. Und wer sich die Mühe macht, kann sich auch gleich ein richtiges E-Auto kaufen. Natürlich sind aber auch Szenarien denkbar, in denen gerade ein Plug-in-Hybrid sinnvoll ist. Etwa für die Fernbeziehung: Wer über die Woche elektrisch zur Arbeit pendelt und am Wochenende den weit entfernt lebenden Partner besucht, nutzt das Effizienz-Potenzial der Technik optimal aus. Große Ungewissheit herrscht aber noch bei der Restwertentwicklung der Technik. Marktbeobachter wie DAT und Schwacke zeigten sich zuletzt eher pessimistisch, ob sich der Aufpreis gegenüber einem reinen Verbrenner künftig wieder einspielen lässt. Sollte es zudem in einzelnen Städten, Regionen oder Ländern zu ernsthaften Sanktionen gegen Diesel und Benziner kommen, wäre der Plug-in-Hybrid wohl mitbetroffen. 

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