Unternehmen & Märkte

Renault bringt die Kreislaufwirtschaft in Fahrt

img
Die Renault-Fabrik in Flins: Aufbereitung von Gebrauchtwagen. Foto: Autoren-Union Mobilität/Walther Wuttke

In Flins, ohne Stau, was selten der Fall ist, eine gute Stunde von Paris entfernt, werden seit 1952 Automobile der Marke Renault produziert. Seit Jahren stand der älteste Standort des Konzerns, wo aktuell der Nissan Micra und der Renault Zoe produziert werden, mangels ausreichender Auslastung immer wieder zur Disposition - doch jetzt steht die Fabrik für den Aufbruch der französischen Marke in eine neue Zukunft. Und die ist nicht mehr mit der klassischen Produktion von Automobilen verbunden, sondern steht vielmehr für den Aufbruch in Richtung Kreislaufwirtschaft.

Nach und nach wird die Automobilproduktion Aktivitäten weichen, bei denen Nachhaltigkeit im Mittelpunkt steht. Mitten in der französischen Provinz entsteht mit der so genannten Refactory Europas erstes Zentrum für die Kreislaufwirtschaft in der Automobilwirtschaft, und bis 2024 werden diese Aktivitäten die Automobilproduktion ganz ersetzen, um so bis zum Jahr 2030 rund 3000 Arbeitsplätze zu schaffen. ,,Dann wollen wir hier eine negative CO2-Bilanz erreichen", blickt der Fabrikdirektor in die klimaneutrale Zukunft. Aktuell arbeiten in Flins noch 2600 Menschen an den Bändern.

Auf den ersten Blick vermittelt die riesige Anlage (230 Hektar, 67 davon bebaut) wenig Aufbruchstimmung. Sie wirkt vielmehr wie eine in die Jahre gekommene Industrieproduktion - doch hinter den alten Mauern wachsen vier Einheiten, die sich mit der Wiederaufbereitung von Gebrauchtwagen, Batterien, Recycling und der Entwicklung neuer Technologien beschäftigen. Außerdem werden von hier aus weltweit die Maschinen in den einzelnen Standorten kontrolliert und bei Bedarf eingegriffen.

Den größten Raum nimmt aktuell die Fabrik für die Auffrischung von Gebrauchtwagen ein, in der jährlich bis zu 45.000 genutzte Fahrzeuge aufbereitet werden. Sie stammen entweder von Händlern oder von Carsharing-Unternehmen, die so ihre Modelle wieder aufhübschen, um ihnen eine zweite Laufbahn zu verschaffen und sie besser verkaufen zu können. ,,Dabei können unsere Kunden aus vier verschiedenen Stufen wählen. Die Palette reicht von einer Basis-Auffrischung bis zu einer Wiederherstellung des Neuzustands", erklärt ein Renault-Sprecher. Die Kosten liegen ohne Teile bei durchschnittlich 600 bis 900 Euro je Fahrzeug. Der Service wird aktuell vor allem von Flottenbetreibern aus dem Großraum Paris in Anspruch genommen. Vor der Aufbereitung werden die Fahrzeuge zunächst genau auf Schäden untersucht und danach in einer Fabrikhalle für die zweite Laufbahn aufbereitet.

Auch Batterien werden in Flins zusammen mit dem Berliner Start-up Betteries für ein zweites Leben umgerüstet. ,,Ich habe Betteries 2018 gegründet, um Batterien wieder so aufzubereiten, dass sie in einer neuen Situation wieder zum Einsatz kommen können", beschreibt Gründer Rainer Hörig sein Unternehmen. In Flins werden gebrauchte Akkus aus den Renault-Elektroautos demontiert, und die Zellen in neue Module eingebaut, die in batteriebetriebenen Stromgeneratoren eine zweite Laufbahn als Energielieferanten beginnen. Dank des modularen Aufbaus können die Generatoren in Größen von zwei bis 24 Modulen produziert werden. Die seit Mitte Mai zertifizierten Geräte können überall dort eingesetzt werden, wo sonst der Dieselgenerator gestartet werden muss. Rund zehn Jahre, so das Versprechen der Verantwortlichen, können die Generatoren Strom liefern.

Eine Fabrikhalle weiter arbeitet Hyvia an einem Wasserstoffantrieb, der demnächst in leichten Nutzfahrzeugen eingesetzt werden soll. Aktuell ist die Produktionskapazität noch überschaubar, doch die Hyvia-Verantwortlichen rechnen in den kommenden Jahren mit einem Marktanteil von 30 Prozent bei den leichten Nutzfahrzeugen in Europa, und außerdem ,,wollen wir alles aus einer Hand liefern, also vom Wasserstoff über die Brennstoffzelle bis zur Tankstelle einschließlich Elektrolysetechnik". Als erste Fahrzeuge haben die Hyvia-Techniker einen Renault Master sowie einen Klein-Lkw und einen Citybus mit einer Kombination aus Batterie- und Brennstoffzellenantrieb entwickelt. Neben einer 30 kW starken Brennstoffzelle liefert im Master eine 33 kWh leistende Batterie zusätzliche Energie. Diese Technik zeigte Renault bereits im Vision Scénic. Nach 2030 könnte diese Kombination in die Serie gehen.

Die Refactory ist für Renault dabei mehr als die Umwandlung einer in die Jahre gekommenen Fabrik. Zum Konzept gehört auch ein Inkubator, um gemeinsam mit Start-ups und Partnern aus Universitäten neue Technogien zu entwickeln. Dazu gehört auch ein Schulungszentrum, um die Kreislaufwirtschaft weiterzuentwickeln. (Walther Wuttke, cen)

STARTSEITE