Gebrauchtwagen

Kfz-Gebrauchtmarkt unter neuem Gewährleistungsgesetz - Käuferschutz mit Nebenwirkungen

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Der Gebrauchtwagenhandel in Deutschland steht in diesem Jahr vor gleich mehreren neuen Herausforderungen Foto: SP-X

Viele werden es gar nicht mitbekommen haben, doch seit Anfang 2022 genießen Käufer von Gebrauchtwagen ein für sie verbessertes Gewährleistungsrecht. Das bringt allerdings nicht nur Vorteile mit sich.

Geringe Auswahl, hohe Preise - wer sich in den letzten Monaten bei Kfz-Händlern nach Gebrauchtwagen umgeschaut hat, hat auch eine von Engpässen geprägte Marktsituation erlebt. Wer trotz der angespannten Marktlage einen Gebrauchten gekauft hat, wird sich möglicherweise noch über das lange Prozedere um den Kaufvertrag gewundert haben. Hintergrund hierfür ist eine seit 1. Januar 2022 geltende Novelle im Gewährleistungsrecht, die nach zusätzlichen Formalitäten und bürokratischem Mehraufwand verlangt. Zwar profitieren Autokunden von der Gesetzesänderung durch einen erweiterten Käuferschutz, doch zugleich geht die neue Regelung mit einigen auch aus Kundensicht nicht immer wünschenswerten Nebenwirkungen einher.

Der Gebrauchtwagen ist im Vergleich zum Neuwagenkauf stets mit gewissen Risiken behaftet. Größtes Problem: Das Fahrzeug könnte einen Vorschaden haben, der vom Kunden beim Kauf zunächst unerkannt bleibt, dessen Reparatur ihm jedoch später teuer zu stehen kommt. Hier sorgt seit vielen Jahren das Gewährleistungsrecht für einen bereits guten Verbraucherschutz. Dank diesem kann ein vom Käufer festgestellter Mangel dem Verkäufer in Rechnung gestellt werden, weil der Gesetzgeber davon ausgeht, dass ein innerhalb von 6 Monaten auftretender Schaden vor dem Kauf bestanden haben muss. Ist der Verkäufer der Meinung, dieser sei erst nach dem Kauf entstanden, muss er dies beweisen. Bleibt die Frage zur Entstehung strittig, sehen sich die Transaktionspartner nicht selten vor Gericht wieder. Im Rahmen der Gewährleistung, die beim Handel mit Gebrauchten Kfz nach wie vor von 24 auf 12 Monate verkürzt werden kann, setzte bislang nach 6 Monaten die Beweislastumkehr ein, die dem Käufer auferlegt, dem Händler die Existenz des Schadens vor dem Kauf nachzuweisen. Der Beginn dieser Beweislastumkehr wurde mit der zum 1. Januar eingeführten Neuregelung von 6 auf 12 Monate hochgesetzt. Der aus Sicht der Konsumenten und Verbraucherschützer erfreuliche Schritt wurde von Kfz-Händlern naturgemäß weniger enthusiastisch begrüßt.

Zumal die neue Schuld-Rechtsform weitere Besonderheiten mit sich bringt. Ist die Software digitaler Elemente nicht auf dem aktuellen Stand, kann neuerdings auch dies als Sachmangel gewertet werden. Statt wie bisher einfach über die AGB, muss der Verkäufer zudem eine Verkürzung der Gewährleistung von 24 auf 12 Monate nun explizit mit dem Käufer vertraglich vereinbaren. Außerdem sieht die Neuregelung vor, dass ein Übergabeprotokoll vorhanden sein muss.

Dem Händler beschert das reformierte Gewährleistungsrecht einen entsprechenden organisatorischen Mehraufwand, denn inhaltlich muss er sich unter anderem mehr Zeit für die Kaufabwicklung nehmen. So sind im Vertrag einige Unterschriften mehr zu leisten, was der Verkäufer gegenüber dem Kunden erläutern muss. Auch wegen dieser zusätzlichen Bürokratie steht der Bundesverband Freier Kfz-Händler (BVfK) der neuen Regelung kritisch gegenüber. Diese verschlingt nicht nur Zeit, sie schürt nach Ansicht von Ansgar Klein, Geschäftsführender Vorstand des BVfK, außerdem Misstrauen bei Kunden, die durch die neuen Vertragsregelungen geweckt werden. ,,Der Bürokratie- und Erklärungsaufwand ist auf bis zu 1 Stunde angewachsen. Die Kunden haben dafür kein Verständnis", so Klein.

Als nachteilig speziell aus Kundensicht dürften außerdem die aufgrund der neuen Regelung gestiegenen Preise sein. Nach Einschätzung des BVfK lässt sich ein Drittel des Preisanstiegs der jüngeren Zeit auf die Verschärfung der Gewährleistungsfrist zurückführen, da Händler höhere Rücklagen für Gewährleistungsfälle bilden müssen. Konkrete Summen nennt der BVfK keine, die Preisanstiege der vergangenen 12 Monate waren in jedem Fall gewaltig. Laut einer Analyse der Handelsplattform Mobile.de lagen diese im Juli 2022 im Schnitt 23 Prozent höher als ein Jahr zuvor.

Alternativ zur Rücklagenbildung können Händler ihre bisherigen sowie die neuen Risiken durch speziell auf ihre Geschäftsmodell zugeschnittene Versicherungen absichern. Sollte bei einem verkauften Gebrauchtwagen ein Gewährleistungsfall eintreten, wird eine solche Garantieversicherung diesen finanziell abfedern. Für den Händler ist das ein klares Sicherheitsplus. Wenn ein Verkäufer von Gebrauchtwagen mit einer Reihe von Gewährleistungsfällen konfrontiert wird, kann das teuer werden. Die Versicherung macht dieses Risiko also kalkulierbar. Da sich im Gewährleistungsfall der Käufer zudem in der Regel direkt an die Versicherung wenden muss, wird der Autohändler außerdem nicht mit der Klärung strittiger Fragen belastet. Markus Müller, Vorstandsvorsitzender des Garantieversicherers Intec, preist seine Versicherung deshalb gegenüber dem Händler auch als Firewall an.

Allerdings sorgen die Versicherungen bei den Gebrauchten für höhere Preise, die der Händler bereits in seine Kalkulation inkludieren oder als gesonderte Zusatzkosten in dem Vertrag ausweisen kann. Soll das Auto zum Beispiel 10.000 Euro kosten, können noch 645 Euro für das Versicherungspaket bei einer auf ein Jahr verkürzten Gewährleistung hinzukommen. Neben der Garantieversicherung PremiumPlus (550 Euro) kommt ergänzend für 95 Euro noch die Gewährleistungsversicherung SafetyCar hinzu, welche das Risiko der neuen Regelung mitabdeckt. Bei zwei Jahren Gewährleistung würde der Preis für den Gebrauchten durch die sich ergänzenden Versicherungspakete um 465 auf 11.110 Euro steigen. Hier hat der Händler dann auch einen entsprechenden Verhandlungsspielraum, je nachdem, ob der Kunde nun 12 oder 24 Monate Gewährleistung wünscht und entsprechend bereit ist, für diesen zusätzlichen Schutz tiefer in die Tasche zu greifen.

Trotz der Möglichkeit, das gestiegene Risiko mit entsprechenden Versicherungsprodukten zu minimieren, verlagert sich aktuell dank der Neureglung der Handel älterer und meist günstiger Gebrauchtwagen zunehmend ins Privatgeschäft, denn diese sind dank der gestiegenen Gewährleistungsrisiken für Händler kaum mehr attraktiv. Wer hingegen einen Pkw privat veräußert, kann die für Händler verpflichtenden Gewährleistungsansprüche vertraglich ausschließen. Ansgar Klein vom BVfK prognostiziert: ,,Preiswerte Autos wird es nur noch ohne Gewährleistungsrechte im Privat- und Graumarkt geben." Auch Carl Kalmbach, Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Versicherungsrecht, bestätigt, dass bei Händlern bereits stärker selektiert wird: ,,Gebrauchtfahrzeuge, die bislang für den deutschen Markt interessant waren, gehen direkt in den Export. Es dürfte einige Händler geben, die umgeswitcht haben und kein Endkundengeschäft in Deutschland betreiben." Diese Verschiebung bestätigt auch die BVfK: ,,Die Zahl der Händler, die nicht mehr an Endkunden verkaufen, ist deutlich gestiegen", so Vorstand Klein. Was diese Verschiebung für das Preisgefüge auf den Gebrauchtwagenmarkt bedeutet, liegt auf der Hand.

Für den Kunden dürfte die neue Regelung angesichts des qualitativen Aussiebens stärker risikobehafteter Kfz im Gegenzug das Vertrauen in den professionellen Gebrauchtwagenhandelt stärken, denn sie wird auch dazu führen, dass sich hier stärker die Spreu vom Weizen trennt. ,,Händler, die hohe Schadenquoten haben, checken die Fahrzeuge weniger gründlich, was denen irgendwann auf die Füße fällt und diese dann wieder vom Markt verschwinden", so Müller. Laut BVfK lässt sich bislang allerdings keine statistisch relevante Tendenz feststellen, dass die neuen Gewährleistungsregeln auch zu einer höheren Zahl von Geschäftsaufgaben geführt haben.

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