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Impression: Porsche 992 Turbo S Cabrio trifft auf 930 Cabrio - Rasante Windmaschinen

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Zwischen dem Porsche 930 Cabrio und dem Porsche 992 Turbo liegen 35 Jahre Foto: SP-X/Patrick Broich

Vom Porsche 911 Turbo Cabrio der Achtziger gibt es nur wenige hundert europäische Exemplare, während das offene Topmodell heute ganz normal ist im Porsche-Modellprogramm. Zwischen dem 930 Cabrio und dem 992 Turbo liegen 35 Jahre.

Wem in den Sinn kommt, sich ein Porsche Turbo Cabrio der Baureihe 930 zuzulegen, kann sich sicher sein, eine Rarität zu erwerben. Denn viele gibt es nicht. In Europa wurden kaum 500 Stück ausgeliefert, jenseits des Atlantik knapp tausend. Die US-Versionen kamen mit abgespeckter Leistung und nur abgasoptimierten 282 statt voller 300 Pferde. Entsprechend munterer und auch beliebter sind hiesige Ausführungen.

Wer zur offenen Variante greift, möchte die Souveränität des stärksten Antriebs und womöglich auch einfach den Status des Topmodells genießen. Natürlich kann der Elfer im Zweifel immer quer, aber am Turbo fasziniert vor allem der Schub nach vorn. Gerade beim Ur-Turbo ist die Entfaltung der Kraft spannend, denn damals waren Dinge wie variable Turbinengeometrie noch Fremdwörter. Wo kein Abgasstrom, da auch keine Turbopower -- so einfach ist das.

So benimmt sich der 930 im unteren Drehzahlbereich lammfromm, bevor unter voller Last bei Einsatz des Ladedrucks Vorsicht geboten ist. Lieber den Asphalt noch einmal checken (ist er wirklich eben und trocken?) und den Lenkwinkel kontrollieren -- am besten sind geradestehende Räder. Dann festhalten und los. Der 3,3-Liter, obligatorisch beim Cabrio, drückt seine Passagiere brutal in den Sitz. Zwar mögen 300 PS heute nicht mehr gewaltig klingen, aber sie treffen auf lediglich gut 1,4 Tonnen. Kein Wunder, dass der klassische Zuffenhausener nach 5,2 Sekunden (beim Cabrio könnte es eine Nuance länger sein) schon die 100 km/h-Marke erstürmt hat, und ähnlich geht es auch weiter. Vollgas mit Lenkwinkel aus niedrigen Geschwindigkeiten heraus ist nicht ratsam, weil der bärige Turbo gerne mal mit dem Heck schwenkt -- ein nicht ganz leicht zu beherrschender Akt, soll er ohne Kollateralschäden ablaufen.

Der offene 930 ist automobiler Entertainer, Frisurenzerstörer, Magenaufwühler und Spaßmacher zugleich. Nicht so arg seitenhaltträchtige Ledersitze beim Testwagen aus der Klassikabteilung reduzieren den Drang, noch das letzte Quäntchen Kurventempo herauszuholen. Dafür sorgt die Extraportion Innenraum-Sturm für etwas zusätzliches Adrenalin. Fast kommt man vor lauter Frischluft gar nicht dazu, die ästhetischen und selbstverständlich analogen Rundinstrumente zu bewundern - ganz traditionell mit dem Drehzahlmesser in der Mitte, größer als der Tacho.

Diese liegen Porsche auch heute noch so sehr am Herzen, dass sie geblieben sind. Besser könnte die Überleitung zum neuen Modell nicht sein, denn die vergleichende Fahrt mit den 992 beginnt mit einem für ein paar Sekunden andauernden Innehalten nach dem akustisch recht unspektakulären Motorstart. Innehalten und auf das Kombiinstrument blicken nämlich ist angesagt, an dem alle Skalen virtuell sind bis auf eine: Der auch hier mittig angeordnete Tourenzähler besteht wirklich noch aus einer physischen Skala samt mechanischer Nadel.

Um noch einmal ins Gedächtnis zu rufen, was der Turbo ist, muss man vielleicht darlegen, was er nicht ist. Nämlich kein GT3, kein Aufreger in erster Linie, kein Brutalo-Kracher und kein aufdringlicher Proll. Natürlich haben ihm die Ingenieure den Turbo-Spoiler verpasst, doch er hat sich zu einem Bürzelchen zurückentwickelt. Jedenfalls im Stand -- bei hohem Tempo fährt er heraus, um den nötigen Abtrieb zu erzeugen, wenn es gilt, die Querperformance auszuloten.

Im 992 scheint alles so einfach, es gibt kein in der Tendenz unpräzises Fünfgang-Schaltgetriebe wie beim späten 930, sondern nur ein klitzekleines Hebelchen, mit dessen Hilfe das Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe in Bereitschaft versetzt wird. Los geht's! Und so alltags-, ja, sogar reisetauglich, der Top-Elfer sein mag inzwischen, man merkt ihm seine sportlichen Ambitionen dennoch an. Jedes einzelne Steinchen auf dem Asphalt dringt zum Allerwertesten, wenn es die 315er-Schluffen überrollen. Die Bremse packt bissig, ohne dabei schlecht dosierbar zu sein. Langfrequente Straßenunebenheiten pariert der moderne Zuffenhausener dagegen gut, zeigt sogar eine komfortable Note.

Doch wie ist es um die Fahrleistungen, genauer um die Längsbeschleunigung bestellt? Immerhin lässt der 3,7-Liter-Boxer-Sechszylinder im Falle der S-Ausgabe 650 PS auf beide Achsen los. Erst unspektakulär, dann aber mit wenigen Millimetern Gaspedalweg ziemlich dramatisch. Bei den sehr schnellen Saugern wie den GT3-Modellen beispielsweise muss man sich Geschwindigkeit mit der Drehzahl zunächst erarbeiten -- hier kommt sie fast beiläufig. Unter voller Last schmettert der charakteristisch, wenn gar nicht mal über Gebühr laute Boxer das Cabrio mit einer derartigen Wucht auf Tempo und spottet damit jeder Beschreibung. Schließlich fährt er nach 2,8 Sekunden schon 100 und nach unter neun Sekunden sogar bereits 200 Sachen.

Nach einer dynamischen Einlage -- Dämpferverstellung und Hinterachslenkung sind gutes Rüstzeug für maximale Kurvenperformance -- kann man sich dann auch mal der Innenarchitektur widmen, um nüchtern festzustellen: Sämtliche heute wichtigen Infotainment-Features sind vorhanden vom eingebauten Navi über eine Smartphone-Integration bis zur Sprachsteuerung. Auch assistierte Funktionen kann der 992 Turbo, um Unfälle zu vermeiden -- ob autonome Bremsung, Nachtsichtassistent oder Totwinkelwarner.

Ab 244.749 Euro Grundpreis darf man sich im Konfigurator nach Herzenslust austoben und anschließend bestellen. Den Oldie gibt es nicht so einfach.

Um ein gutes 930 Cabrio-Exemplar zu erstehen, braucht es neben dem nötigen Kleingeld auch Geduld. ,,Das Porsche 911 Turbo Cabriolet hat die seltene Karriere vom Mauerblümchen zur gesuchten Rarität geschafft. Als Neu- und Gebrauchtwagen galt es eher als überflüssiges Nischenmodell und wurde als Kuriosität jahrelang nur geringfügig über der deutlich beliebteren Coupé-Version gehandelt. Vor einigen Jahren hat man es dann quasi neu entdeckt und zur gesuchten Rarität hochstilisiert, für die in Spitzenzeiten weit über 200.000 Euro gezahlt wurden. Mittlerweile hat sich der Markt beruhigt, gute Exemplare gibt es schon für rund 130.000 Euro", urteilen die Spezialisten von Classic Analytics. Fein, wenn es für beide Modelle reicht.



Porsche 930 Cabrio - technische Daten:
Supersportwagen als Cabriolet, Bauzeit: 1987 bis 1989, Länge: 4,29 Meter, Breite: 1,78 Meter, Höhe: 1,31 Meter, Radstand: 2,27 Meter
3,3-l-Sechszylinder-Otto-Boxermotor mit Turboaufladung, 221 kW/300 PS, maximales Drehmoment: 430 Nm bei 4.000 U/min., 0-100 km/h: 5,2 s, Vmax: 260 km/h, Fünfgang-Schaltgetriebe
Ehemaliger Neupreis: 156.000 D-Mark
Marktpreis ab ca. 130.000 Euro

Porsche 992 Turbo S Cabriolet - technische Daten:
Roadster, Länge: 4,54 Meter, Breite: 1,90 Meter, Höhe: 1,30 Meter, Radstand: 2,45 Meter
3,7-l-Sechszylinder-Otto-Boxermotor mit zwei Turboladern, 478 kW/650 PS, maximales Drehmoment: 800 Nm bei 2.500 bis 4.000 U/min, 0-100 km/h: 2,8 s, Vmax: 330 km/h, Achtgang-Automatikgetriebe (Doppelkupplung), Durchschnittsverbrauch: 12,1 bis 12,5 l/100 km (WLTP), CO2-Ausstoß: 275 bis 284 g/km, Grundpreis: ab 244.749 Euro

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