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Panorama: Mit Jouley auf dem Schulweg - Klassenfahrt auf der Electric Avenue

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"Jouley" ist der erste elektrische Schulbus der amerikanischen Daimler-Tochter Thomas Built Busses Foto: Thomas Built Buses

Sein Lack ist und bleibt ein leuchtendes Gelb. Doch unter dem charakteristischen Blech wird der amerikanische Schulbus jetzt grün. Denn immer mehr Pennäler starten mit der elektrischen Jouley in den Tag. Gebaut wird sie von einer Daimler-Tochter.

Morgens im sieben ist die Welt im Monroe County neuerdings nicht mehr in Ordnung. Zumindest nicht in jenen Haushalten, in denen schulpflichtige Kinder auf den Bus warten. Denn wo früher das Knurren eines Diesels zum Aufbruch gemahnte und vor dem Zuspätkommen schützte, surrt jetzt immer öfter flüsterleise ,,Jouley" heran, der erste elektrische Schulbus der amerikanischen Daimler-Tochter Thomas Built Busses. Seit drei Jahren setzen die Busbauer aus High Point in North Carolina den gelben Klassiker unter Strom und haben gerade das 200. Exemplar ausgeliefert - natürlich ins Monroe County.

Denn dort leitet Jeff Hauswald die Schullogistik und ist einer der größten Fürsprecher der Mobilitätswende. ,,Was bringt uns denn die beste Bildung für unsere Kinder, wenn sie irgendwann keine lebenswerte Welt mehr haben", argumentiert er für den Klimaschutz. Und billiger als Sprit ist der Strom obendrein, von der Ruhe beim Fahren ganz zu schweigen. Selbst notorische Langschläfer und Trödler kann er beruhigen: Seit sich die Eltern darüber beschwert haben, dass die Busse überhört werden könnten, zeigt eine App die Position der Schulbusse in Echtzeit an, erläutert Hauswald. Und die Kinder scannen beim Ein- und Aussteigen ihren Ausweis, so dass der Bordcomputer des Busses auf Wunsch eine Kurznachricht an die Eltern verschicken kann.

Die Fahrer hat Hauswald ohnehin auf seiner Seite. Denn wer einmal mit Jouley durch die Gegend chauffiert ist, der will von den rappeligen Dieseln aus Detroit nichts mehr wissen. Jetzt wird der Bus angetrieben von einem 295 kW/402 PS starken E-Motor an der Vorderachse und kommt viel flotter in Fahrt. Er beschleunigt besser, er erreicht schneller das Limit und rollt dabei komfortabler dahin - es ist, als würde man von einem ausgelutschten Taxi in eine luxuriöse Limousine wechseln. Nur der Sitzkomfort ist und bleibt bescheiden. Drei Grundschüler pro Bank müssen es schon sein, wenn man auf zwölf Metern Länge bis zu 81 Kinder unterbringen will. Und weil Sicherheit im Schulbus größer geschrieben wird als in jeder anderen Fahrzeugkategorie, mögen die fast senkrechten und bald kopfhohen Polster zwar crashfest sein, aber bequem geht ganz sicher anders - zumindest für Erwachsene.

Die Energie für die lautlose Fahrt liefern Akkublöcke des kalifornischen Zulieferers Proterra, die mit einer Kapazität von 220 kWh eine Reichweite von 138 Meilen oder umgerechnet 228 Kilometern ermöglichen. Ein Witz für einen Überlandbus, und wahrscheinlich sogar im Linienverkehr zu wenig. ,,Doch der Schulbus eignet sich perfekt für die Elektrifizierung", sagt Mario diFoggio, der das Marketing des Herstellers leitet. Denn die Routen sind immer gleich, selten länger als 100 Meilen und zwischen Hin- und Rückweg haben die Busse immer einen Schultag Pause, in der sie spielend wieder geladen werden können. Da reichen auch die 90 kW-Ladeleistung. Denn damit dauert der Stopp gut zwei Stunden; an der 60-kW-Buchse gönnt sich der gelbe Riese sogar nochmal ein Stündchen mehr.

Das Potential hat offenbar auch die Regierung erkannt und ein entsprechendes Förderprogramm aufgelegt: Mit fünf Milliarden Dollar sponsert sie die Umrüstung der gelben Flotte, sagt diFoggio und stöhnt, dass seine Kollegen in High Point deshalb kaum mit der Produktion hinterher kämen. Wie alle anderen Elektrofahrzeuge auch, hat Jouley deshalb schier endlose Lieferfristen. Und bei den zwei großen US-Konkurrenten sieht es kaum anders aus.

Was nach Nische klingt, ist in Wahrheit ein gigantischer Markt. Weil Schulbezirke wie Los Angeles allein rund 3.000 Busse in der Flotte haben, fahren in den USA für die 26 Millionen Schüler insgesamt rund eine halbe Million Yellow Busses, sagt diFoggio und nennt das die größte Flotte im öffentlichen Nahverkehr weltweit. Und eine der ältesten ist sie obendrein. Denn schon kurz, nachdem 1850 erst Staaten wie Massachusetts und danach das gesamte Land die Schulpflicht eingeführt hatten, erkannten die Politiker, dass sie auch irgendwie für den Schulweg sorgen müssen. Erst mit Kutschen, dann mit umgebauten, von Pferden gezogenen Straßenbahnen und dann eben mit Bussen, für die seit 1930 neben zahlreichen anderen Regelungen die Einheitsfarbe ,,National Schoolbus Cream Yellow" gilt. Seitdem ist der amerikanische Schulbus zusammen mit dem New Yorker Taxi und dem von den Beatles besungenen Submarine wahrscheinlich das berühmteste gelbe Fahrzeug der Welt.

Und bald also auch eines der saubersten. Denn Amerika lässt sich die Umstellung einiges kosten. Natürlich weiß auch Hauswald, dass es die Mobilitätswende auf dem Schulhof nicht umsonst gibt. Schließlich zahlt er statt 100.000 etwa 300.000 Dollar pro Bus und muss für jeden seiner 150 Schulbusse neue Carports mit Solarzellen bauen und Ladesäulen auf dem Parkplatz installieren. ,,Aber erstens sollten wir uns die Rettung des Klimas schon etwas kosten lassen", sagt der Bildungsbeamte, und zweitens kann man sich die Klassenfahrt auf der Electric Avenue auch schön rechnen. Die zwei Mitarbeiter, die bislang allein mit dem Ölwechsel bei den Schulbussen beschäftigt waren, kann Hauswald jetzt schließlich anderweitig einsetzen, und in den langen Sommerferien verdient Jouley sogar Geld. Denn während die Schüler daheimbleiben, stehen die Busse im Depot und werden als Pufferspeicher an den lokalen Energieversorger vermietet, erzählt der Politiker, der lieber heute als morgen alle seine 150 Busse umstellen möchte. ,,Auf lange Sicht macht sich Jouley ja von ganz alleine bezahlt."

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