Oldtimer

Concours d'Elegance auf Amelia Island - Familienfest der Oldtimer-Elite

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Viele Klassiker, darunter ein Voisin C25 aus dem Jahr 1935, wurden in diesem Jahr wieder auf Amelia Island präsentiert Foto: SP-X/Benjamin Bessinger

Es gibt größere Oldtimern-Veranstaltungen und welche mit mehr Drumherum. Doch kein Concours ist feiner und familiärer als der von Amelia Island. Allerdings hat sich dieser Reiz offenbar nicht überall herumgesprochen.

Nur nicht hetzen. Erst recht nicht an einem Sonntagmorgen. Auch wenn draußen auf dem Rasen gleich Hochbetrieb herrscht auf dem Boulevard der Eitelkeiten, lassen sich die Hauptdarsteller nicht antreiben. Erst mal einen Kaffee trinken und ein paar Minuten in der Sonne sitzen und dann ganz gemütlich Richtung Garage gehen: Während es in einem halben Jahr in Pebble Beach am Concours-Sonntag auf dem heiligen Rasen am 18. Loch schon vor Sonnenaufgang so hektisch zugeht wie in einem Bienenstock und die Zufahrt über den 17-Miles-Drive während der Dawnpatrol so betriebsam ist wie eine Ameisenstraße, lassen sie es hier auf Amelia Island sehr viel gelassener angehen.

Um sechs Uhr herrschen noch Ruhe und Frieden auf den Green vor dem Ritz Carlton-Hotel, um sieben kommt so langsam Leben in die Leute und um acht Uhr schließen sich die Reihen der Klassiker und die Besitzer zupfen die letzten Grashalme aus dem Profil, pusten die Fusseln vom Verdeck und polieren den Morgentau vom Blech. Aber wo sich in Pebble Beach spätestens um Neun so viele Menschen über den Rasen schieben, dass den Greenkeepern angst und bange um den nächsten Abschlag am Montag wird, ist es hier den ganzen Vormittag über wunderbar luftig. Kein anderer Concours ist so klein und so fein und vor allem so familiär wie der von Amelia Island.

Dabei ist der Schönheitswettbewerb, der fern von Eis, Schnee und vor allem Streusalz traditionell den sonnigen Auftakt in die Oldtimersaison markiert, nicht weniger prominent und nicht weniger gut besetzt. In Gegenteil: Über 200 Klassiker stehen hier in einem Dutzend Kategorien auf dem Rasen und in vielen davon konkurrieren Klassiker, die man auch aus Pebble Beach, von der Villa d'Este am Comer See oder aus Goodwood kennt. Nicht umsonst hat der Siegerwagen, ein spektakulärer Voisin C25 aus dem Jahr 1935, vor gut zehn Jahren auch schon den ,,Best of Show"-Titel an der Pazifikküste eingefahren.

Aber während Pebble Beach mittlerweile zur Monterey Car Week angewachsen ist und vielen noch vor jeder Motorshow als das weltweit wichtigste Auto-Event gilt, ist der Concours auf Amelia Island ein Freundesfest im engsten Familienkreis. Wer hier nicht ohnehin sein eigenes Wochenendhaus hat oder mal eben mit dem Privatjet einfliegt, der wohnt im selben Hotel wie alle anderen, man trifft sich in einer Handvoll Restaurants und flaniert gemeinsam von einem Auktionszelt zum nächsten Autotreffen. Denn auch wenn sich hier und heute alles um Autos dreht, ist der Concours der vielleicht einzige, der wirklich als Fußgänger zu bewältigen ist.

Wie fast alle Concorsi beginnt auch Amelia Island mit einer kleinen Ausfahrt. Schließlich ist nicht nur der möglichst originale Erhaltungszustand zu bewerten, sondern auch die Funktionstüchtigkeit. Während millionenschwere Klassiker durch Alleen moosbehangener Bäume ins verträumte Fernandina Beach flanieren und parallel zum Atlantikstrand zurückkommen, treffen sich die Petrolheads auf dem Rasen zu Cars & Coffeine und schwelgen in Benzingesprächen. Auf der anderen Seite der Straße buhlen die schlimmsten Rostlauben und Fehlkonstruktionen um Aufmerksamkeit, weil es ohne einen ,,Concours des Lemons" nicht mehr geht bei einer solchen Veranstaltung.

In den Zelten von RM Sotheby's oder Goodings fällt bei den Auto-Auktionen der Hammer im Minutentakt - und zeigt, wie vital die Szene gerade ist. Denn während sich die modernen Autos radikal wandeln und keiner zu prognostizieren wagt, ob die Liebe nicht abkühlt, stehen Klassiker offenbar höher im Kurs denn je: Nachdem schon vor ein paar Tagen bei der Auction Week in Scottsdale mehr erlöst wurde als je zuvor, hat auch Amelia Island ein Allzeit-Hoch erzielt, sagt Marktbeobachter Frank Wilke von Classic Analytics: Er beziffert den Gesamterlös auf unerreichte 178 Millionen und den Durchschnittspreis mit 455.000 Dollar. Einen gehörigen Anteil daran hat ein Ferrari 250GT SWB California Spider, der mit einem Preis von 18 Millionen Dollar zum teuersten je in Amelia Island versteigerten Oldtimer aufsteigt.

Wie viel Musik in der Veranstaltung ist, haben längst auch viele Hersteller erkannt. Hier, wo finanzstarke und autobegeisterte Menschen zusammenkommen, wo die Laune gut ist und das Geld locker sitzt, parken deshalb zwischen den Klassikern immer wieder ein paar Neuwagen. ,,Nur wenn wir genügend neue Autos verkaufen, können wir uns die Klassik leisten", sagt BMW-Classic-Chef Helmut Käs in ungewöhnlicher Offenheit. Deshalb feiern die Bayern hier eben nicht nur dem letzten 507, der vor 64 Jahren die Fabrik verlassen hat, und den 3.0 CSL, mit dem vor 51 Jahren die Geschichte der M GmbH begann. Sie zelebrieren auf dem Rasen auch die Premiere der überabeiteten US-Bestseller X5 und X6 samt der jeweiligen M-Versionen. Und ein paar Reihen weiter stehen Porsche mit dem neuen 911 Dakar, McLaren oder Rolls-Royce. Und selbst VW Nutzfahrzeuge hat zur Einstimmung auf die lang erwartete US-Premiere des ID. Buzz ein paar wunderbare T2 aus Deutschland über den Atlantik geschickt.

Nur Mercedes, immerhin der Erfinder der Autos, seit dem Verkauf des Uhlenhaut-Coupés für 135 Millionen die Marke mit dem wertvollsten Gebrauchtwagen der Welt und sonst überall eine dominierende Größe in der Oldtimerszene, ist hier hoffnungslos unterrepräsentiert. Aus dem hauseigenen Classic Center in Long Beach in Kalifornien oder gar aus dem Museum in Stuttgart ist offiziell keiner nach Florida gekommen. Die Chance, hier ein paar Maybach oder AMG-Modelle loszuschlagen, lassen die Schwaben verstreichen, und so richtig viele Sterne stechen auch aus dem Teilnehmerfeld nicht heraus. Nicht, dass man nicht schon genügen Flügeltürer gesehen hätte. Aber normal ist die Verteilung hier nicht.

Aber es sind nicht nur Autos für Petrolheads, die hier ausgestellt werden. Auch die neue Zeit hat längst Einzug gehalten und es gibt deshalb immer mehr Elektroautos zu sehen - natürlich nur welche, die wie der feudale Rolls-Royce-Konkurrent Cadillac Celestiq, der brachiale Hummer EV oder der luftige Polestar Roadster eine automobile Leidenschaft ausdrücken. Nur, dass solche Autos hier in 20, 30 oder 50 Jahren mal als Klassiker auf den Rasen stehen, das mag man sich nur schwer vorstellen - anwesende Designer der jeweiligen E-Modelle natürlich ausgenommen.

Zumindest an diesem Wochenende will von der E-Mobilität hier auf dem Rasen kaum einer etwas wissen, sondern nur dem mehr oder minder rhythmischen Schnaufen oder Stampfen, Knattern oder Rattern, Bollern oder Brüllen der Motoren lauschen. Und mit weit geöffneten Nasenflügeln ziehen sie hier den Duft von unverbranntem Benzin, heißem Motoröl und offenporigem Leder ein. Am nächsten Tag, da sieht allerdings wieder alles ganz anders aus auf dem Rasen aus und die Elektromobilität gewinnt zumindest im Kleinen schon mal die Oberhand - wenn die Klassiker im Hänger gen Heimat gekarrt werden und stattdessen die Golfcarts übers Green surren.

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