Politik & Verkehr

,,e-Fuels only"-Fahrzeuge: Bekommen wir ein Verbrennerverbot light?

img
Volker Wissing. Foto: Autoren-Union Mobilität/Bundesverkehrsministerium/Laurence Chaperon

Das Ergebnis war wieder mal eindeutig: Drei von vier Deutschen sind gegen das Verbot des Verbrennungsmotor. Der Grüne Anton Hofreiter fand die Zahlen der Umfrage im Morgenmagazin von ARD und ZDF am Freitagmorgen nicht überraschend. Die Menschen wehrten sich, wenn sie persönlich vom Klimaschutz betroffen seien. Hofreiter steht immer noch hinter dem Brüsseler Beschluss für Kleintransporter und Pkw: keine Emissionen von CO2. Sein Ampelkollege Volker Wissing (FDP) sieht das anders und schafft es, die harte EU-Linie aufzuweichen.

Für Montag dieser Woche hatte der tschechische Verkehrsminister Martin Kupka seine Kollegen nach Straßburg eingeladen, um über die Verkehrspolitik der Zukunft und besonders über die deutsche Blockade des sogenannten Verbrennerverbots zu sprechen. Neben Deutschland äußerten inzwischen auch andere europäischen Staaten wie Bulgarien und Italien ihre Zweifel an dem einseitigen Vorgehen.

Hier liegt das Problem: Die EU sieht in ihren Vorschriften vor, dass die Antriebe von Kleintransportern und Personenwagen ,,emissionsfrei" arbeiten müssen. Dabei zählt nur die Emission vor Ort. Die Rohstoffgewinnung, der Bau, die Stromerzeugung und das Recycling bleiben unberücksichtigt. ,,Emissionsfrei" funktioniert heute nur mit Strom aus der Batterie oder der Brennstoffzelle.

Hofreiter sprach im Morgenmagazin übrigens auch vom Motor, der Wasserstoff direkt verarbeitet. Den nannte er ,,emissionsfrei". Dabei handelt es sich um einen Verbrennungsmotor, der in der Tat kein CO2, dafür aber andere Stoffe emittiert, also im Sinne der Regeln eigentlich nicht als emissionsfrei durchgehen kann.

Der eigentliche Konflikt liegt aber anderswo, was an den synthetischen Kraftstoffen, den so genannten e-Fuels, gut demonstrierbar ist. Für die wird CO2 aus der Luft in einem chemischen Prozess unter Einsatz von viel Energie in Kraftstoff für Verbrenner umgewandelt. Die emittieren nach der Verbrennung das CO2, das für ihre Herstellung verwendet wurde. Diese Kraftstoffe ändern also nichts am CO2-Gehalt unserer Atmosphäre, sie verschlechtern aber auch nichts. Deswegen gelten sie als klimaneutral.

So wollen die e-Fuel-Alliance, der Bundesverband mittelständischer Mineralölunternehmen Uniti, der Verband der Automobilhersteller und - laut Koalitionsvertrag - auch die Bundesregierung in der europäischen Gesetzgebung den Begriff ,,emissionsfrei" ergänzen um den zweiten Begriff ,,klimaneutral". Die Ampel hatte dazu formuliert, ab 2035 sollten ,,nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge zugelassen" werden.

Aus einem uns vorliegenden Schreiben aus dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr an das Büro des Europäischen Vizepräsidenten Frans Timmermans wird klar, dass mit der Ankündigung der Blockade durch Wissing, Bewegung in die Sache kam. Man suche gemeinsam nach einer ,,Perspektive für ,e-Fuels only'-Fahrzeuge". Weiter heißt es in dem Brief vielversprechend: ,,Wir begrüßen Ihren Vorschlag, zeitnah eine eigene Fahrzeugkategorie für ,e-Fuels only'-Fahrzeuge zu schaffen." Wissings Haus hofft nun auf eine Erklärung der Europäischen Kommission rechtzeitig vor der endgültigen Abstimmung.

Jetzt geht es offenbar um die rechtliche Einbindung der neuen Fahrzeug-Kategorie. Das Bundesministerium sucht einen schnellen Weg durch sonst langwierige europäische Verfahren und schlägt deswegen vor, die neue Regelung über die Novellierung einer bestehenden einzurichten. So könnte die Abgasvorschrift Euro VI ergänzt werden um ,,e-Fuels only"-Fahrzeuge.

Ralf Diemer, der Bundesgeschäftsführer der e-Fuel-Allianz erläuterte jetzt dazu: ,,Die CO2-Minderungsziele oder die grundsätzliche Regulierungssystematik müssen dabei nicht zwingend neu verhandelt werden. Ein Second Reading könnte innerhalb von zwei bis drei Monaten abgeschlossen sein." Am Ende könnte die Regelung also lauten: Ab 2035 nur noch Antriebe, die emissionsfrei oder mir klimaneutralen Kraftstoffen betrieben werden.

Ürbigens: Damit würden die Kleintransporter und die Personenwagen gleichziehen mit Lkw, Schiffen und Flugzeugen, denen Brüssel längst klimaneutrale Kraftstoffe und deren Anrechnung zugestanden hat.

Der Weg bis 2035 muss auch bei den Autos mit Verbrennungsmotoren zu CO2-Einsparungen führen. Das kann analog zu den Verfahren mit den heute üblichen CO2-sparenden Beimengungen bei E5 und E10 geschehen. Jeder Liter e-Fuel, der irgendwo in der Welt getankt wird, ersetzt einen Liter fossilen Kraftstoff, ist also gut fürs Klima.

Dieser Effekt muss aber auch lokal nachvollziehbar sein und auf die verschiedenen Bonus- und Malussysteme angerechnet werden können. Zum Beispiel hält Diemer deswegen die Einführung einer Nachweispflicht für die Nutzung erneuerbarer Kraftstoffe für notwendig. Die Allianz bevorzugt dafür bilanzielle Lösungen, die nicht mit hohem technischen und bürokratischen Aufwand verbunden wären. Diemer: ,,Letztlich ist es gleichgültig, welches konkrete Fahrzeug mit e-Fuels fährt. Entscheidend ist, dass der berechnete Anteil an e-Fuels in den Markt gebracht und fossile Kraftstoffe ersetzt werden."

Experten gehen davon aus, dass ein Kompromiss der Kommission solche Crediting-Systeme und Anrechnungsverfahren für Kraftstoffanbieter, den Flottenemissionswert der Hersteller und das einzelne Auto enthalten muss. Mittels ,,Crediting System" soll nachgewiesen werden, dass genügend zusätzliche erneuerbare Kraftstoffe in den Markt gebracht worden sind, die den CO2-Fußabdruck eines Fahrzeugs über die Laufzeit komplett kompensieren können.

Ein Korrekturfaktor (Carbon Correction Factor) berücksichtigt den Anteil, der im Markt bereits befindlichen erneuerbaren Kraftstoffe. ,,Der Faktor ist aufgrund der langjährigen Nutzung von CO2-ärmeren Biokraftstoffen ohnehin überfällig", so Diemer. ,,Egal ob Euro 7 oder CO2-Flottenregulierung - ein solches Nachweissystem wäre notwendig, um die Nutzung erneuerbarer Kraftstoffe nachzuweisen."

Damit sind die Erwartungen der Verbandsseite benannt. Sie werden in der laufenden Diskussion in Brüssel sicher eine Rolle spielen. Volker Wissung bittet dafür jedenfalls um ,,einen ambitionierten und verbindlichen Zeitplan". Der Zeitdruck kommt nicht allein von ihm, sondern auch aus der öffentlichen Diskussion. Wissing kann jetzt immer darauf verweisen, jeder Tag ohne e-Fuels ist ein schlechter Tag fürs Klima.

Außerdem wird auch an dem hartgesottensten Politiker der Stil der Anfeindungen nicht schmerzlos vorübergehen. Vielleicht reicht es ihm als Genugtuung, wenn Anton Hofreiter sich umorientieren muss. Die 75 Prozent der deutschen Autofahrer werden die e-Fuels-only-Lösung erleichtert zur Kenntnis nehmen. Sie werden nicht schon wieder enteignet oder bevormundet. Man wird sehen, wie Timmermans agiert. (cen/Peter Schwerdtmann)

STARTSEITE