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Sonst noch was? - Absolut relativ falsch

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  • 17. September 2023, 11:34 Uhr
  • Günter Weigel/SP-X
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Sonst noch was? Foto: SPX

Mit Statistiken lässt sich allerlei Schindluder treiben, vor allem wenn man nur oberflächlich hinschaut oder die Zahlen nicht versteht.

Dieser Tage lobten die Sprachexperten von ,,Wortliga" die Bild Zeitung, weil sie anders als die allermeisten Nachrichtenmedien in Deutschland einfache Sprache anwende, die auch Menschen verstehen, die des Deutschen nicht völlig mächtig sind. Damit erfülle sie die Vorgaben des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes, das ab 2025 gilt. Das freut uns für die Kollegen.

Nach Schreiben und Lesen gehört Rechnen zu den Kernkompetenzen, die im Leben hilfreich sind. An der Stelle hapert es allerdings ein wenig. Das fiel dem Team von ,,Übermedien" auf, als die Pressestelle des Bundesverkehrsministeriums zum Prahlen nach Zahlen eine Meldung der Bild als Grundlage nahm. Diese hatte Daten des Kraftfahrtbundesamtes ausgewertet und war zu dem Ergebnis gekommen, dass immer mehr junge Menschen ein Auto besitzen würden. Logische Schlussfolgerung: Das Auto bleibt so beliebt wie eh und je.  

Das gefiel natürlich Wissings PR-Team, das die frohe Botschaft gleich übernahm und eine eigene Grafik erstellte. Laut KBA besitzen 188 von 1.000 jungen Menschen im Alter zwischen von 18 bis 24 ein Auto, im Jahr 2016 waren es nur 164. Allerdings waren die Bild-Statistikexperten etwas ungenau in der Schlussfolgerung, die da hieß, ,,Immer mehr junge Menschen besitzen ein Auto".

Das ist nämlich absolut gesehen falsch. Weil es nämlich tatsächlich in Deutschland immer weniger Menschen in der Altersgruppe gibt, sinkt auch die absolute Zahl der jungen Autobesitzer, während ihre relative Zahl durchaus steigen kann.

Tatsächlich zählte das KBA zum Jahreswechsel 1,08 Millionen junge Autobesitzer, in den Vorjahren waren es jeweils 1,15 Millionen, was unter Mathematikern als die größere Zahl durchgehen dürfte. Derlei Petitessen störten das Verkehrsministerium nicht. Auf dem ehemaligen Twitter-Dings, das heute ,,X" heißt, wurde munter die Grafik mit den Relativangaben gepostet und im Text dazu erklärt: ,,Gab es 2016 164.000 junge Autohalter, sind es in 2022 ganze 188.000 - ein absoluter Rekord." Um es in einfacher Sprache zu sagen: Das ist falsch! Nicht richtig! Blödsinn!

Wenn uns nicht alles täuscht, gehört das Kraftfahrtbundesamt doch organisatorisch zum Verkehrsministerium. Da fragen wir uns schon, warum man dann eine Bild-Grafik auf Basis falsch verstandener KBA-Zahlen aus purer Freude am falschen Ergebnis nochmals weiterdreht und damit weiter verfälscht und sich nicht einfach die richtigen Zahlen von der unterstellten Behörde liefern und zur Sicherheit noch erklären lässt.

Übrigens hat das Ministerium seinem Tweet zwischenzeitlich korrigiert. Es fiel auf, dass eine Säule im Diagramm versehentlich die Zahl des Jahres 2021 statt 2020 trug. So viel Sorgfalt muss wohl schon sein. Den Rest hat erstmal niemand bemerkt. Inzwischen wohl doch. Man muss nur lange genug darauf hingewiesen werden. Sonst noch was? Nächste Woche wieder.

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