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Impression: Rolls-Royce Silver Spur trifft auf Rolls-Royce Ghost - Limousinen auf höchstem Niveau

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Auch von hinten schön und impossant anzusehen Foto: SP-X/Patrick Broich

Zwischen dem Rolls-Royce Silver Spirit respektive Spur und der zweiten Ghost-Generation liegen ziemlich genau vierzig Jahre. Zeit für ein Generationentreffen.

Glaubt man Wikipedia, dann ist der Nachfolger des Rolls-Royce Ghost der Phantom VII. Sorry, liebes Wikipedia -- und mit Verlaub --, das ist Unsinn. Der Phantom ist seit den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts das absolute Topmodell, das in der Rolls-Royce-Hierarchie unangefochten auf dem ersten Platz rangiert und wurde bis 1991 gebaut.

Der im Jahr 1980 (da befand sich der Phantom VI gerade in der Mitte seines Lebens) eingeführte Silver Spirit wurde als Nachfolger des mittlerweile ebenfalls zur Legende gereiften Silver Shadow installiert. Die ,,kleine" Baureihe ist natürlich alles andere als klein. Mit stattlichen 5,27 Längenmetern steht da ein gewaltiges Luxusauto, vor allem in Anbetracht des zeitlichen Kontextes. Die im gleichen Jahr neu eingeführte S-Klasse von Mercedes maß bloß 4,995 Meter.

Heutzutage sind die Dimensionen andere. Eine S-Klasse mit Basisradstand misst bereits 5,18 Meter, reicht also schon fast an den damaligen Silver Spirit heran, während dessen legitimer Nachfolger Ghost auf ziemlich verrückte 5,55 Meter kommt. Für ein Generationentreffen haben die beiden Luxusliner Silver Spirit und Ghost zusammengefunden. Genauer gesagt: in diesem Fall Silver Spur, die um zehn Zentimeter gestreckte Version. Während Rolls-Royce ein Fahrzeug aus dem firmeneigenen Fuhrpark abzweigen konnte für das Treffen, hat sich der Carsharing-Club Automobile Meilensteine aus Frankfurt bereit erklärt, den Oldie beizusteuern.

Wenn man in den einschlägigen Internet-Börsen schaut, traut man fast seinen Augen nicht. Da werden ganz passabel aussehende Silver Sprits oder Spurs für unter 15.000 Euro gehandelt. Doch hier ist Vorsicht geboten. Wer sich mit der Materie kaum auskennt und ein weniger gepflegtes Exemplar erwischt, muss mit teuren Folgekosten rechnen. Vor allen die Hydraulik ist ein neuralgischer Punkt beim Silver Spirit. Der Tausch von Dichtungen und Schläuchen ist da noch die harmlose Variante. Wenn es an die Druckspeicherkugeln geht, wird es hoch vierstellig. Zumal auch die Bremsen an der Hydraulik hängen - und ohne wird es schwierig. Tim Hallas, einer der Mitbegründer der Automobilen Meilensteine, weiß, wovon er redet: ,,Es gibt keine Werkstattrechnungen, die dreistellig sind", sagt er.

Eine Runde mit dem Silver Spirit zu drehen, macht allerdings Spaß. Der große Viertürer mit den zeitgeisttypischen Breitbandscheinwerfern bringt seine Fahrgäste derartig kommod an jegliches Ziel, dass diese meist gar nicht mehr aussteigen möchten. Aber am schönsten ist der Platz vorn links. Das Kommando über den 6,75 Liter großen Achtzylinder zu haben, ist eine feine Sache - schön mit Blick auf die Spirit of Ecstasy, die sich beim Beschleunigen immerzu sanft erhebt. Rolls-Royce selbst gibt die Leistung immer mit ,,genügend" an -- da ist etwas dran. Sie wird, je nach Ausführung, übrigens auf um die 200 bis 240 PS taxiert. Der lediglich säuselnde und keineswegs bollernde Achtender - hier schon mit der Bosch-K-Jetronic - ist ein Drehmoment-Monster, schiebt mächtig aus den Niederungen des Drehzahlkellers und ist an Souveränität kaum zu überbieten.

Natürlich ist der fast vier Jahrzehnte alte Brite nicht mehr schnell nach heutigen Maßstäben. Aber er wirkt so kraftvoll, weil er unten herum schon wuchtig anpackt mit geschätzten 450 Newtonmetern. Mit Richtgeschwindigkeit über die Autobahn cruisen, fühlt sich schon sehr zügig an, obwohl der Spirit auch 200 km/h schafft. Und zirkelt man die Limousine mit dem leichtgängigen, fast schon fragil wirkenden Lenkrad durch Kehren, ist Vorsicht angesagt. Querperformance ist hier eine unbekannte Eigenschaft. Dafür verwöhnt er seine Fahrgäste mit außergewöhnlich gutem Federungskomfort. Insbesondere hinten lässt es sich bequem reisen, und man kann sogar ein bisschen arbeiten auf den Wurzelholz-Tischchen, während die üppigen Clubsessel dem Allerwertesten schmeicheln. Und so antiquiert der feudale 2,3-Tonner erscheinen mag mit der alten Dreigang-Automatik - es gibt auch moderne Elemente. Das Antiblockiersystem ist ebenso am Start wie später auch der Katalysator.

Umstieg in den aktuellen Ghost. Wenn man sich in diesem modernen Rolls-Royce niederlässt, springt einen der Überfluss nur so an. Auch wenn die ledernen Clubsessel im Spirit ähnlich gelagert sind von der Art, wenn die Wurzelholztäfelungen verschwenderisch sind, der Ghost setzt noch zwei obendrauf. Dabei ist es nicht bloß das großzügig eingesetzte polierte Holz im Interieur, das fasziniert. Es ist die schiere Qualität; allein, wie schwer sich die Drehschalter für die Temperaturregelung anfühlen. Und dann die nobel anmutenden Klavierlackoberflächen, in die auf Beifahrerhöhe auch noch kleine illuminierte Sterne eingebracht sind. Gefühlt eine ganze Galaxie findet sich übrigens sich am nächtlichen Dachhimmel.

Der Start des neuen V12 ist kaum zu hören. Es murmelt zwar vernehmlich, aber doch sehr gedämpft aus Richtung Bug. Dann Fahrstufe ,,D" und los. Der Ghost ist nicht nur unbeschreiblich komfortabel, sondern auch noch ziemlich dynamisch. Zugegeben, Höchstleistung scheint nicht im Lastenheft gestanden zu haben. Natürlich hätte man auch über 600 PS aus dem per Doppelturbo beflügelten Flüstertriebwerk kitzeln können, aber 571 Pferdchen genügen, um es im alten Markenjargon auszudrücken. Und wie die genügen, der neuerdings sogar mit Allrad ausgerüstete Ghost schiebt urgewaltig an dank 800 Newtonmetern schon ab 1.600 Touren.

Wenn das mechanische Powermeter auf die 100-Prozent-Marke schnellt, entwickelt der moderne Direkteinspritzer ein energisch-metallisches Timbre und pfeffert den Luxusliner mit den gegenläufig öffnenden Türen binnen 4,8 Sekunden auf 100 km/h. Interessant ist, dass Rolls-Royce keine Fahrprogramme anbietet - das einzig richtige Programm des Ghost soll sein, schlechte Wegstrecken mit seiner Luftfederung so wattig zu überrollen, wie es die Lambswool-Teppiche im Wagen sind. Funktioniert sogar gut, nicht zuletzt, weil eine Kamera den Untergrund erfasst, auswertet und die Ergebnisse an das Elektronikhirn des Fahrwerks sendet. Als weiteres technisches Schmankerl geben die Ingenieure dem edlen Gefährt noch eine wendekreisverkleinernde Allradlenkung auf den Weg.

Zum Abschluss geht es aber noch einmal in den Silver Spirit, wo das Fahrgeschehen ein wenig gemächlicher und zwei Nummern weniger abgeschottet vonstattengeht. Welche Wahl generell die richtige ist - Spirit oder Ghost -, entscheidet natürlich auch der Geldbeutel. Ja, der Spirit ist wartungsintensiv, wie auch Frank Wilke aus dem Hause Classic Car Analytics erklärt. Er weist darauf hin, dass der günstige Einstieg insbesondere mit den frühen Vergaser-Modellen bloß die Eintrittskarte in den teuren Club sei. Selbst hervorragende Modelle kosteten selten mehr als 30.000 Euro. Allerdings lägen die Ersatzteilpreise auf Topniveau, führt er aus. Er empfiehlt daher, beim Kauf lieber auf eine geringe Kilometerlaufleistung zu achten sowie auf eine gute Servicegeschichte denn auf eine rostfreie Karosserie. Auch lange Standzeiten seien nicht gut für Bremse und Hydraulik. Über solche Kosten können Ghost-Fahrer natürlich nur müde lächeln. Der belastet das Konto nämlich bereits mit 317.135 Euro in Grundausstattung. Dafür bekommen Spirit- oder Spur-Interessenten nicht nur ein Auto im Spitzenzustand, sondern viele Werkstattstunden on top plus Kraftstoff für die gesamte Lebensdauer.



Rolls-Royce Silver Spirit (Spur) - technische Daten:
Viertürige Limousine der Luxusklasse, Bauzeit: 1980 bis 1998, Länge: 5,27 (Spur: 5,37) Meter, Breite: 1,89 Meter, Höhe: 1,49 Meter, Radstand: 3,06 (Spur 3,16) Meter
6,75-l-V-Achtzylinder-Ottomotor, Hinterradantrieb, 177 kW/240 PS (geschätzt), maximales Drehmoment: 450 Nm (geschätzt), 0-100 km/h: 10,0 s, Vmax: etwa 200 km/h, Dreigang-Wandlerautomatik
Neupreis Rolls-Royce Silver Spirit (1981): ab 253.348 D-Mark

Rolls-Royce Ghost - technische Daten:
Viertürige Limousine der Luxusklasse, Länge: 5,55 Meter, Breite: 1,98 Meter, Höhe: 1,57 Meter, Radstand: 3,30 Meter
6,6-l-V-Zwölfzylinder-Ottomotor mit Direkteinspritzung und doppelter Turboaufladung, Allradantrieb, 420 kW/571 PS, maximales Drehmoment: 850 Nm ab 1.600 U/Min, 0-100 km/h: 4,8 s, Vmax: 250 km/h, Achtgang-Automatik, Durchschnittsverbrauch: 15,2 l/100 km, CO2-Ausstoß: 347 g/km, Grundpreis: ab 317.135 Euro

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