Tradition: 40 Jahre Opel Kadett(E)

Tradition: 40 Jahre Opel Kadett(E) - Elf Freunde für ein langes Leben

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Lange Stufenhecks liefen damals gut – der Opel Kadett als Viertürer Foto: Stellantis

Heute ist es der Astra, der als Elektriker eine neue Kompaktklasse-Ära bei Opel einleitet. Vor 40 Jahren hießen die kompakten Opel letztmals Kadett, und sie feierten ein Finale furioso: Als meistverkaufte Opel-Baureihe aller Zeiten, die global unter elf Marken auf fünf Kontinenten gebaut wurde. Auch stromern konnte der Kadett schon.  

„Elf Freunde müsst ihr sein, wenn ihr Siege wollt erringen“, lautet der berühmte Satz auf der Viktoria-Meister-Statue, den jeder Fußballfan kennt. Zu elft zog vor 40 Jahren auch der finale Opel Kadett (E) aus, um so Kompaktklasse-Kunden auf allen Kontinenten zu gewinnen. Allein in Europa wurde die sechste Generation des Opel mit dem Marine-Rang im Namen von 1984 bis 1993 rund 3,8 Millionen Mal gebaut. Hinzu kamen Kadetten, die unter zehn weiteren Marken des General-Motors-Konzerns, von Asüna bis Vauxhall, gefertigt wurden. In Korea machte der Kadett zuerst den Hersteller Daewoo groß, um 1995 als Nexia nach Deutschland zurückzukommen, wo er dann als Billig-Alternative zum ersten Opel Astra (F) reüssierte. In Südafrika avancierte der Kadett (E) zur automobilen Legende, sodass Opel den Nachfolger Astra dort in Kadett zurückbenannte. Astra, diesen Namen erdachte übrigens zuerst Vauxhall in Großbritannien, und auf der Insel griffen bereits die rechtsgelenkten Kadett (D) und (E) unter diesem Modellcode nach den Sternen. In Usbekistan blieb der Kadett als Nexia fast forever young: Erst 2015 – nach 31 Jahren – beendete das asiatische Land die Fertigung des Volksautos, das seine Erfolgsstory 1984 als Opel Kadett in futuristischen Formen und mit visionären Technologien tief im Ruhrpott im Werk Bochum begonnen hatte. Für den heute aktuellen, elektrifizierten Opel Astra eine Vorlage, die schwer zu toppen ist. Stromern konnte der Kadett (E) übrigens auch schon, als Impuls setzte er Zeichen.

Tatsächlich überraschte der Kadett (E) von Beginn an mit einer zukunftsweisenden Modernität, die sich kein Konkurrent traute. „Windei“ nannten die Medien den Kompakten, der nach 1.200 Stunden Feinschliff im Windkanal einen damals sensationellen cw-Wert von 0,32 erreichte. Und der sportliche Kadett GSi zog mit dem cw-Wert 0,30 gleich mit dem Audi 100 als aerodynamischster Serien-Pkw. War das noch ein Opel oder ein stromlinienförmiges Concept Car, fragten sich Fachleute, die über so viel Mut staunten. Immerhin hatte Volkswagen den Golf II konsequent im Stil seines Vorgängers gezeichnet, und auch der Ford Escort zeigte klare Kanten, so wie der nun abgelöste Kadett (D) als Frontantriebspionier bei Opel. Welches Risiko Aeroformen verkörperten, demonstrierte der Ford Sierra, der einen Großteil der konservativen Taunus-Klientel verlor und so nicht mehr zum Weltauto taugte.

Ganz im Gegenteil die seit 1936 gebauten Kadetten der Marke mit dem Blitz: Opels Kompakte erfanden sich 1984 neu und stiegen erst mit dem gelungenen Mix aus Strom-Form, solider Technik (geerbt vom Vorgänger), Captain-Future-Features à la digitalen LCD-Anzeigen im GSi (die aber nach kurzer Zeit doch durch analoge Anzeigen „entschärft“ wurden) und Katalysator gegen das in den 1980ern allgegenwärtige Thema Waldsterben sowie neun Karosserievarianten zur ganz großen Nummer der Automobilgeschichte auf. Die Kunden nahmen die neue Form an, und der Kadett (E) hob ab zu einem Höhenflug, den der heutige Opel Astra (L) bestenfalls vereint mit den Plattform-Geschwistern von Citroen, DS und Peugeot aus dem Stellantis-Konzern wiederholen könnte: 625.000 Kadett-Neuzulassungen allein in Europa im Jahr 1987 – das war nur möglich, weil es einen Kadett für fast jeden Kundengeschmack gab und damit deutlich mehr Auswahl als etwa bei VW.

Passend zur neuen TV-Programmvielfalt (1984 startete das Privatfernsehen) und der beginnenden digitalen Revolution (Apple brachte den ersten Macintosh-Computer) lancierte Opel den Kadett als drei- und fünftüriges Schrägheck, drei- und fünftürigen Kombi Caravan (wie ihn die von Bundeskanzler Helmut Kohl kritisierte „Freizeitgesellschaft“ liebte), zweitürigen Lieferwagen und zweitürigen Hochdachkombi Combo, als Cabrio aus der Carrozzeria von Stardesigner Bertone (der stylische Luftikus ließ das allerdings sorgfältiger verarbeitete Golf (I) Cabrio schlagartig alt aussehen) sowie als drei- und fünftürigen, sportlichen GSi. Gerade die Rennsemmel GSi zeigte das klassenlose Faszinationspotential des Kadett. Ab 1987 ließ im GSi ein neuer 2,0-Liter-16-Ventiler starke 115 kW/156 PS auf die Vorderräder, bis dahin in der Kompaktklasse kaum vorstellbar.
Mit über 215 km/h Spitze und einer 0-100 km/h-Sprintzeit von knapp 8,0 Sekunden zeigte der GSi allen Golf GTI und Vierzylinder-BMW 3ern (E30) seine Endrohre – Katalysator fürs gute Gewissen inklusive. Auch im Rennsport war der Kadett GSi in seiner Klasse über Jahre unschlagbar, bei der Paris-Dakar 1986 entfesselte er außerdem als 400-PS-Allradler Staubstürme – bis ihn kleine Defekte ausschalteten.
Als Opel 1989 in die Deutsche Tourenwagenmeisterschaft (DTM) einstieg, wurden die 199 kW/270 PS leistenden GSi im DTM-Trimm absolute Publikumslieblinge. Der athletische Kadett GSi (Grand Sport Injection) stand nicht nur Tennischampions gut – wer erinnert sich nicht an Steffi Grafs „Opel’s Grand Open“-Werbung – sondern auch Staatsmänner. Während Bundeskanzler Helmut Kohl auf seine schwergewichtige S-Klasse vertraute, wählte sein Vorgänger im Bonner Kanzleramt, Helmut Schmidt, für sich und seine Frau Loki einen schwarzen Kadett GSi Champion, mit dem die beiden Hamburger fünf Jahre lang nicht nur zu ihrem Ferienhaus am idyllischen Brahmsee flitzten.

Ob das heute aktuelle Rüsselsheimer Sportgerät Astra GSe (Grand Sport Electric) als Plug-in-Hybrid auch diese Anziehungskraft entfalten kann? Immerhin gibt es den schnellsten Astra inzwischen in Kombiform, eine Karosserievariante, die in den 1980ern bodenständig unterwegs war und deshalb zusammen mit den braven Limousinen für die großen Stückzahlen zuständig war. Neben den besonders beliebten, knapp vier Meter kurzen Drei- und Fünftürern konnte Opel über 740.000 Stufenheck-Kadett absetzen, noch mehr Einheiten als vom ebenfalls erfolgreichen Kadett Caravan – Kompakte mit großem Kofferraum erlebten damals einen Hype, speziell im Osten der 1990 wiedervereinigten Bundesrepublik Deutschland. Dort fuhr ab 1995 auch der Daewoo Nexia seine größten Erfolge ein, der billige Koreaner im alten Kadett-Kleid trat gegen den modernen Astra (F) an. Einen Blick in die emissionsfreie Zukunft gewährte dagegen der 1991 vorgestellte, vollelektrische Kadett Impuls. Allerdings beschränkte sich das Einsatzgebiet des Stromers auf Großstädte, war er doch nach fünf Stunden Ladezeit nur fit für 80 Kilometer Reichweite. Aller elektrischer Anfang war schwer, werden angesichts dieser Werte die Käufer eines modernen Astra Electric denken.

In welchen Versionen der Opel Kadett (E) von der Oldtimerszene gesucht wird, erklärt Nicolas Ziegler von der Bewertungsorganisation Classic Analytics: „Opel und Frontantrieb, diese Kombination sorgt bei Opel-Fans selten für Begeisterung und so ist es auch beim Kadett E. Er prägte zwar gemeinsam mit dem VW Golf jahrelang das Straßenbild, ein nennenswerter Fankreis bildete sich aber fast ausschließlich um das Topmodell GSi und das Cabrio. Die begehrteste Variante GSi 16V kostet heute im guten Zustand mindestens 15.000 Euro.“



Chronik Opel Kadett (E):
1984: Nach rund 2,1 Millionen Einheiten endet die Fertigung des Kadett (D) als erstem Opel mit Frontantrieb. Am 22. September feiert der nachfolgende Kadett E seine Markteinführung bei den deutschen Opel-Händlern als drei- und fünftürige Schräghecklimousine und als drei- und fünftüriger Caravan. Sportliches Spitzenmodell ist der dreitürige GSi, der mit cw 0,30 zugleich die aerodynamischste Limousine der Welt ist. In Großbritannien läuft die Produktion des baugleichen Vauxhall Astra an, die Stufenheckversion startet 1985 als Vauxhall Belmont. Die europäischen Produktionsorte der Baureihe sind Bochum und Antwerpen (Opel) sowie Ellesmere Port (Vauxhall)
1985: Im ersten vollen Verkaufsjahr steigert der Kadett (E) die europäischen Absatzzahlen gegenüber dem Vorgänger um 25 Prozent, allein in der Bundesrepublik werden 190.124 Opel Kadett (E) zugelassen. Neuer stärkster Kadett (E) ist der 400 PS freisetzende Kadett Rallye 4x4 für die Gruppe S im Rallyesport. Ab Mai ist der Kadett 1.8i mit geregeltem Drei-Wege-Katalysator lieferbar; Opel ist nunmehr der erste Hersteller mit kompletter Katalysator-Modellreihe. Der bislang ausschließlich dreitürige Opel Kadett GSi ist jetzt auch als Fünftürer bestellbar. Im Spätsommer folgt der Kadett als viertürige Stufenhecklimousine und als dreitüriger Lieferwagen sowie als dreitüriger Kleintransporter Combo. Auf der Frankfurter IAA debütiert der Prototyp eines Kadett Cabriolets. In Großbritannien läuft der Combo als Bedford Astravan vom Band. Der Kadett gewinnt den europäischen Medienpreis „Auto des Jahres“
1986: Bei der Rallye Dakar startet der Kadett 4x4 Rallye mit 500 PS starkem Turbotriebwerk, fällt aber trotz furiosem Start vor dem Ziel aus. Mit 201.268 bis Oktober in Deutschland verkauften Kadett erreicht die Opel-Kompaktklasse ein Allzeithoch und jagt erfolgreich den VW Golf. Ab Januar ist der Kadett mit 1,3-Liter-i-Motor mit Katalysator bestellbar, im August folgen die 1,6-Liter- und 2,0-Liter-Motoren mit Einspritzung und Katalysatortechnik. Bei Daewoo in Korea läuft die Produktion des baugleichen Nexia an, der offiziell ab 1995 nach Deutschland exportiert werden darf
1987: Europaweit werden in diesem Jahr 625.000 Opel Kadett E zugelassen. Im Mai Serienstart für das bei Bertone gebaute Kadett-Cabriolet in GL-Ausstattung, zunächst mit 1,6-Liter-Maschine, und als GSi mit 2,0-Liter-Vierzylinder. Neue GSi-Spitzenversion, zunächst für Drei- und Fünftürer, mit 2,0-Liter-16V-Motor und 150 PS Leistung
1988: Im September läuft die Fertigung von 1,5-Liter-Turbodiesel-Motoren für Exportversionen des Kadett an. Daewoo in Korea baut den Pontiac LeMans für Nordamerika und Neuseeland (bis 1993)
1989: Im Januar ersetzt der 1,7-Liter-Diesel den 1,6-Liter-Selbstzünder. Im Februar erhält der Kadett ein Facelift mit Modifikationen an Front, Heck und Interieur. ABS ist optional bestellbar, bei den Ausstattungslinien Kadett CS und GSi serienmäßig. Im April entfallen in Deutschland alle Motoren ohne Katalysator. Im Oktober ersetzt das 1,4-Liter-i-Triebwerk den 1,3-Liter-i-Benziner. Am 23. Oktober läuft in Bochum ein Caravan Club 1.6i als zehnmillionster Kadett seit dem Baureihenstart im Jahr 1936 vom Band. Der aktuelle Kadett (E) ist inzwischen das meistgebaute Kadett- und Opel-Modell aller Zeiten. In Brasilien laufen die Kadett-(E)-Ableger Chevrolet Kadett und Chevrolet Ipanema (Caravan) an
1990: Gemeinsam mit RWE Energie und dem Batteriehersteller Saft entwickelt Opel den Kadett Impuls I mit 100-Volt-Gleichstrommotor und 14,3-kWh-Nickel-Cadmium-Batterie. Die Reichweite des 22 PS starken und 100 km/h schnellen Autos beträgt rund 80 Kilometer, fünf Stunden nennt Opel als Akkuladezeit. Im August erneute Modellpflege für den Kadett, erkennbar am modifizierten Frontdesign und Interieur
1991: Altbundeskanzler Helmut Schmidt (1918-2015) kauft einen Kadett GSi, den er und seine Frau Loki fünf Jahre lang nutzen. Im Juli endet in Deutschland die Produktion des Kadett (E). Als Nachfolger des Kadett (E) startet der Astra (F). Das Opel Kadett Cabrio bleibt im Angebot, wird aber nun unter dem Modellnamen Opel Cabrio verkauft
1993: Im Juni läuft bei Bertone in Italien die Fertigung des Opel Cabriolets nach 58.572 Einheiten aus. Dennoch gibt es den Modellnamen Kadett weiter, denn in Südafrika läuft der Astra (F) unter dem Namen Opel Kadett. Die europäische Gesamt-Produktionszahl des Opel Kadett (E) beträgt 3.779.289 Einheiten. Mit 143.745 produzierten Einheiten übertrifft der Opel Combo die Absatzzahlen seines wichtigsten Rivalen VW Caddy. Hinzu kommen 685.171 Opel Astra Caravan und 742.634 Opel Astra Stufenheck-Limousinen
1998: Produktionsende in Brasilien für die dortigen Chevrolet-Derivate des Opel Kadett
2008: Die Produktion des Uz-DaewooAvto Nexia läuft nur noch in Usbekistan. Ein Facelift modernisiert den Nexia zum Nexia 2 (N150), der weiter als Volksauto in Usbekistan reüssiert
2015: Mit dem Fertigungsende des Nexia 2 in Usbekistan endet der Lebenszyklus des Kadett (E) nach 31 Jahren  
2024: Die Opel Community feiert den 40. Jahrestag des Kadett-E-Debüts, gleichzeitig feiert Opel 125 Jahre Autobau  

Marken unter denen der Kadett international gebaut bzw. vertrieben wurde:
Opel (Deutschland, Südafrika)
Asüna (Kanada)
Astramax (Großbritannien)
Bedford (Großbritannien)
Chevrolet (Brasilien, Osteuropa)
Daewoo (Korea, Südost-Asien, Osteuropa)
Isuzu (Nigeria)
Passport (Kanada)
Pontiac (Nordamerika, Neuseeland)
Uz-DaewooAvto (Usbekistan)
Vauxhall (Großbritannien)

Wichtige Motorisierungen Opel Kadett (E):
1,2-Liter-S-Vierzylinder-Benziner (40 kW/55 PS), ab 1984
1,3-Liter-N-Vierzylinder-Benziner (44 kW/60 PS), ab 1984
1,3-Liter-S-Vierzylinder-Benziner (55 kW/75 PS), ab 1984
1,3-Liter-i-Vierzylinder-Benziner (44 kW/60 PS), ab 1985
1,4-Liter-i-Vierzylinder-Benziner (44 kW/60 PS), ab 1989
1,4-Liter-Si-Vierzylinder-Benziner (60 kW/82 PS), ab 1989
1,4-Liter-S-Vierzylinder-Benziner (55 kW/75 PS), ab 1990
1,6-Liter-S-Vierzylinder-Benziner (66 kW/90 PS), ab 1984
1,6-Liter-S-Vierzylinder-Benziner (60 kW/82 PS), ab 1986
1,6-Liter-i-Kat-Vierzylinder-Benziner (55 kW/75 PS), ab 1986
1,8-Liter-S-Vierzylinder-Benziner (82 kW/112 PS), ab 1987
1,8-Liter-i-Vierzylinder-Benziner (85 kW/115 PS), ab 1984
1,8-Liter-i-Vierzylinder-Benziner (66 kW/90 PS), ab 1985
1,8-Liter-i-Vierzylinder-Benziner (74 kW/100 PS), ab 1985
1,8-Liter-i-Vierzylinder-Benziner (82 kW/112 PS), ab 1986
2,0-Liter-i-Vierzylinder-Benziner (95 kW/129 PS), ab 1986
2,0-Liter-i-Vierzylinder-Benziner (91 kW/124 PS), ab 1987
2,0-Liter-i-Vierzylinder-Benziner (85 kW/115 PS), ab 1986
2,0-Liter-i-16V-Vierzylinder-Benziner (110 kW/150 PS), ab 1987
2,0-Liter-i-16V-Vierzylinder-Benziner (115 kW/156 PS), ab 1987/88
1,5-Liter-DTR-Vierzylinder-Diesel (53 kW/72 PS), ab 1988
1,6-Liter-D-Vierzylinder-Diesel (40 kW/54 PS), ab 1984
1,7-Liter-TD-Vierzylinder-Diesel (60 kW/82 PS), ab 1986
1,7-Liter-D-Vierzylinder-Diesel (42 kW/57 PS), ab 1989.

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