Dieser Kleinwagen konnte großen Staat machen. Mit dem vom tschechischen Staatspräsidenten persönlich getesteten Felicia feierte Skoda vor 30 Jahren seinen Einstand als Marke im VW-Konzern, vor allem aber einen Cityflitzer, der globale Karriere machen sollte.
Für die Tschechen war seine Premiere ein Ereignis nationaler Bedeutung, immerhin verkörperte der im Herbst vor 30 Jahren vorgestellte Kleinwagen Felicia den Neubeginn des traditionsreichen Herstellers Skoda unter dem Dach des VW-Konzerns. Während die DDR-Marken Wartburg und Trabant untergegangen waren, die technisch kühnen tschechischen Tatra-Pkw vor dem Aus standen und Fachleute darüber diskutierten, ob der Skoda Felicia nur ein Facelift des Typs Favorit aus vergangenen Ostblockzeiten war, präsentierte der Hersteller aus dem böhmischen Mladá Boleslav seine 3,86 Meter kurze Fastbacklimousine mit viel Pathos in Prag.
Dort startete der tschechische Staatspräsident Václav Havel in dem Skoda zur Testfahrt, ehe drei in den Nationalfarben lackierten Felicia mit Moldauwasser getauft wurden, vielleicht weil der Kleinwagen ähnlich wie einst die sinfonische Dichtung „Moldau“ des Komponisten Bedřich Smetana zum globalen Exporterfolg avancieren sollte.
Und tatsächlich: Der Felicia eroberte nicht nur seine tschechische Heimat als Volksauto mit VW-Genen, er punktete hierzulande als preiswerte Alternative zu Polo, Ford Fiesta oder Opel Corsa und gewann sogar in China und Lateinamerika Kultstatus – letzteres als Pick-up mit VW Caddy Signets. Erst im Juni 2001 endete die Karriere des Felicia nach 1,4 Millionen Einheiten, damit toppte er die Stückzahlen seines Vorgänger Favorit um 40 Prozent, vor allem aber war er für Skoda das Sprungbrett in die Zukunft.
Heute zählt der tschechische Hersteller zu den größten in Europa, im deutschen Zulassungsranking belegt Skoda sogar Platz vier und leistet so seinen Beitrag zum Bestehen des VW-Konzerns in krisenhaften Zeiten. Das Kleinwagengeschäft mit seinen bescheidenen Margen hat zwar für viele Marken an Relevanz verloren, aber mit dem Fabia als modernem Nachfolger des Felicia ist Skoda dort bis heute weiterhin erfolgreich unterwegs. Glück gebracht – so wie es sein Modellname es verspricht – hat der Felicia dem über 125 Jahre alten böhmischen Autobauer übrigens gleich in zwei komplett unterschiedlichen Generationen.
Schon Ende der 1950er Jahre gewann Skoda durch ein 2+2-sitziges Felicia Cabriolet/Coupé globale Bekanntheit als osteuropäischer Spezialist für bezahlbare und zugleich stylische Automobile. Der sportive Skoda Felicia zählte zu den Premierenstars beim Genfer Automobilsalon und einer New Yorker Autoshow, in Johannisburg/Südafrika und wurde zum Marktstart in den Benelux-Ländern vom belgischen König begutachtet. In Deutschland galt der 4,07 Meter lange Zweitürer mit 1,1- bzw. 1,2-Liter-Vierzylinder unter der Haube speziell bei jungen Leuten als individuelle, preiswerte Alternative zum exklusiven Porsche 356 1600 oder aber dem populären VW Karmann Ghia.
Fortan beherrschte Skoda als einziger Staatsbetrieb sozialistischer Planwirtschaft bis zum Fall des Eisernen Vorhangs im Jahr 1989 die Kunst, einerseits die automobile Grundversorgung mit Massenmodellen zu garantieren, andererseits aber Kooperationen mit westeuropäischen Stardesignern wie Bertone zu wagen. So geschehen, als 1979 ein Kooperationsprojekt mit der DDR für einen Nachfolger von Wartburg und Heckmotor-Skoda scheiterte und Skoda im Alleingang aktiv wurde. Bertone wurde mit der Designfindung für den zukunftsweisenden Frontantriebs-Kleinwagen beauftragt, neben dem andere osteuropäische Modelle schlagartig alt aussahen. Favorit hieß dieser 1987 vorgestellte Kompakte – ein Millionseller, der 1994 zum Felicia weiterentwickelt wurde. Laut Werbung sollten den zunächst als fünftürige Fließhecklimousine angebotenen Felicia „1.187 neue Teile“ vom Vorgänger Favorit differenzieren.
Vorher aber hatte der in klaren Kanten gezeichnete Favorit eine für den Skoda-Konzern überlebenswichtige Mission zu bewältigen: Der politische „Wind of Change“ bewirkte 1990, dass Skoda so wie viele andere osteuropäische Staatsunternehmen zum Verkauf stand. Gleich drei Giganten, BMW, Renault/Volvo und VW, interessierten sich für die Übernahme, schließlich gab es den modernen Favorit als Mitgift. Prag „verheiratete“ Skoda mit VW und hatte damit alles richtig gemacht, wie sich rasch zeigte. VW investierte in die tschechischen Werke und in den Aufbau eines großen Produktportfolios für seine Neuerwerbung. Der zum Felicia mutierte Favorit startete schon Anfang 1995 als Skoda Felicia Kit Car Rallyefahrzeug auch bei Weltmeisterschaftsläufen und gewann so im Heimatland sportlichen Kultstatus und internationale Bekanntheit. Als Underdog mit kleinen 1,3- bis 1,6-Liter-Motoren im Konkurrenzumfeld überlegener 2,0-Liter-Vierzlinder fuhr das frontangetriebene Felicia Kit Car mit Rallye-Champions wie Stig Blomqvist am Steuer zu zahlreichen Siegen.
Als Straßenfahrzeug begnügten sich die Felicia Fastbacklimousine und der 1995 nachgelegte Combi zunächst mit 1,1- und 1,3-Liter-Benzinern, die magere 38 kW/52 PS bis 50 kW/68 PS leisteten, ehe VW-Motoren das Programm komplettierten. Neben einem 1,6-Liter mit 55 kW/75 PS sorgte nun auch erstmals ein Dieselaggregat in einem Skoda für Vortrieb. Trotzdem, in den wilden und leistungshungrigen 1990ern blieb der Felica mit diesen Triebwerken ein braver Biedermann – ob VW Polo und Seat Ibiza aus dem VW-Konzern oder Citroen Saxo, Fiat Punto und Renault Clio, die meisten Kleinwagen setzten als Kraftzwerge mit bis zu 110 kW/150 PS Adrenalin frei. Dagegen fügte sich der Felicia in die Rolle des zuverlässigen und vernünftigen Discounterangebots als serienmäßiger Fünftürer. Nur 15.990 Mark berechnete Skoda 1997 für den Favorit, ein konkurrenzloses Angebot im direkten Wettbewerbsumfeld, allein die Russen konnten es mit ihrem rustikalen und konstruktiv betagten Lada Samara noch billiger.
Skoda dagegen wusste als einzige osteuropäische Marke, was Zeitgeist und Zukunft verlangten. Spektakuläre Rekordversuche, etwa als sich 26 Jugendliche in einen Felicia zwängten, in kleiner Auflage realisierte viertürige Cabriolets und das knallgelbe Spaßfahrzeug Felicia Fun brachten den Kompakten ins Gespräch. Auf dem Genfer Salon 1995 wirkte das Freizeitmobil Felicia Fun noch wie ein schrilles Concept – aber Skoda brachte es in Serie als weltweit erster Pick-up mit klapp- und verschiebbarer Rückwand für Rücksitze unter freiem Himmel. Auch in Deutschland fand das schrille Halb-Cabrio viele Fans, vor allem aber demonstrierte es die Variabilität des Felicia Pick-up. Mit diesem auch als VW Caddy verkauftem Pritschenwagen reüssierte der Felicia sogar in Südamerika.
Die Bedeutung des Felicia für Oldtimerfans erläutert Frank Wilke von Classic Analytics: „Es mag eingefleischte Felicia-Freunde geben, aber die muss man wirklich suchen. Der Felicia hatte seine Qualitäten als preisgünstiges und haltbares Alltagsauto, aber tief in die Herzen der Menschen hat er sich dabei nicht wirklich gespielt. Die einzige, kuriose Ausnahme ist der knallbunte Lifestyle Pick-Up Felicia Fun mit Sitzbank auf der Ladefläche, sowas hatte man im Jahr 1995 einer biederen Firma wie Skoda nicht zugetraut. Heutzutage kosten gute Exemplare um die 6.500 Euro.“
Chronik:
1958: Skoda erregt im September europaweit Aufsehen mit der Serienversion des elegant gezeichneten und zugleich preiswerten, viersitzigen Skoda 440 Roadster-Cabrio. Vor allem im Export soll das Open-Air-Modell Interesse an der Marke Skoda generieren, allerdings werden nur 1.010 Einheiten gebaut
1959: Der Skoda Felicia geht als Faceliftversion aus dem Typ 440 hervor und debütiert auf dem Genfer Automobilsalon sowie bei der Leipziger Frühjahrsmesse und in New York, wo der Felicia die Rückkehr von Skoda auf den US-Markt einleitet. Angetrieben wird der Felicia von einem 1,1-Liter-Vierzylinder mit 37 kW/50 PS Leistung
1961: Modellpflege für den Felicia, der nun vorsichtig angedeutete, modische Heckflossen zeigt
1964: Nach 14.863 Einheiten läuft der Skoda Felicia aus
1983: Das Design des Skoda Favorit wird bei Bertone entwickelt
1987: Weltpremiere für den Skoda Favorit in Brünn. Damit erfolgt bei Skoda nach drei Jahrzehnten die Rückkehr zum Frontmotor, zugleich ist der Favorit der erste Skoda mit Frontantrieb
1989: Generalstreik in der Tschechoslowakei und auch bei Skoda für freie Wahlen. Václav Havel wird tschechoslowakischer Staatspräsident
1990: Auf der Suche nach einem Partner für Skoda, der Kapital und Technologie einbringt, entscheidet sich die Regierung in Prag für den Volkswagen-Konzern und gegen Renault und BMW
1991: Skoda wird privatisiert und am 16. April als Skoda, automobilová a.s. (Skoda Automobile AG) als eigenständige Marke in den Volkswagen-Konzern integriert. Das Unternehmen arbeitet bis zum Jahr 2000 als Joint-Venture, in dem die tschechische Regierung zuerst Mehrheits-, später Minoritätsaktionär ist. Die Modelle Favorit, Forman und Pick-Up erreichen den Rekordabsatz von 220.000 Fahrzeugen. In Weiterstadt wird die Skoda Auto Deutschland GmbH gegründet, seit 1995 eine Tochter von Skoda a.s. in Mladá Boleslav
1992: Serienstart des batterieelektrischen Skoda Favorit Electro bzw. Eltra, der Tagesausstoß beträgt bis zu zehn Fahrzeuge, die Fertigung läuft bis 1994
1994: Bei der Rallye Monte Carlo gewinnt ein Skoda Favorit die Klasse F2. Der einmillionste Favorit läuft am 16. Juni vom Band, kurz bevor der Felicia seine Weltpremiere feiert. Abgeleitet vom Favorit ist der Felicia die erste Skoda-Produktentwicklung unter dem Dach des VW-Konzerns. Der 1,6-Liter-Benziner und der Diesel – erstmals in einem Skoda – stammen aus dem VW-Regal, gleiches gilt für viele weitere Bauteile, so wurden die Außenspiegel zunächst für den Polo III entwickelt. Am 5. September erfolgt im Werk Vrchlabi der Serienanlauf des neuen Modells Felicia als fünftüriges Steilheckmodell und als Kombi. Zunächst entsteht eine Vorserie mit 50 Prototypen, noch unter dem Codenamen Skoda A02. Am 17. Oktober läuft die Großserienproduktion auf der Hauptlinie an. Am 26. Oktober wird der Felicia der Presse vorgestellt. Im November feiert der Favorit seinen letzten Rallyeerfolg mit einem Sieg in der FIA-Klasse F2, ehe das Felicia Kit Car die Motorsportnachfolge übernimmt. Skoda exportiert wieder in 60 Länder, dies mit dem Felicia als Speerspitze einer kommenden Modelloffensive
1995: Staatspräsident Václav Havel nimmt an der Grundsteinlegung für eine neue Skoda-Montagehalle teil. Im Februar startet das neue Felicia Kit Car in zwei Einheiten erstmals bei der Schweden-Rallye und belegt die Plätze fünf und sechs in der F2-Klasse. Am Jahresende belegt Skoda mit dem Felicia den dritten Platz in der Markenwertung der Kategorie F2. Die Baureihe Felicia bekommt kräftige Motoren aus dem VW-Programm wie einen 1.6 MPI (EA 111) mit 75 PS. Außerdem erhält der Felicia als erster Skoda überhaupt einen Dieselmotor, der 64 PS leistende 1,9-Liter-Saugmotor benötigt bei 90 km/h 4,2 Liter/100 km. Auf der IAA in Frankfurt feiert Skoda das 100-jährigen Firmenjubiläum mit dem Sondermodell Felicia Laurin & Klement. Mit dem Felicia kehr Skoda auf den chinesischen Markt zurück. Bei einem Rekordversuch zwängen sich 26 Jugendliche im tschechischen Brünn in einen Felicia. In Deutschland werden 21.458 Skoda verkauft und 0,62 Prozent Marktanteil erreicht; mit 18.120 Einheiten ist der Felicia der Haupterfolgsträger. Die Produktion des Favorit läuft zugunsten des Nachfolgemodells Felicia aus
1996: Für den Octavia, das erste Skoda-Modell, bei dem Module und Technologien von VW genutzt werden, wird in Mladá Boleslav ein neues Montagewerk eingeweiht. Interne Vergleiche von Qualität und Kundenzufriedenheit ergeben für das Skoda-Werk den ersten Platz im VW-Konzern. Auch der Skoda Felicia wird in Qualitätsrankings positiv bewertet. Neu ist das Freizeitfahrzeug Felicia Fun, ein Pick-up, bei dem sich die Trennwand hinter den Vordersitzen auf die Pritschenfläche verschieben lässt, mit dem Ergebnis zwei zusätzlicher Open-Air-Sitzplätze. Dieses damals einzigartige Funcar kann Skoda in über 4.000 Einheiten verkaufen. Der Kleinwagen Felicia erreicht in diesem Jahr in Deutschland 21.187 Zulassungen und damit seinen Allzeitbestwert. Der Felicia legt die Basis für die zweite Generation des VW Caddy, der als Badge-Engineering-Version des Felica Pick-ups auch in Südamerika erfolgreich vermarktet wird. Rallyeass Stig Blomqvist erzielt mit dem Felicia Kit Car bei der RAC Rally einen Sieg in der Kategorie F2, am Ende der Saison belegt Skoda dort den dritten Platz
1997: Das viersitzige und viertürige Skoda Felicia MTX-Cabrio sorgt für Furore, wird vom Prager Karossier Metalex allerdings nur in Kleinserie gebaut. Mit 21.069 deutschen Neuzulassungen kann der Skoda Felicia fast sein Vorjahresresultat wiederholen
1998: Am 1. Januar erhält Skoda die neue Firmierung Skoda Auto a.s. Im Februar erhält der Felicia eine sogenannte große Produktaufwertung, erkennbar an neuen Scheinwerfern und einem Kühlergrill im Stil des größeren Octavia. Vom Felicia verkauft Skoda in Deutschland in diesem Jahr 18.094 Einheiten, der Felicia ist ab sofort mit vier Airbags verfügbar und setzt damit Standards im Kleinwagensegment. Die Skoda-Modelle werden nun auch in Posen/Polen und in Sarajewo/Bosnien und Herzegowina gebaut
1999: Weltpremiere für den Kleinwagen Skoda Fabia auf der Frankfurter IAA, dies als designierter Nachfolger des Felicia. Insgesamt werden in diesem Jahr noch 17.398 Felicia in Deutschland zugelassen. Skoda engagiert sich mit dem Octavia in der World Rallye Car Championship WRC
2000: Skoda wird 100-prozentige Volkswagen-Tochter. Mit 68.757 Zulassungen – davon 10.041 Felicia – in Deutschland erzielt Skoda erstmals über zwei Prozent Marktanteil
2001: In Deutschland werden die letzten 83 Felicia-Neuzulassungen erfasst. Skoda beendet seine Pick-up-Tradition. Am 12. Juni läuft nach 210.430 Favorit- und Felicia-Pick-ups das letzte Fahrzeug vom Band
2009/2010: Die staatliche Umweltprämie beschleunigt die Verschrottung altgedienter Skoda Felicia, zwischen Januar 2009 und August 2010 werden fast 10.000 Felicia dem Verwerter zugeführt
2021: Der Skoda Fabia wird in vierter Generation eingeführt, dies als fünftürige Steilhecklimousine, der „Combi“ entfällt. Wie VW Polo und Seat Ibiza basiert der Fabia inzwischen auf der Kleinwagenplattform MQB-A0
2024: Der Skoda Felicia wird 30 Jahre alt und damit Kandidat für ein amtliches H-Kennzeichen. Skoda und die Community feiern das Event mit verschiedenen Aktionen. Der Skoda Fabia zählt auf dem deutschen Markt zu dem klein gewordenen Feld erschwinglicher Kleinwagen mit Verbrennungsmotor
Produktionszahlen Felicia, Favorit, Fabia:
Skoda Felicia in 14.863 Einheiten (1959-1964)
Skoda Favorit in 783.167 Einheiten (1987-1994) plus Kombi Forman in 223.059 Einheiten (1990-1994) und Pick-up in 70.894 Einheiten (1991-1994)
Skoda Felicia/Felicia Combi in 1.267.7648 Einheiten (1994-2001), Felicia Fun in 4.000 Einheiten, Pick-up/VanPlus in 133.741 Einheiten (1996-2000)
Skoda Fabia I in 1.788.063 Einheiten (1999-2008), Fabia II in 1.704.542 Einheiten (2006-2015), Fabia III in mehr als eine Million Einheiten (seit 2014).
Motorisierungen Skoda Felicia:
Mit 1,1-Liter-Vierzylinder-Benziner (38 kW/52 PS) von 1994 bis 1999;
mit 1,3-Liter-Vierzylinder-Benziner (40 kW/54 PS bzw. 42 kW/57 PS bzw. 43 kW/58 PS bzw. 50 kW/68 PS) von 1994 bis 2001;
mit 1,6-Liter-Vierzylinder-Benziner (55 kW/75 PS) von 1995 bis 2001;
mit 1,9-Liter-Vierzylinder-Diesel (47 kW/64 PS).