Kaum zu glauben, aber der Glamourboy der weltweiten Elektroautoszene hat doch tatsächlich mal Tacheles geredet. Kürzlich bekannte Elon Musk, der Chef von Tesla, freimütig, dass es gar nicht lange her ist, dass Tesla beinahe pleite gegangen wäre. Musk hat via Twitter ausgeplaudert, dass es ziemlich knapp war. In dem elektronischen ,,Gezwitscher" mit einem Gesprächspartner sprach er davon, dass der Konzern insbesondere wegen des Model 3 zwischenzeitlich ,,nur einen Monat vor der Pleite stand".
Musk berichtet in dem Tweet ferner von ,,Stress und Schmerzen" wegen des Model 3. Dabei wurde gerade dieses Auto von angeblichen Marktkennern vorab als ,,Der Hoffnungsträger schlechthin" beschrieben. Doch dann brach die Produktions- und Lieferhölle über den Autobauer herein, der mit diesem Auto ein Massenhersteller werden wollte. Musk dazu: ,,Die Anlaufphase des Model 3 war für lange Zeit - von Mitte 2017 bis Mitte 2019 - extrem belastend und schmerzhaft. Die Hölle für Produktion und Logistik." Hier ein Vergleich, was einen wirklichen Massenhersteller rein zahlenmäßig ausmacht: Der Volkswagen-Konzern (VW, Audi, Seat, Skoda) setzte im ersten Halbjahr 2020 weltweit etwa 2,9 Millionen Fahrzeuge ab, Tesla knapp 180.000 Stück.
Lange standen bei Tesla die Produktionszahlen des Model 3 im Fokus und galten als Maß der Dinge. Hinzu kam noch der Anlauf einer neue Fabrik in Shanghai, was die Probleme nicht verringerte. Weil die Sorgen außerhalb des Unternehmens aber kaum jemand kannte, kletterte die Aktie wegen des Massenhersteller-Anspruchs in unvorstellbare Höhen (plus 400 Prozent), was schließlich zu einem Aktiensplit führte, um das Papier auch für Kleinanleger einigermaßen erschwinglich halten zu können.
Inzwischen haben sich diese Turbulenzen zwar gelegt, aber das Zahlenwerk ist dennoch bei weitem nicht vielversprechend. Denn obwohl auch für das fünfte Quartal in Folge offiziell schwarze Zahlen in der Vierteljahresbilanz geschrieben werden, ist festzuhalten, dass sich Teslas Gewinn hauptsächlich auf den Verkauf von Umweltzertifikaten stützt, wie kürzlich wieder ein US-Analyst bemängelte. Im Geschäft Auto gegen Geld hingegen bleibt kein Groschen in der Kasse übrig. Das Unternehmen verlässt sich nach wie vor auf den Verkauf von behördlichen Gutschriften in den USA, die es für den Verkauf von Elektroautos gibt.
Diese Boni sind nichts anderes als Abgasrechte, mit denen Strafzahlungen wegen zu hoher Abgaswerte reduziert oder ganz vermieden werden können. Und weil Tesla keine Modelle mit Verbrennungsmotoren anbietet, fließen diese staatlichen Zuschüsse direkt in die Bilanz. So kommt es, dass sich der Nettogewinn im Ende September abgelaufenen Jahresviertel auf 331 Millionen US-Dollar (ca. 391 Millionen Euro) belief - eine Steigerung um 131 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal. Doch ohne den Verkauf dieser Gutschriften/Abgasrechte an andere Autobauer mit ,,dreckigen" Antrieben, so bemängelt der ,,MarketWatch"-Analyst Garrett Nelson, wäre Tesla nicht profitabel gewesen.
Wieder einmal, denn das geht schon lange so. Zachary Kirkhorn, Chief Financial Officer von Tesla, hat Analysten bereits im letzten Quartal in einer Telefonkonferenz mitgeteilt, dass sich die Einnahmen aus dem Verkauf von behördlichen Gutschriften im Jahr 2020 gegenüber 2019 ,,ungefähr verdoppeln" werden. Allein in den ersten neun Monaten 2020 hat Tesla laut Kirkhorn auf diesem Weg 1,179 Milliarden Dollar (knapp 1,4 Milliarden Euro) eingenommen. Im gesamten Jahr 2019 waren es noch 594 Millionen Dollar.
Bleibt die Frage, wie lange sich Tesla weiter auf das Geschäftsmodell mit den staatlichen Boni stützen kann. Denn auch andere Autobauer haben den Wandel hin zur Elektromobilität längst in Angriff genommen (siehe Grafik). Zum einen wird die Konkurrenz am E-Automarkt weiter wachsen, was zum anderen bedeutet, dass bei Tesla deswegen die Millionen-Einnahmen aus den Verkäufen der Gutschriften weniger werden oder ganz wegfallen dürften, da andere Autobauer mit Elektro-Fahrzeugen im Angebot ihre eigenen Boni sammeln.
Bereits nach den Zahlen des zweiten Quartals gab Analyst Gordon Johnson von GLJ Research zu bedenken, dass das Geschäftsmodell ,,auf geliehener Zeit" basiere und die Gewinne schon bald wieder zurückgehen dürften, da sich das Unternehmen bisher nur auf behördliche Gutschriften verlassen könne. Tesla versucht mit Preissenkungen gegenzusteuern, um mehr Autos für den Fall verkaufen zu können, dass demnächst diese staatlichen Zuschüsse deutlich weniger werden. So wurde kürzlich der Preis für das Model S nach unten korrigiert. Und offenbar wird bei dem Autobauer wohl erwogen, die Preise insgesamt zu senken. (ampnet/hk)