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Sonst noch was? - Alte Ideen, neu verpackt

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  • 28. Februar 2021, 10:15 Uhr
  • Günter Weigel/SP-X
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Sonst noch was? Foto: SPX

In der automobilen Welt von heute tun sich mitunter Probleme auf, da wäre man noch vor kurzem nicht draufgekommen. Auch nicht auf manche Lösung.

In der altehrwürdigen Autoindustrie weiß man um den Wert von Tradition. Ikonen auf vier Rädern spielen für nicht wenige Marken eine wichtige Rolle. Was wäre Porsche ohne den Elfer, Mercedes ohne Flügeltürer oder die S-Klasse, VW ohne Käfer oder Jaguar ohne E-Type. Die Reihe lässt sich fast beliebig fortsetzen. Für fast jede Marke, die schon etwas länger am Markt etabliert ist, finden sich historisch relevante Modelle. Anders sieht das aus, wenn es um neue Marken, gar um neue Formen der Mobilität geht. Disruptiv auftretende Unternehmen müssen sich nicht um Herkunft und Tradition kümmern, wenn es darum geht Kunden zu binden oder zu gewinnen.

Es wäre auch etwas schräg, wenn beispielsweise Uber als neuer Player auf dem Markt der Mobilität plötzlich irgendwelche Traditionen hervorzauberte, geht es doch gerade darum, mit tradiertem Verhalten zu brechen. Mit ähnlichem Ziel war auch Lyft angetreten, das Angebot an Transportservices zu revolutionieren. Und jetzt ist dem Unternehmen tatsächlich ein nachgerade disruptiver Move gelungen. Wie der amerikanische Autoblogger Joe Lorio berichtet, können Lyft-Kunden neuerdings moderne Techniken mit der alten Kulturtechnik des Telefonierens verknüpfen.

Menschen, die keine Lyft-App haben, weil sie auch kein Smartphone besitzen oder nicht damit umgehen wollen, können einen Lyft-Agenten anrufen als würden sie ein Taxi rufen. Lyft will damit natürlich vornehmlich ältere Menschen ansprechen und startet den Dienst deshalb in Florida. Das ist clever, wohnen da doch bekanntlich viele Senioren und nicht alle können wahrscheinlich mit einem Smartphone sinnvoll umgehen. Mindestens einer wurde bekanntlich neulich sogar bei Twitter gesperrt, weil er nur Unsinn trieb. Aber das ist eine andere Geschichte. Lyft hatte jedenfalls die tolle Idee, ein Lyftauto per Telefon bestellbar zu machen. Der Anrufer - oder dessen Betreuer - gibt an, von wo nach wo er hinwill, der Agent sagt was es kostet und bezahlt wird dann einfach per Kreditkarte vorab. Man muss nur noch die Kartennummer durchgeben, notfalls per SMS. Allerdings stellt sich die Frage, warum die betagten Damen und Herren sich nicht gleich ein traditionelles Taxi nehmen. Das dürfte einfacher sein.

Zu einfach gemacht hat sich Jeep vor vielen Jahren offensichtlich die Namensgebung seines Klassikers Cherokee. Findet jedenfalls Chuck Hoskins Junior jetzt vor der Markteinführung der neuen Generation des Geländewagens. Hoskins ist Principal Chief der Cherokee Nation, also so etwas wie der Oberhäuptling des Stammes, und er sagt, es sei nicht angemessen, wenn der Name seines Volkes als Typschild auf Autos herumfährt. Gepasst hat den Cherokee der Modellname noch nie, aber jetzt gehen sie ernsthafter vor und fordern, Jeep solle aufhören den Namen zu verwenden. Das Unternehmen findet, man ehre den Stamm mit der Namensgebung, allerdings finden die Indianer selbst, wenn man etwas ehren wolle, solle man eine Auszeichnung verleihen und kein Produkt verkaufen. Wir schätzen, in Zeiten, da alte amerikanische Sportteams sich umbenennen, weil sie indianische Symbole und Namensteile tragen, dürfte der Name Cherokee für ein Auto in absehbarer Zeit Geschichte sein.

Dieses Schicksal sehen wir auch für den Ego Life voraus. Der elektrische Kleinwagen aus Aachen sollte eigentlich schon längst die Mobilität in Städten umweltfreundlicher gemacht haben. Leider ging das zugehörige Start-Up zwischendurch pleite. Nach dem Neustart beklagte sich das Unternehmen über die Umweltprämie, weil es als Startup seinen Anteil von 3.570 Euro schwerlich zusammenbringen könne. Jetzt geht es doch, wie man uns mitteilt. Allerdings müssen wir feststellen, dass was da als Kleinstwägelchen auf die Straße kommt, vielleicht vor zehn Jahren innovativ gewesen wäre. Jetzt ist das Vehikel vor allem: teuer. Wer heute ein E-Auto mit einer Batterie für 132 Kilometer anbietet und dafür ohne Förderung rund 26.000 Euro verlangt, muss sich nicht wundern, wenn kaum jemand oder auf jeden Fall zu wenige zuschlagen werden. Konsequenterweise hat Ego vorerst nur eine Sonderserie von 1.000 Exemplaren namens Next aufgelegt.

Wir dürfen gespannt sein, ob sich entsprechend viele Fans finden werden.

Ego fehlt es an vielem, die nicht vorhandene Tradition ist das vielleicht noch das kleinste Problem. Es fehlt vor allem an einer disruptiven Innovation, um eine Marktlücke zu kreieren und sie gleich auch zu füllen. Aber vielleicht gibt es ja genügend Menschen, die genau so etwas suchen - also ein schon neu ziemlich alt aussehendes Auto. Sonst noch was? Nächste Woche wieder.

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