Neuheit

VW Konzern - Gewiss ist nur die Ungewissheit

  • In AUTO
  • 29. September 2016, 10:03 Uhr
  • Peter Weißenberg/SP-X

Kurz vor Beginn der Automesse in Paris gibt Europas größter Konzern Volkswagen einen Ausblick auf strategisch wichtige Fahrzeuge - und präsentiert eine neue Marke, die gar keine eigenen Autos herstellen soll. Dafür könnte der Kunde dort gleich seinen eigenen Chauffeur miterwerben.

Viele Jahre lang hat es Volkswagen vor Beginn der Pariser Automesse traditionell krachen lassen - im wörtlichen Sinn: Da sangen Superstars auf der Bühne, Paraden von PS-starken Premieren bewiesen Potenz und selbstgewisse Botschaften lieferten den verbalen Rahmen. Einen Abend vor Beginn des diesjährigen Autosalons - und ein Jahr nach dem Beginn von Dieselgate - sieht der Auftritt der zwölf Konzernmarken bescheidener aus. Die Musik ist leiser, die Botschaften nachdenklicher, und Konzernchef Matthias Müller spricht auch deutlich die Ungewissheiten der Zukunft an.
 
Die Neuigkeiten der Kernmarke sind dafür ein gutes Beispiel: Die Marke VW zeigt anders als Audi (A5-Sportback), Porsche (Panamera 4 E-Hybrid) oder Skoda (Kodiaq) vor der Messe gar kein vollständiges Auto - sondern mit dem Konzeptfahrzeug I.D. nur einen noch recht vagen Ausblick auf die Zukunft der Marke. Sein E-Motor soll den Kompakten mit 125 k/170 PS versorgen, eine Batterieladung sollen mindestens für 400 Kilometer reichen, viel Platz soll es geben; das Ganze ab 2020 und sogar mit einem Multifunktionslenkrad, dass im vollautomatisierten Modus ins Cockpit verschwindet.
 
Für Müller ist der Wagen ein Aufbruchsymbol: "Wir werden mehr als 30 neue, zusätzliche Elektromodelle entwickeln und bauen", verspricht der Konzernlenker in Paris. Der I.D. steht bereits auf einer eigens dafür entwickelten Plattform, dem MEB. Auch bei Seat oder Skoda werden Fahrzeuge mit diesem Elektromodul auf die Straße kommen. Dazu kommen allein bis 2018 noch 17 neue Plug-In-Hybride. Der Porsche ist nur der Anfang.
 
Für die kommenden 20 Jahre zumindest gibt der Chef aber auch Benzinern und Diesel noch eine tragende Rolle. Sie sollen trotz oder wohl auch gerade wegen der Abgasaffäre weiterentwickelt werden. Die Zukunft gehöre aber dem Elektroauto. Wie das Ende aussieht, das weiß aber auch Müller nicht ganz genau - und gibt das auch unumwunden zu: "Wir werden an einigen Stellen auch scheitern." Aber nach dem Diesel-Debakel sei eben jetzt höchste Zeit, mutig Neues auszuprobieren. "Exzellente Autos bauen" - das allein werde nicht reichen, um die Kunden zu begeistern. Tolle Software und Apps allein aber auch nicht, stichelt Müller gegen Google, Apple und Co. Volkswagens Strategie 2025 sei es, diese Welten optimal zu vernetzen. Alle Marken sollen diese Linie in eigene Wege zum gleichen Ziel übersetzen.
 
In nicht einmal zehn Jahren soll der Konzern so zu den führenden Anbietern von Mobilitätsdiensten gehören "und Marktführer in Europa werden", sagt Müller. Gerade bei Carsharing haben die Wolfsburger und ihre Töchter da gegenüber BMW oder Mercedes noch mächtig Nachholbedarf. Weit, weit weg in Moskau testet VW gerade mit dem Partner Gett eine Fahrtenvermittlung via App. Aber auch in Hamburg soll es bald schon Mobilitätsdienste neuer Art geben. Car-Sharing, Elektrobus-Flotten, vernetzter Lieferverkehr und mitdenkende Ampeln und Parkräume will VW mit dem strategischen Partner entwickeln.
 
Für die Mobilität der Zukunft wollen die Wolfsburger sogar eine neue Marke schaffen - die erste ohne eigene Fahrzeuge: Die 13. Marke hat bereits ihren Sitz in Berlin, ein Management-Team und Büros - nur noch keinen Namen. Der soll im November nachgereicht werden, so Müller. Dafür haben die Macher von Marke 13 aber schon ganz revolutionäre Angebote im Kopf: "In der weiteren Zukunft könnte die Volkswagen-Gruppe eine eigene Flotte von Roboter-Taxis unterhalten, wenn die Technologie soweit ist", stellt sich Müller vor.
 
Bei solchen Gedanken jenseits des klassischen Autogeschäfts wird wohl auch dem letzten Zuhörer klar, was der Konzernchef meint, wenn er sagt: "Diesel ist und bleibt ein tiefer historischer Einschnitt für uns." Aber immerhin sei nach den vergangenen zwölf Monatendie Frage für den Konzernlenker nicht mehr: "Schafft Volkswagen das?" Jetzt heißt es für Müller: "Wie schafft Volkswagen das?" Ende des Jahres verspricht der Manager da Gewissheit.

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