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Mit dem VW Amarok im Oman - Auf die wüste Tour

  • In AUTO
  • 16. April 2018, 12:26 Uhr
  • Stefan Anker/SP-X

So langsam etabliert sich auch in Deutschland der Pick-up, wozu VW mit dem Amarok einiges beigetragen hat. Inzwischen ist auch Mercedes mit der X-Klasse gestartet, und rein zufällig präsentiert VW jetzt einen neuen Top-Motor.

Man macht das ja nicht alle Tage: eine Düne hochfahren. Also bekommt man zunächst einen kleinen Schreck, wenn man diese Düne zum ersten Mal vor sich sieht, denn wir reden hier nicht von der Nordseeküste, sondern von der Arabischen Halbinsel. Winzig klein nimmt sich in dieser endlosen Weite selbst der mächtige Pick-up VW Amarok aus, und der eine oder andere Fahrer mag sich am Fuß der Düne sogar einen kleineren und damit leichteren Wagen wünschen. Je nach Ausführung sollen sich immerhin bis zu 2,3 Tonnen durch sehr lockeren Sand nach oben schleppen.
 
Entfernungen sind in der Wüste schwer abzuschätzen, aber jeder Amarok hat nun auf einer Strecke von vielleicht 200 Metern einen Höhenunterschied von 40, 50 Metern zu bewältigen. 190 kW/258 PS leistet die neue Topversion in der Motorenpalette, im Overboost-Modus stellt der drei Liter große Diesel-V6 sogar 272 PS bereit, und 580 Newtonmeter Drehmoment hat er auch noch zu bieten.
 
Muss man erwähnen, dass die Leistungsdaten leicht über denen des Mercedes X 350 d liegen, der Mitte des Jahres auf den Markt kommt? Jedenfalls genügt der VW-V6 für die Düne, tatsächlich reichen für die Übung auch die kleineren Motorversionen des Amarok, wie sich herausstellen wird. Außerdem ist da ja noch Falko Peters, der Fahr- und Tourenexperte, der die Gruppe betreut und allen Mut gemacht hat: ,,Traktionskontrolle ausschalten, Geländereduktion einlegen, maximal in den zweiten Gang gehen und Gas geben." In der Theorie leuchtet das ein, denn man darf natürlich am Berg den Schwung nicht verlieren, und wenn die Räder im weichen Sand durchdrehen wollen, muss man sie lassen und sie mit dem Gaspedal bei Laune halten - mit eingeschalteter Traktionskontrolle jedenfalls bliebe das Auto irgendwann stehen. Und haben wir nicht zuvor den Reifendruck bis auf 1,2 Bar abgesenkt, um die Kontaktfläche zwischen Rad und Sand zu vergrößern? Was soll also passieren - in der Theorie?
 
In der Praxis motiviert Peters, sobald es ernst wird, jeden mit einem Ein-Wort-Stakkato: ,,Gas, Gas, Gas!", tönt es aus den Funkempfängern, die in den Autos liegen. Alles geht gut, fast alles. Eine Kollegin verlässt kurz vor der Kuppe der Mut. Zwar fuhr sie schnell an die Düne heran, doch ist so ein riesiger Sandhaufen ja keine geteerte Straße, und der Amarok kommt an mancher Stelle kräftig ins Schaukeln. Es ist eine natürliche Reaktion, dann langsamer zu machen, aber in diesem Fall ist leider die natürliche Reaktion auch die falsche: Der Amarok verliert den Schwung und fährt sich fest. Darum wechselt Falko Peters nun die Ansage: ,,Kein Gas, kein Gas, kein Gas!" Er möchte nun, dass der Wagen zum Stehen kommt und im Rückwärtsgang denselben Weg zurückrollt, um neuen Anlauf zu nehmen.
 
Oman ist der Schauplatz dieses Abenteuers, wir befinden uns in der Ramlat-al-Wahiba-Wüste - 12.500 Quadratkilometer Sand in der Mitte des Landes. Das Sultanat liegt gegenüber vom Iran am südlichen Ufer des Golfs von Oman, der Teil des Persischen Golfs ist. Seit 1970 wird der Oman von einem freundlichen Diktator regiert, der nun 77 Jahre alt und schwer krank ist. Kinder hat er nicht, und die Nachfolge ist offen, denn Sultan Quabus ibn Sai'd ist entschlossen, bis zum Tod zu herrschen.
 
Was man auch auf der Durchreise bemerkt, ist der hohe Standard, den der Sultan in fast 50 Regierungsjahren geschaffen hat, natürlich auch mithilfe des geförderten Öls. Das Geld steckt zu großen Teilen in der Infrastruktur des Landes, es gibt zum Beispiel ein großzügiges Straßennetz in sehr gutem Zustand. Die Qualität der Asphaltpisten hat aber offenbar viele Omanis zum Rasen verführt, weshalb die Unfallzahlen im Land schnell stiegen. Bis es dem Sultan zu bunt wurde und er im Abstand von nur 1.000 Metern Radarfallen installieren ließ.
 
Diese stetige Überwachung hält auch das Temperament unseres Amarok-Konvois im Zaum, und daher ist nicht auszuprobieren, wie sich eine Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h in so einem hochbeinigen Arbeitsgerät anfühlt. Allerdings bemerkt man schon beim omanischen Tempolimit von 120 km/h, dass der Wagen von der Marke VW Nutzfahrzeuge stammt und entsprechend robust zu Werke geht: Eine starre Hinterachse mit Blattfedern ist nun mal nicht so feinfühlig wie eine Einzelradaufhängung mit Federbeinen.
 
Dafür kann der Amarok mehr als eine Tonne schleppen, wenn es sein muss, und die Ladefläche bietet ein Volumen von 1.240 Litern - wer noch mehr Gepäck mitnehmen will, kann auch ein Hardtop über die Ladefläche setzen lassen (je nach Basisausführung 2.292 bis 3.368 Euro Aufpreis) und den Raum deutlich vergrößern. Allerdings sieht der Pick-up dann nicht mehr wirklich nach Pick-up aus.
 
Ganz im Gegensatz zu diesen eher praktischen Werten steht der sehr kultiviert arbeitende Motor. VW hat auf Kritik der Kundschaft reagiert und für Europa den Vierzylinder ganz aus dem Markt genommen. Mittlerweile gibt es den Amarok nur noch mit einem geschmeidigen Dreiliter-Turbodiesel und sechs Zylindern, in den Leistungsstufen 163, 204 und - ganz neu - 258/272 PS. Dass man den Motor während der Testfahrt gut arbeiten hört, liegt an dem als Zubehör erhältlichen Schnorchel, der je nach Material zwischen 500 und über 2.000 Euro kostet. Er läuft rechts an der A-Säule entlang und sucht auf Dachhöhe nach Frischluft zur Verbrennung - das hilft bei Wasserdurchfahrten (auf die wir in der Wüste vergeblich hoffen), und im normalen Leben macht es einfach Spaß, bei offenem Fenster zu fahren: Immer wenn der Fahrer aufs Gas tritt, ertönt ein gurgelnd-saugendes Geräusch, herrlich.
 
Wobei: Im Oman ist der Frühling ausgebrochen, und das Thermometer klettert nun jeden Tag auf 40 Grad - das offene Fenster ist da eine Fehlentscheidung, denn es erschwert der Klimaanlage die Arbeit. Also Fenster zu, bei knapp 25 Grad leben und an jedem Foto- oder Tankstopp die ganze Wucht der Sonnenkraft über sich ergehen lassen. Die Einheimischen in ihren hellen, luftigen Dishdashs belächeln ihre hellhäutigen, teils krebsroten Gäste und erzählen, dass es im Sommer auch zwischen 50 und 60 Grad heiß werden könne.
 
Abkühlung findet man nur in den Bergen. Die Amaroktour geht über extrem steile Schotterpisten hoch bis auf 1.700 Meter, und da sind tagsüber angenehme 25 Grad, während es nachts auch richtig kühl werden kann. Während der Übernachtung im Hadschar-Gebirge ist aber eher das schwere Gewitter, gepaart mit Starkregen und stürmischen Böen, ein Problem. Nicht wenige Teilnehmer fliehen aus den einfachen Wurfzelten in die Autos, um dort auf den Liegesitzen zu übernachten. Auf der Ladefläche ginge es auch, nur müsste man dazu die Heckklappe offenlassen, was bei dem Regensturm keine Option ist.
 
Alles in allem erweist sich der VW Amarok als teils knorriger, teils eleganter Begleiter, er ist eine Art Kumpeltyp auf vier Rädern. Die Vielfalt, die dem Nutzfahrzeugmarkt eigen ist, lässt es zu, dass man den Pick-up von VW in vielen Varianten zwischen knapp 32.000 und fast 57.000 Euro bekommt. Den Kalkulationen liegen drei gänzlich unterschiedliche Technik-Konfigurationen zugrunde: Das Amarok-Basismodell fährt allein mit Hinterradantrieb, bei der mittleren Variante kann die Vorderachse zugeschaltet werden, außerdem ist serienmäßig ein Reduktionsgetriebe für schweres Gelände enthalten. Das Topmodell wiederum fährt mit permanentem Allradantrieb und Achtgangautomatik. Ein Reduktionsgetriebe gibt es hier nicht, aber ein Torsendifferenzial übernimmt die Kraftverteilung zwischen den Achsen, und die beiden ersten Gänge sind kürzer übersetzt, als es für die Straße nötig wäre. So hat der Top-Amarok in der Stadt schon nach kurzer Strecke in den fünften Gang geschaltet, während er im Gelände genug Kraft auch für schwierige Steigungen hat.
 
Die großen Dünen auf der Wüstenetappe hat das Automatikmodell jedenfalls mit der gängigen Strategie bewältigt: ,,Gas, Gas, Gas!"

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