Oldtimer

Panorama Motorfestival am Strand von Römö - Beachboys in Eile

  • In OLDTIMER
  • 14. September 2018, 11:30 Uhr
  • Benjamin Bessinger/SP-X

Normalerweise ist das Heulen des Windes und das Knattern der Kitesegler das einzige, was man hier am Strand von Rømø hört. Doch an einem Samstag im September ist die Geräuschkulisse eine andere: Da heulen die Achtzylinder in alten Amischlitten und es knattern die Motorräder. Denn dann ist Motorfestival und die Beachboys feiern eine rauschende PS-Party. Das hat an der dänischen Nordseeküste eine lange Tradition.

Staf Skov steht in den Dünen am Strand von Römö und kann selbst kaum glauben, was er da sieht. Dabei ist er für das ganze Spektakel hier mitverantwortlich. Doch dass mitten im Nationalpark einmal zehntausend Petrolheads eine PS-Party feiern und sich jeweils über 50 bis oft bis zur Unkenntlichkeit getunten Autos und Motorräder aus den 1930ern auf dem betonharten Sand erbitterte Rennen liefern würden, das hätte sich der Däne damals in seinen kühnsten Träumen nicht vorstellen können. Denn eigentlich wollten er und ein paar Kumpels mit ihren Hotrods doch einfach nur ein bisschen Spaß am Strand haben. Genauso, wie vor fast 100 Jahren ein paar Rennfahrer, Privatiers und Hasardeure, die den Strand der Nachbarinsel Fanö als Rekordmeile auserkoren hatten.,,Das war damals die schnellste Strecke der Erde", erinnert sich Staf an die Berichte von den berühmten Strandrennen, die 1919 begonnen hatten: ,,Rennstrecken gab es zu dieser Zeit noch nicht, die Straßenkurse waren zu verwinkelt und zu kurvig für hohe Geschwindigkeiten und in Daytona oder Bonneville waren sie noch nicht auf den Geschmack gekommen."Zu den Stars jener Zeit gehört auch Carls Jörns, der als Werksfahrer für Opel ins Lenkrad greift und in Fanö mit einem ganz besonderen Auto an den Start geht: Dem ,,grünen Monster", einer riesigen Rennzigarre, die aus kaum etwas anderem besteht als aus vier hüfthohen Rädern und einem Motor, der zwar nur vier Zylinder aber dafür 23 Liter Hubraum hat. Das größte Triebwerk, das in Rüsselsheim je gegossen wurde, leistet rund 260 PS und bringt Jörns bei den Strandrennen von Fanö zahlreiche Siege und einen Rekord ein: Er jagt  mit 228 km/h über den Strand und darf sich als schnellster Autofahrer der Welt feiern lassen.96 Jahre nach dem letzten Rennen in Fanö steht das grüne Monster jetzt auf der Nachbarinsel wieder am Strand und ist der Star beim dritten Römö Motor Festival. Denn aus der Schnapsidee für Stafs Clique aus US-Car-Fans ist mittlerweile eines der spektakulärsten und charmantesten Motorsportevents im europäischen Oldtimer-Kalender geworden. Nach jahrelangen Verhandlungen mit den Behörden haben Staf und seine Kumpels tatsächlich mitten im Naturpark die Genehmigung für ein Rennen bekommen: Was mit vielleicht 30 Fahrzeugen klein angefangen hat, ist mittlerweile eine Großveranstaltung mit zwei Tagen Konzert und Party geworden, die trotzdem ihren Charme bewahrt hat. Mehr als 100 Fahrzeuge - je etwa zur Hälfte Autos und Motorräder - aus elf Ländern sind an den Strand gekommen, um auf der Rennstrecke gegeneinander anzutreten. Und drum herum auf den Parkplätzen steht mehr amerikanisches Alteisen als bei jedem anderen Autotreffen. Denn seit Ford nach dem ersten Weltkrieg ein Montagewerk erst für das Modell T und dann für das Modell A in Kopenhagen eröffnet hat, schwärmen die Skandinavier vor allem für US-Autos und leben diese Liebe bei Events wie dem Motorfestival in vollen Zügen aus. Kein Wunder also, dass sich auf dem schmalen Damm zur Insel in diesen Tagen Hotrods und Heckflossen, Musclecars ind Pick-Ups stauen, als hätte jemand die Zeit zurück gedreht und die Welt eine halbe Umdrehung nach Westen gerückt.Auch auf dem Strand kommt Amerika first: Harley Davidsons und Indians bei den Motorrädern und vor allem Hotrods auf Basis amerikanischer Oldtimer, dem Reglement nach vor dem zweiten Weltkrieg gebaut und mit Teilen getunt, die den Stand von 1947 oder früher haben, scharren deshalb mit ihren Speichenrädern im Sand, daneben skurrile Eigenbauten und mächtige Maschinen wie das grüne Monster. Manche sind Rostlauben, die ihre Besitzer für 3.000, 4.000 Euro zusammengeschraubt haben, sagt Staf. "Aber viele sind hohe sechsstellige Summen wert." Geschont werden sie trotzdem nicht: ,,Wir gebrauchen und missbrauchen die Oldtimer genau dafür, wofür wir sie monatelang gehegt und gepflegt haben," sagt Staf lachend : ,,um damit unseren Spaß im Sand zu haben."Deshalb lassen sie alle die Kupplung schnalzen, sobald eines der Girls mit fast schon akrobatischen Fertigkeiten die Startflagge schwingt und gehen mit Vollgas auf die Strecke. Anders als früher in Fanö ist die zwar nur eine Achtelmeile oder rund 200 Meter lang, so dass hier sehr zur Freude der ziemlich gelangweilten Rettungskräfte niemand auch nur annähernd seine Höchstgeschwindigkeit erreicht. Doch auf 70, 80 bisweilen sogar 100 Sachen kommen sie hier allemal und das Spektakel ist garantiert. Zumal es bei Oldtimerrennen eben nicht nur was für die Augen gibt, sondern auch für die Ohren und für die Nase. Und wenn Autos wie der American LaFrance mit seinem 27 Liter großen Flugzeugmotor über die Startlinie donnern, dann kann man die Kraft sogar mit den nackten Fußsohlen im Sand spüren, so stark lässt er den Boden beben.Das Publikum, meist in Rock'n'Roll-Uniform, Harley-Shirts oder alter Mechaniker-Verkleidung, ist begeistert und quittiert jeden Gasstoß mit einem tiefen Raunen. Nur Jens Cooper ist traurig. Denn Cooper ist der Oldtimer-Spezialist aus dem Opel-Werk und sollte hier eigentlich mit dem Grünen Monster die große Show abziehen. Während das Ungetüm beim Training an den Tagen zuvor noch durchs Watt gefahren ist und die wenigen Zuschauer hat ahnen lassen, welche Urgewalt hier am Werk ist, steht er jetzt still in der Boxengasse: Donnernd laut, mit einer meterhohen Sandfontäne im Schlepp und einer Wolke aus Ruß aus dem glühenden Auspuff hat er gestern den Strand beben lassen. Doch jetzt, wo zehntausend Zuschauer in den Dünen hocken und die Boxengasse voll ist von Rennfahrern und Mechanikern in Kostümen aus der Vorkriegszeit, ausgerechnet jetzt macht der Motor keinen Mucks mehr. Sand im Getriebe - das kann man in diesem Fall fast wörtlich nehmen. Denn auch wenn selbst Kieselsteine durch die offene Kulisse der außen angeschlagenen Schaltung kullern würden, ohne dass es mit der groben Messing-Mechanik ein Problem gäbe, war es offenbar der feine Flugsand vom Vortag, der in den Vergaser geraten ist und der Diva die Laune verdorben hat.Während Cooper sich langweilt und traurig die Fragen der enttäuschten Zuschauer beantwortet, hat Staf an diesem Samstag alle Hände voll zu tun: Er muss die Boxengasse frei bekommen, muss den Rettungsdienst bei Laune halten, der sich in den letzten drei Jahren durchgehend gelangweilt hat, er muss regelmäßig die Mädels mit den Startflaggen auswechseln und er muss schauen, dass niemand ohne zeitgemäßes Kostüm in den Bereich unmittelbar um die Rennstrecke kommt. Aber immer wieder zieht es ihn hinauf in die Dünen, wo er sich einen Überblick verschafft und sich jedes mal selbst kneifen muss, weil er nicht glauben kann, was er da sieht.Und dann lässt er seine Gedanken wandern und beginnt im Kopf schon mit den Planungen fürs nächste Jahr. Da jährt sich das erste Rennen am Strand von Fanö zum 100. Mal und Staf hofft auf ein ganz besonderes Event - vielleicht sogar mit einer längeren Strecke und entsprechend mehr Speed. Bei Opel werden sie das gerne hören und über Coopers trauriges Gesicht huscht ein Lächeln. Denn bis dorthin läuft das Grüne Monster sicher wieder.

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