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Panorama: Caffeine & Machine - Kaffeefahrt für Fortgeschrittene

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  • 26. Mai 2019, 08:26 Uhr
  • Benjamin Bessinger/SP-X

Von wegen Heizdecken und Lammfellschuhe: Wer zur Kaffeefahrt nach Ettington startet, sollte besser ein waschechter Petrolhead sein. Denn in nicht einmal einem halben Jahr hat sich der Landgasthof ,,Caffeeine & Machine' zum Hotspot der britischen PS-Szene entwickelt.

Es ist ein ganz normaler Werktag, das Wochenende ist noch weit und der Feierabend ebenfalls, doch der Parkplatz ist schon wieder voll: Ein Bentley und zwei Rolls-Royce stehen auf dem Hof, daneben drei dick mit Dreck verkrustete Land Rover, von denen noch der feuchte Schlamm tropft, ein paar heiß gemachte Reiskocher vom Stil des Subaru Impreza WRX oder der Mitsubishi Lancer Evo und natürlich dürfen auch Porsche & Ferrari nicht fehlen. Und dass, obwohl wir mitten in der englischen Provinz sind, London zwei Stunden entfernt liegt und es auch nach Birmingham ein gutes Stück zu fahren ist: Willkommen bei Caffeeine & Machine, dem jüngsten Hotspot der britischen PS-Szene.

Wo sich die Petrolheads andernorts zu Cars & Coffee auf irgendeinem Parkplatz treffen, haben sie in England jetzt auf halbem Weg zwischen London und Birmingham mitten in den Cotswolds eine feste Heimat. Denn dort hat Phil McGovern im letzten Herbst die vielleicht coolste PS-Kneipe im bislang noch EU-europäischen Ausland eröffnet. Auf dem platten Land, umgeben nur von Weiden, Wäldern und vor allem einem großen Parkplatz, heißt er jeden Willkommen, der ein cooles Fahrzeug besitzt, Benzin im Blut hat oder einfach gerne dem PS-Geflüster lauscht.

Die Idee ist Phil McGovern gekommen, weil es der Geschäftsmann, Autonarr und Event-Veranstalter irgendwann leid war, immer neue Locations für die von ihm organisierten Ausfahrten zu suchen, mit Wirten zu streiten und Termine abzustimmen. Also hat er irgendwann dieses einsame Landhaus entdeckt, ein paar Kumpel wie den TV-Journalisten Tom Ford ins Boot geholt, und den Laden zu einer PS-Kneipe umgebaut: Zentrale Anlaufstelle ist eine riesige Chromtheke, auf der eine Espressomaschine thront, gegen die selbst der W12-Motor aus dem Bentley vor der Tür wie ein Spielzeug wirkt. Irgendwie muss die Kneipe ihrem Namen ja gerecht werden.

Drum herum in den ehemaligen Wohn- und Schlafzimmern des alten Herrenhauses stehen Stühle, Sessel und Sofas und vor allem viele PS-Devotionalien, vom Käfer-Chassis über ein Rennmotorrad bis hin zu halben Motoren und anderen Autoteilen. Und natürlich hängen die Wände voll mit Rennplakaten und allem, was McGovern sonst noch als ,,Automotive Art" bezeichnet.

Über mangelnden Zuspruch kann sich der Wirt und Wagenmeister nicht beklagen. Schon am ersten Tag war so viel los, dass sie eine halbe Stunde vor der offiziellen Eröffnung eigentlich bereits wieder hätten zu machen müssen. Und seitdem haben sie keinen ruhigen Tag mehr gehabt. ,,Dabei hat der Sommer noch gar nicht angefangen", sagt McGovern und blickt dabei fast schon ein bisschen besorgt.

Denn nach einem guten halben Jahr, weiß er mittlerweile, welche Anziehungskraft Caffeine & Machine auf die Kaffeefahrer hat: ,,Das ist wie ein Freizeitzentrum für große Kinder. Viele fahren hunderte von Meilen", hat er gelernt, ,,und immer wieder treffen sich hier irgendwelche Clubs, um nach einem gemeinsamen Brunch oder Lunch zu einer Ausfahrt zu starten." Spätestens da wird die, nun ja, etwas provinzielle Lage fernab jeder Großstadt zum Vorteil, weiß der Betreiber. ,,Wir haben die schönsten Straßen von ganz England direkt vor der Haustüre", sagt McGovern und lässt den Blick über die Hügel der Cotswolds schweifen.

Die locken offenbar Petrolheads aller Couleur: Es kommen die Superreichen im Lambo, Ferrari oder Maserati genauso wie das PS-Proletariat im Lancia, Ford oder Rover, es gibt die Tuning-Fraktion mit aufgemotzten Hotrods und wild bespoilerten Kleinwagen und die Puristen, die mit piekfeinen Oldtimern heran tuckern. Und weil Land Rover, Jaguar und Aston Martin nicht weit sind, stehen sogar immer mal wieder getarnte Prototypen auf dem Hof. ,,Irgendwo müssen die Entwickler ja mal eine Pause machen bei ihren Testfahrten", lacht McGovern.

Obwohl das Café erst seit einem guten halben Jahr geöffnet hat, gibt es deshalb bislang noch nicht viel, was es noch nicht auf seinem Parkplatz gegeben hat, sagt McGovern und beginnt eine Aufzählung, die aus Pebble Beach nicht imposanter klingen könnte: Von Ruf bis Pagani, von Bugatti bis Bentley waren sie schon alle hier, das älteste Auto war ein Model A von 1920 und das jüngste der Aston Martin DBX, der erst im nächsten Jahr präsentiert wird. Und selbst wenn mal ausnahmsweise kein Gast da ist, steht ein spektakuläres Auto im Hof: Schließlich fährt McGovern einen Porsche 911 RSR aus der Generation 993, der selbst schon eine Schau ist.

Außerdem lohnt der Weg nach Ettington selbst dann, wenn man keinen Faible für Fahrzeuge hat: Denn allein der Kaffee, den der Barista hinter dem riesigen Alutresen brüht, ist jeden Kilometer wert. Umso verwunderlicher, dass sie hier mittags schon mehr Bier ausschenken als Latte oder Cappuccino - typisch englisch halt. Und McGovern kann damit gut leben. Denn die Begeisterung für Autos und für gute Getränke hat ihm und seinem Team ein paar turbulente Monate beschert.

Zwar freut sich der Wirt unbändig über den Erfolg, doch bereitet ihm der Zuspruch zunehmend ein Problem, mit dem er hier draußen auf dem Land am allerwenigsten gerechnet hätte. Obwohl sie schon drei Mal erweitert haben, gehen ausgerechnet der Autofahrer-Kneipe schlechthin gerade die Parkplätze aus.

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