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Panorama: Renault Triber für Indien - Auf Sparkurs an die Spitze

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  • 7. Februar 2020, 13:25 Uhr
  • Benjamin Bessinger/SP-X

Mit dem Kleinstwagen Kwid hat Renault in Indien einen Sensationserfolg gelandet und vor allem den VW-Managern gezeigt, wie auch Westler ein Billigauto für den völlig unterentwickelten Riesenmarkt auf die Räder stellen können. Jetzt soll der Triber beweisen, dass dieser Erfolg keine Eintagsfliege war.

Auf den vier Spuren fahren acht Autos nebeneinander, dazu als Lückenfüller noch hunderte von dreirädrigen Tuk-Tuks und um das Chaos komplett zu machen Myriaden von Motorrollern, die nicht selten mit vier Personen besetzt sind - so quält man sich in Mumbai Richtung Zentrum und sehnt sich plötzlich nach Shanghai oder Mexico City. Denn gemessen an der indischen Metropole ist der Verkehr in anderen Mega-Cities flüssig wie das Wasser in einem Bergbach, während er hier die Konsistenz von Beton hat, der seit 12 Stunden aus dem Mischer ist.Wer durch Städte wie Mumbai oder Delhi fährt, der kann kaum glauben, dass Indien noch ein automobiles Entwicklungsland ist und die PS-Branche seit 30 Jahren darauf wartet, dass der Boom hier endlich losgeht. Doch während es in den Städten schon längst zu viele Autos gibt, herrscht beim Gros der knapp 1,5 Milliarden Menschen ein eklatanter automobiler Mangel, den sie bei Hyundai oder VW, Toyota oder Ford nur allzu gerne stillen würden. Denn während im weltweiten Mittel auf 1.000 Menschen 155 Autos kommen und die Quote in Deutschland sogar bei 557 liegt, sind es in Indien nur 25. Eine Zahl, die den Autoherstellern, das Dollar-, Euro-, Won- oder Yen-Zeichen in die Augen treibt.Die Japaner - allen voran Suzuki - und die Koreaner haben das längst begriffen und den von Billigautos geprägten Markt gemeinsam mit dem lokalen Marktführer Tata unter sich aufgeteilt. Und in der kleinen aber feinen Luxusliga schlagen sich Mercedes, Audi und BMW auch nicht schlecht. Doch die europäischen Volumenmarken haben lange keinen Zugang gefunden und vor allem VW beißt sich die Zähne aus: Die Kooperation mit Suzuki ist gescheitert und die Niedersachsen allein können einfach keine günstigen Autos bauen. Deshalb haben sie jetzt Skoda vorgeschickt, die Tschechen sollen die harte Muskat-Nuss knacken.Doch der Weg dahin ist weit, denn der Vision IN ist noch eine Studie, und auch der baugleiche VW Taigun hat noch ein Stück des Weges vor sich. Wo der hinführen kann, hat aus ausgerechnet Renault gezeigt und dem VW-Konzern mit dem Kwid schon vor drei Jahren den Rang abgelaufen: Kaum größer als unser Twingo, innen aber sehr viel geräumiger und umgerechnet gerade einmal 3.500 Euro teuer, hat sich der aufgebockte Kleinwagen zu einem Bestseller gemausert und den Franzosen die Spitzenposition unter den Europäern gesichert. Und jetzt will Renault beweisen, dass dieser Erfolg keine Eintagsfliege ist und stellt dem Kwid als großen Bruder den Triber zur Seite. Auch der ist mit vier Metern nicht gerade lang und mit weniger als fünf Lhak, also 500.000 Rupien oder umgerechnet 6.350 Euro, ebenfalls am unteren Ende der Preistabelle verortet, bietet aber sieben Sitze und wird so zur idealen Familienkutsche für die indische Generationengemeinschaft.Genau wie der Kwid macht er von außen ebenfalls auf SUV und reckt weit ausgestellte Kotflügel mit massiven Rammschutzleisten ins Gewühl. Damit sieht er nicht nur besser und weniger billig aus als die Kleinstbusse von Suzuki oder Tata, die hier sonst die Straßen füllen. Er wirkt auch etwas robuster und man fühlt sich von Haus aus ein wenig sicherer im Chaos, das auf dem Weg zum Gate of India und dem Taj Hotel herrscht. Denn die heiligen Kühe, die hier gerne mal auf dem dürren Grünstreifen der - nun ja - Autobahn - grasen oder selbst in Delhi durch die Stadt spazieren, sind noch das geringste Übel. Es sind vielmehr vor allem die Scooter, die kreuz und quer durch den Verkehr schießen, die einen in den Wahnsinn zu treiben drohen und die hinduistische Idee von der Reinkarnation plötzlich ganz zweckreich erscheinen lassen.So sehr sich der Triber außen von der Konkurrenz unterscheidet, so deutlich setzt er sich auch innen ab: Ja, es gibt reichlich Hartplastik, scharfe Kanten, dünnen Stoffe und offene Schrauben. Die Schalter gleiten nicht durch Silikon, sondern rasten hart und lautstark ein und wenn man die Tür zuschlägt, klingt es, als lasse man eine Blechdose auf den Fußboden fallen. Doch da, wo es den Indern drauf ankommt, hat Renault nicht gespart: Es gibt hübsch animierte Instrumente ohne Zeiger und einen großen Touchscreen mit Smartphone-Integration, die Fenster öffnen und die Türen verriegeln auf Knopfdruck, beim Rangieren hilft eine Rückfahrkamera und zwischen den Sitzen haben sie sogar ein gekühltes Staufach eingebaut. Ein Scénic in Europa ist faktisch kaum besser ausgestattet, selbst wenn er fünfmal so viel kostet.Die Sitze dünn, die Verkleidung noch dünner und die Karosserie so aufrecht wie Gandhi im Kampf gegen die Unterdrückung, so wird der Triber zum Raumwunder, in dem man - der verschiebbaren Bank in der zweiten Reihe sei Dank, tatsächlich zu siebt sitzen kann. Klar ist das kein Luxus. Aber man sitzt hier ganz hinten noch immer besser, als in der zweiten Reihe eines VW Up hat nicht nur mehr Knie-, sondern vor allem mehr Kopffreiheit. Und wer sich sonst zu siebt in Tuk-Tuks quetscht oder die ganze Familie auf eine Vespa packt, der sieht die Welt ohnehin mit anderen Augen und fühlt sich im Fond des Triber wie unsereins auf dem Rücksitz einer S-Klasse.Nur vom Kofferraum bleibt dann natürlich nicht mehr viel übrig und viel mehr als eine Jacke pro Passagier passt kaum hinter die Klappe. Aber dafür kann man die Sitze ja problemlos umlegen oder mit zwei Handgriffen die Rücklehnen ausbauen - und dann als Sitzkissen fürs Picknick verwenden.Auch fahrerisch beweist der Triber Augenmaß: Renault hat sich nicht zum Wettrüsten verleiten lassen, sondern sich den lokalen Erfordernissen und Ansprüchen angepasst: Zum gutmütigen Fahrwerk für knöcheltiefe Schlaglöcher und nicht minder hohe Temposchwellen gibt es deshalb einen vorlauten Dreizylinder mit einem Liter Hubraum, der sich mit mageren 72 PS begnügen muss und schwer ins Schnaufen kommt, wenn man den rechten Fuß tatsächlich mal durchdrückt. Oft passieren wird das allerdings nicht. Denn erstens darf man in Indien ohnehin nirgends schneller als 100 km/h fahren, und zweitens ist man vor allem in Mumbai oder Delhi schon froh, wenn der Schnitt mal zweistellig ist. Denn genau wie die Automobilwirtschaft will auch der Verkehr partout nicht in Fahrt kommen.

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