Halbjahres-Pressekonferenz 2020

VDA-Präsidentin: ,,Ein beispielloser Einbruch der weltweiten Märkte"



Der Weg aus der Corona-Absatzkrise für die Automobilhersteller und ihre Zulieferer ,,wird lang und steinig sein", sagten Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilhersteller (VDA) voraus. Bei der Presskonferenz zum ersten Halbjahr heute in Berlin berichtete sie aber auch von ersten Lichtblicken. So sei der Auftragseingang im Juni um 11 Prozent gegenüber dem Vormonatswert gestiegen. Deutlich wurde Müller bei ihren Forderungen, besonders an die europäische Politik. Wachstum und Ökologie müssten Hand in Hand gehen. Es gehe um den intelligenten Mix, um die gesamte Palette der Technologien.

,,Der Einbruch der Märkte ist seinem Ausmaß und in seinem globalen Umfang beispiellos", betonte Hildegard Müller mit Blick auf die Folgen der Corona-Pandemie. Im ersten Halbjahr 2020 gingen die Pkw-Neuzulassungen in Deutschland um knapp 35 Prozent auf 1,21 Mio. Pkw zurück. Das ist der niedrigste Wert für ein erstes Halbjahr in Deutschland seit der Wiedervereinigung vor 30 Jahren. Ähnlich ist das Bild auf den internationalen Märkten: So ging der europäische Pkw-Markt bis Mai um 43 Prozent zurück, der US-Markt um 23 Prozent, der Markt in China um 27 Prozent.

Für das zweite Halbjahr deutet sich eine leichte Erholung an. Doch auch ein fortgesetzter Aufwärtstrend werde den Einbruch aus der ersten Jahreshälfte nicht annährend ausgleichen können. So rechnet der VDA für das Gesamtjahr 2020 mit einem Rückgang des Pkw-Weltmarkts um 17 Prozent auf 65,9 Mio. Einheiten (2019: 79,5 Mio.). Besonders stark wird der Rückgang in Europa mit 24 Prozent sein. Für Deutschland geht der VDA von rund 2,8 Mio. Pkw-Neuzulassungen im Gesamtjahr aus (-23 Prozent). Demgegenüber etwas glimpflicher verlaufen wird der Einbruch in den USA (-18 Prozent) sowie in China (-10 Prozent).

Nutzfahrzeugmärkte noch stärker betroffen

Noch stärker als bei Pkw werden die Nutzfahrzeugmärkte durch die Krise getroffen. Der weltweite Absatz von Nutzfahrzeugen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 6 Tonnen wird nach VDA-Prognosen 2020 um 24 Prozent auf 2,6 Mio. Einheiten zurückgehen. Für den US-Markt wird mit einem Minus von 40 Prozent gerechnet. In Westeuropa (-35 Prozent) und Deutschland (-29 Prozent) wird der Rückgang ebenfalls beispiellos sein.

Der dramatische Einbruch der Nachfrage, der zeitweise Abriss der Lieferketten sowie wochenlange Produktionsstopps führten dazu, dass die Pkw-Produktion in Deutschland im ersten Halbjahr auf das niedrigste Niveau seit 45 Jahren gesunken ist. Von Januar bis Juni wurden an den deutschen Standorten knapp 1,5 Mio. Fahrzeuge hergestellt, das sind 40 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Für das Gesamtjahr 2020 erwartet die VDA-Präsidentin eine Pkw-Inlandsproduktion von 3,5 Mio. Einheiten (-25 Prozent). Auch hier sei mit einer ersten langsamen Erholung im zweiten Halbjahr zu rechnen. Der Export aus Deutschland wird nach VDA-Prognosen im Jahr 2020 um 27 Prozent zurückgehen; in den ersten sechs Monaten des Jahres war er um 40 Prozent auf 1,1 Mio. Einheiten eingebrochen.

Kaum Auswirkungen auf Beschäftigung

Auf die Beschäftigung hat sich dieser Rückgang noch nicht stark ausgewirkt. Die Zahl der Beschäftigten in der deutschen Automobilindustrie lag Ende April mit 814.000 Mitarbeitern etwa drei Prozent niedriger als ein Jahr zuvor. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass aktuell etwa jeder zweite Beschäftigte der Industrie in Kurzarbeit ist. ,,Die massiv geringere Produktion hat nicht nur für Hersteller, sondern besonders für viele mittelständische Zulieferer schwerwiegende Konsequenzen", so Hildegard Müller. ,,Wir müssen davon ausgehen, dass die Beschäftigtenzahl bis zum Jahresende 2020 weiter zurückgeht."

Hohe Investitionen in Elektromobilität und Digitalisierung

Im Hinblick auf die Wirtschaft als Ganzes geht es nach Müllers Überzeugung nun vor allem darum, die industrielle Basis in Europa und Deutschland zu erhalten und Beschäftigung zu sichern. ,,Für die Automobilindustrie kommt hinzu, dass sie ihre Transformation für neue Antriebe und die Digitalisierung weiter vorantreibt. Das sind enorme Herausforderungen." Mit Investitionen in Höhe von allein 50 Mrd. Euro in neue Antriebe und weiteren 25 Mrd. Euro in die Digitalisierung bis zum Jahr 2024 investieren die VDA-Mitgliedsunternehmen erheblich in die Transformation.

Wir brauchen auch den Verbrenner

,,Wir brauchen - auch mit Blick auf internationale Märkte, Wachstum und Beschäftigung - weiterhin einen intelligenten Mix an Angeboten: Vom batterieelektrischen Auto bis hin zu sparsamen und emissionsarmen Fahrzeugen mit hochmodernem Benzin- und Dieselmotor", so Müller. Insbesondere der Plug-in-Hybrid bietet hier enorme Chancen. Und zum Erreichen des großen Ziels der klimaneutralen Mobilität werden die Nutzung von Wasserstoff und erneuerbaren e-Fuels an Bedeutung gewinnen.

Insgesamt wird das Auto nach Müllers Überzeugung auch in Zukunft elementarer Bestandteil einer klimaschonenden Mobilität sein. ,,Die Anforderungen an die Verkehrsmittel unterscheiden sich, etwa zwischen Stadt und Land. Deshalb kommt es darauf an, die jeweils beste Lösung einzusetzen, die Lebenswirklichkeit der Menschen zu berücksichtigen und beim Weg in die Mobilität der Zukunft technologieoffen vorzugehen."

VDA fordert von Europa ambitioniertes Klima- und Industriepaket

Die EU brauche ein ambitioniertes Industriepaket, um aus der Krise zu kommen", unterstrich Müller. Der Schwerpunkt müsse auf Wachstum und Investitionen gelegt werden. Dazu zählten der konsequente Ausbau der Infrastruktur für Elektromobilität und Wasserstoff, der Hochlauf von e-Fuels und Investitionen in die Digitalisierung. (ampnet/Sm)

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