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Sonst noch was? - Ein freundlicher Hinweis

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  • 19. Juni 2022, 09:24 Uhr
  • Günter Weigel/SP-X
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Sonst noch was? Foto: SP-X

Lernkurven können steil sein, oder eher an eine horizontale Gerade erinnern. Letztere trifft auf die einiger Autofahrer zu, welche unbedingt bergab schnell sein wollen. Was dagegen das Lernverhalten der Politik angeht, sind wir uns noch nicht sicher.

Schnelles Fahren muss man sich leisten wollen. Das war im Grunde genommen schon immer so und ändert sich auch in Zukunft nicht. Wobei wir an dieser Stelle gar nicht mal so sehr die stetig steigenden Spritpreise im Auge haben. Nein, das ganz banale Fahren nach den Regeln der Straßenverkehrsordnung bietet schon genügend Gelegenheiten, hin und wieder einen Extra-Obolus zu entrichten.

In der beginnenden Urlaubszeit wollen wir deshalb als kleinen Service an den geneigten Leser nur kurz daran erinnern, dass Knöllchen für zu hohes Tempo in den meisten Nachbarländern eher teurer sind als zu Hause und die überwachenden Staatsbediensteten auch mancherorts strenger sind als bei uns. Diesbezüglich wurden wir schon vor längerer Zeit Zeuge, als ein schwedischer Ordnungshüter den damaligen Pressesprecher einer schwedischen Marke anhielt und zur Kasse bat, weil er die maximal zulässige Höchstgeschwindigkeit um genau 1 km/h überschritten hatte.

Hierzulande gibt es neben immer wieder neu aufgestellten mehr oder weniger spontanen Messstellen auch etliche festmontierte, die dem Autofahrer im Allgemeinen bestens bekannt sind und auf die sogar mittels Beschilderung eigens hingewiesen wird. Beispielsweise die Schilderbrücke am Elzer Berg auf der A3 in der Nähe von Limburg in Fahrtrichtung Frankfurt. Die gibt es seit 1973, Zeit genug also, sich daran zu erinnern, dass auf dieser Gefällstrecke geblitzt wird. Im vergangenen Jahr nun wurde die Blitzanlage erneuert. Die alte war etwas umständlich in der Bedienung, Fotos mussten quasi von Hand ausgelesen werden und zudem wurde die Anlage häufig durch Schusswaffengebrauch (!) malträtiert.

Die neue Brücke hat zwar 1,1 Millionen Euro gekostet, wird aber online ausgewertet und ist gegen alle möglichen Arten von Sabotage geschützt. Vor allem nützt es eben auch nichts mehr, wenn man nach dem Blitz die Kamera zerstören will, das Bild ist dann längst übermittelt. Die neue Anlage hat im ersten Halbjahr seit ihrer Inbetriebnahme knapp drei Millionen Euro für das Land Hessen eingespielt. Einerseits eine gute Rendite, andererseits ein Armutszeugnis für rund 70.000 Autofahrer, die Schilder offenbar nicht lesen können oder wollen. Man muss das nicht verstehen, erkennt aber, dass eine Lernkurve auch eine bergabführende Gerade sein kann.

Nicht ganz verstanden hatten wir ja die Spritsteuerrabattaktion der Bundesregierung und die anschließende Verwunderung, dass sie nicht ganz so wirkt wie erhofft. Immerhin hat inzwischen das Ifo-Institut auf Basis eines Vergleichs mit Frankreich nachgerechnet, dass doch der größte Teil der Steuererleichterung von Seiten der Mineralölindustrie weitergegeben wurden. Diese mittelgute Nachricht ändert nichts an der mangelnden Sinnhaftigkeit der ganzen Aktion.

Fürs nächste Mal, liebe Entscheider in der Berliner Politikblase, lieber nochmal drüber nachdenken, bevor ihr derlei pseudopopulistische Aktionen startet. Wenn man Menschen mit wenig Einkommen helfen will mit steigenden Preisen zurechtzukommen, dann könnte man diesen ja direkt das Geld geben. Das sind übrigens nicht die mit den teuren Dienstwagen. Selbst wenn die Öl-Multis alles sauber weitergegeben hätten, profitierten vom Steuerverzicht vor allem Unternehmen mit großer Dienstwagenflotte. Andererseits: Die hatten jetzt wenigstens auch mal wieder Grund zur Freude. Sonst noch was? Nächste Woche wieder.

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