Motorrad

Test: Kumpan 54i:gnite - Stromern im Sauseschritt

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Das Topmodell von Kumpan ist der rund 100 km/h schnelle Kumpan 54i:gnite Foto: SP-X/Mario Hommen

Wer auf dem E-Roller nicht von Autos gemobbt werden will, muss in Leistung und Akkus investieren. Das kostet, bereitet allerdings auch ungemein Spaß, wie sich am Beispiel des Kumpan 54i:gnite zeigt

Elektro-Roller für kleines Geld gibt es mittlerweile viele, bei denen sich Nutzer allerdings meist in Verzicht üben müssen. Mit dem Kumpan 54i:gnite gibt es eine Alternative, die hinsichtlich Leistung, Tempo und Akkukapazität aus dem Vollen schöpft. Vor allem längsdynamisch sorgt der emissionsfreie 125er für reichlich Laune. Wer mit dem Kumpan auf große Fahrt will, muss jedoch kräftig investieren.

Nein, beim 54i:gnite handelt sich nicht um eine Vespa. Vermutlich nicht ganz zufällig ähnelt das Topmodell von Kumpan zwar dem italienischen Klassiker, als dreiste Kopie nimmt man ihn dennoch nicht wahr. Ohnehin kann er in puncto Eleganz und Qualitätstiefe den in Großserie hergestellten Vespas nicht das Wasser reichen. Der weitgehend in Deutschland produzierte Einspurstromer fällt zudem in allen Dimensionen größer aus, wirkt in manchen Details, etwa aufgrund der wenig filigranen Hinterrad-Zweiarmschwinge, etwas grobschlächtig. Doch im Gegensatz zu vielen E-Roller-Modellen aus chinesischer Produktion sieht der 54i:gnite nicht billig aus. Dafür sorgen unter anderem futuristisch anmutende LED-Leuchten oder der rote Sitzbankbezug, der einen schicken Kontrast zu den grau lackierten Verkleidungsteilen setzt. Dieser Schick lässt dann auch über manches Spaltmaß zwischen den nicht immer ganz perfekt ineinandergreifen Plastikteilen hinwegsehen.

Das Zündschloss hat beim Kumpan ausgedient. Stattdessen befindet sich im Cockpit eine Kontaktfläche, über die ein kleines Plastikkärtchen gehalten wird, um die Fahrzeugelektronik aus dem Dornröschenschlaf zu holen. Alternativ ist ein Freischalten per Kumpan-App mit dem Smartphone möglich. Anschließend wird mit dem Druck auf den OK-Button im Steuerkreuz auf der rechten Lenkerseite und einem Betätigen beider Bremsgriffe der Antrieb ,,scharf" gestellt. Imposant ist das große 7-Zoll-Farbdisplay, welches nicht nur individuell konfigurierbare Anzeigemodi und diverse Einstellmöglichkeiten für den Antrieb bietet, sondern außerdem noch berührungsempfindlich ist. Statt mit dem Steuerkreuz lassen sich einige Funktionen, etwa das Entriegeln der Sitzbank, mit dem Druck der Fingerspitze auf das entsprechende Displaysymbol auslösen.

Unter der Sitzbank befindet sich die Schatzkammer des Kumpan, denn gleich drei solide wirkende und schick verpackte Akkupakete stecken in dem großen, allerdings damit auch weitgehend ausgefüllten Staufach. An der Oberseite weisen sie auf einem kleinen Monochromdisplay ihren aktuellen Füllstand an. Alle drei Batterien sind herausnehmbar und lassen sich zu einer Steckdose transportieren. Die Akkus können alternativ im Roller bleiben, denn hinter dem aufklappbaren Markenlogo in der Frontverkleidung versteckt sich eine Buchse zum Anschluss eines Ladegeräts. Hier bietet Kumpan einen Standard- sowie einen für Flottenkunden optional angebotenen Schnelllader an. Die Akkus mit 4,5 kWh Gesamtkapazität voll zu bekommen, zieht sich mit dem einfachen Lader über 9 Stunden hin. Mit dem Schnelllader lässt sich das Prozedere auf gut vier Stunden verkürzen.

Angesichts des großzügig dimensionierten Stromspeichers erwartet man auch ein großzügiges Reichweitenfenster. Kumpan verspricht bis zu 110 und im Schnitt 80 Kilometer bei drei Akkus. Doch praktisch waren es in unserem Fall nur gut 60 Kilometer. Der Grund für die mäßige Reichweitenausbeute ist ein allerdings erfreulicher, denn es fällt angesichts des verführerisch spritzigen Antriebs einfach schwer, reichweitenoptimiert im Eco-Modus zu fahren. Der im Hinterrad steckende Nabenmotor liefert 7 kW/9,4 PS und satte 141 Newtonmeter Drehmoment. Statt von Autos im Stadtverkehr gemobbt zu werden, bleibt man hier jederzeit Souverän des Verkehrsgeschehens. Es bereitet großen Spaß, im Sportmodus - der eigentlich Standardmodus ist - mühe- und zudem nahezu lautlos allen anderen davonzueilen. Im Sauseschritt ist jedoch die Reichweiten-Degression ebenfalls sehr dynamisch. Ein bemerkenswerter Vorteil beim Kumpan ist dabei die parallele Stromentnahme aus den Akkus, während bei vielen anderen Rollern umständliches Umstecken nötig wird, sobald ein Batteriepaket leer ist.

Der 54i:gnite ist nicht nur spritzig in der Stadt, er kann sogar mit dem Tempo der Landstraße mithalten. Auf ebener Straße dringt er so gerade in dreistellige Regionen vor, bergab sind laut Tacho auch schon mal 110 km/h drin. Selbst dann fühlt sich der flinke Stromer stabil und sicher an. Lediglich bei Unebenheiten bringt die straff dämpfende Telegabel immer mal wieder etwas Unruhe in die Lenkung. Dennoch fährt sich der Kumpan insgesamt recht komfortabel. Auch die Sitzposition ist selbst für größere Fahrer gut. Hinterm Beinschild haben die Füße viel Platz, finden allerdings auf dem glatten Boden vor allem bei Feuchtigkeit wenig Halt. Verbindlicher ist das Kombibremssystem mit je einer Bremsscheibe pro Rad, welches auf Wunsch stark zupackt und verzögert, jedoch ruhig noch feiner dosierbar sein könnte. Lang gezogene Kurven liegen dem 54i:gnite, bei kleineren Radien wirkt er etwas ungelenk.

Stolze 7.000 Euro kostet das Topmodell von Kumpan mit zwei Akkus, die mindestens an Bord sind. Akku Nr. 3 kostet 1.400 Euro Aufpreis. Für ein Leichtkraftrad ist das viel Geld, für einen rund 100 km/h schnellen Einspurstromer ein durchaus üblicher Kurs. Gehobenes Leistungsniveau verlangt nach hoher Akkukapazität, die leider kostet. Immerhin: Als 125er qualifiziert sich der Kumpan aujtomatisch für die THG-Quote, mit der sich in den kommenden Jahren voraussichtlich über 2.000 Euro einsparen lassen. Außerdem bleiben die Energiekosten pro 100 Kilometer trotz steigender Strompreise wohl auch langfristig unter zwei Euro.



Kumpan 54i:gnite - Technische Daten:

Motor:  luftgekühlter bürstenloser Gleichstrommotor, 7 kW/9,4 PS, 141 Nm; Radnaben-Direktantrieb; zwei Lithium-Ionen-Akkus, je 1,5 kWh.

Fahrwerk: Stahlrohrrahmen, Telegabel vorne, 8,8 cm Federweg; Alu-Zweiarmschwinge hinten, zwei Federbeine, Vorspannung manuell einstellbar, 6,5 cm Federweg; Leichtmetallgussräder; Reifen 110/70-12 vorne, 120/70-12 hinten. 19,5 cm Einscheibenbremse vorne, 1,85 cm hinten, Kombibremssystem.

Maße und Gewichte: Radstand 1,354 m, Sitzhöhe 83,7 cm, Gewicht fahrfertig 102 kg (zwei Akkus), zul. Gesamtgewicht 280 kg.

Fahrleistungen: Höchstgeschwindigkeit 96 km/h, Reichweite (Test, drei Akkus): 60 Kilometer (Sport) bis 88 Kilometer (Comfort).

Preis: ab 7.000 Euro (drei Akkus: 8.398 Euro).

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