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Impression: Jaguar XJ-S 5.3 Coupé trifft auf F-Type P575 AWD Coupé - Sanft oder wild

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Jaguar XJ-S 5.3 Coupé und F-Type P575 AWD Coupé geben sich ein Stelldichein Foto: SP-X/Patrick Broich

Lange dauert es nicht mehr, dann hat der Jaguar XJ-S 50 Jahre auf dem Buckel. Sein mehr oder weniger legitimer Nachfolger, der F-Type, ist ebenfalls bereits zum Klassiker gereift, und das sogar noch innerhalb seiner Bauzeit. Höchste Zeit, sich am Steuer beider Modelle zu erinnern.

Jaguars Modellpolitik gerade in Bezug auf die sportlichsten Produkte mag nicht immer konsistent sein. Aber es gibt immer etwas Zweitüriges, was die Herzen von Autofans in aller Welt höherschlagen lässt. Legendär war und ist noch immer der E-Type. Aber wir wollen den Blick hier und heute auf den phasenweise eher ungeliebten XJ-S richten. Als zwei-plus-zwei-sitziges Sportcoupé -- mehr gediegen als drahtig, nicht ganz so populär und dennoch mit Hinguckerfaktor -- hat es der über zwanzig Jahre lang produzierte Brite mittlerweile geschafft, einen Platz im Herzen vieler Autoenthusiasten zu ergattern.

Für den zwar immer noch modernen, aber mittlerweile in die Jahre gekommenen F-Type gilt das ebenso. Mit schier unbändiger Power (423 kW/575 PS) verteilt auf beide Achsen geht vom Antriebskapitel jedenfalls Leidenschaft aus. Aufregendes Design ist das zweite Standbein - garniert mit einem nicht nur starken, sondern ebenso klangintensiven V8-Antriebsstrang, den neuere Regularien der Europäischen Union mittlerweile indes ein bisschen entschärft haben.

Leise ist der kompressorbeatmete Fünfliter des F-Type P575 damit aber beileibe noch nicht, ganz im Gegenteil. Immerhin springen etwaige Passanten nicht mehr vor Schreck zurück bei einem beherzten Gasstoß. Dreckiges, bassiges Grollen, wenn auch einen Hauch gedämpfter, kann sich das Allrad-Coupé dann aber doch nicht verkneifen, wenn es unter Volllast und Magengrummeln der Passagiere binnen 3,7 Sekunden die 100 km/h-Position auf der virtuellen Rundskala erstürmt. Der durch eine reaktionsschnelle Achtgang-Wandlerautomatik moderierte Schub endet erst bei künstlich abgeregelten 300 km/h.

Dagegen ist der XJ-S (späte Modelle schreiben sich XJS) schon deutlich mehr Gentleman. In Bezug auf die Fahrleistungen geht das schon rein physikalisch nicht anders -- denn mit den 183 kW/249 PS der hier zum Einsatz kommenden US-Variante (strengere Abgasentgiftung, die europäische Version leistet immerhin 287 PS) lassen sich im Kontext mit einem supersanften, aber auch ultra-ineffizienten Dreigang-Wandlerautomaten keine wilden Beschleunigungsparties arrangieren. Allerdings stemmt der großvolumige, jedoch etwas unspektakulär klingende Zwölfzylinder mit knapp unter 400 Newtonmetern genügend Drehmoment auf die Kurbelwelle, um als souverän motorisiert durchzugehen. Und überhaupt geht vom Duzend Töpfen ja immer ein besonderer Reiz aus, nicht umsonst gilt dieses Triebwerk als König des Motorenbaus. Classic Analytics weist darauf hin, dass ,,es ein knapp geschnittenes Reisecoupé mit Zwölfzylinder von Mitte der Siebzigerjahre bis in die Neunziger nur aus dem Hause Jaguar gab." Das stimmt - zumindest unter der Prämisse, dass man die entsprechenden Ferrari-Offerten als zu abgehoben ablehnen musste.

Und Obacht! Unspektakulär heißt in diesem Fall keineswegs langweilig. Säuselig-sämig bringt der 5,3-Liter das noble Coupé auf Tempo und macht aus ihm einen Express-Gran-Turismo, der sich selbst im betagten Alter noch auf der Überholspur hiesiger Autobahnen wohlfühlt. Es darf auch gerne mal eine Schippe mehr als Richtgeschwindigkeit sein, deutlich darüber muss das Reisetempo allerdings nicht liegen. Dann wird es innen erstens anstrengend laut, und zweitens sind die Fahrwerke heute deutlich ausgefeilter, wie der moderne F-Type zeigt. Der Geradeauslauf eines historischen Jaguars verlangt jedenfalls ein aufmerksames Lenkverhalten in fortgeschrittenen Geschwindigkeitsbereichen.

Um falsch verstandenen Botschaften vorzubeugen: Das in Signalgelb lackierte Biest ist zwar pfeilschnell, aber dennoch kein ausgeprägter Querdynamiker. Auch wenn dieser Sehnsuchtsjaguar wirkt wie eine Pistensau mit seinen kompakten Abmessungen und dem kurzen Radstand, ist er doch eher ein schneller Tourer -- keine schlechte Eigenschaft übrigens. Denn auch Supercars sollten Alltagsqualitäten aufweisen können - damit erhöhen sich schließlich die alltäglichen Nutzungsoptionen. Das kann der F-Type mit seiner gemäßigten Federung sehr wohl. Dass er kein Raumwunder ist, macht nichts. Ein passgenau geschnittener Anzug kann schließlich auch verzücken. Der übrigens deutlich längere XJ-S weist sogar drei Zentimeter weniger Radstand auf als der F-Type und ist ein 2+2. Ob man hinten sitzen möchte, lässt sich kurz und knackig beantworten: Nein.

Statt Aufreger-Architektur bietet der F-Type innen vor allem die eine oder andere Fähigkeit im Bereich Infotainment. Das scheint heute mehr zu zählen als gestaltete Dekorelemente. So glänzt der schon seit rund zehn Jahren gebaute Sportwagen mit viel Touchscreen und einem zeigerlosen Kombiinstrument. Zumindest gilt das, wenn man auf die Feinmechanik abhebt. Denn analoge Anzeigen können auf der TFT-Fläche einfach nachgebildet werden. Bei Bedarf lässt sich aber auch die Straßenkarte einblenden, genau hierin besteht der Vorteil der neuen Technik.

Neben klassischen Rundskalen für Drehzahlmesser und Tacho erfreut das Instrumentarium im historischen Coupé mit vier unkonventionell gestalteten kleinen vertikalen Anzeigen, die Aufschluss geben über Parameter vom Stromspannungsstand bis zur Wassertemperatur. Eine Mischung aus Chrom und Leder sorgt für schöner Wohnen, während die Abwesenheit von eigentlich erwartetem Wurzelholz einen Hauch Sportlichkeit in den am Ende gemütlich anmutenden Luxus-Zweitürer bringt. Etwas klobige Tasten gehören zum britischen automobilen Lifestyle der Siebziger genauso wie die schnörkellose Analoguhr. Die Experten von Classic Analytics raten übrigens zur zweiten Serie des exklusiven Coupés - ,,Kaufinteressenten sollten nach einem möglichst späten Exemplar Ausschau halten, da war die Qualität und Ausgereiftheit am höchsten." Mag sein, allerdings haben die frühen Autos mehr Charme, schließlich ist der XJ-S ein Kind der Siebziger, das in den Mittneunzigern doch etwas fehl am Platz wirkte mit bemüht wirkenden Modifikationsmaßnahmen. Fakt ist, dass der XJ-S heute viel Auto für moderates Geld bietet. ,,Der Einstieg für einen XJ-S im guten Zustand beginnt bei etwa 24.000 Euro", wie Classic Analytics weiß. Darüber können potenzielle Kunden des F-Type nur müde lächeln. Für den möchte Jaguar nämlich mindestens 134.300 Euro. Aber nicht umsonst sind ja Traumwagen die Autos, von denen die meisten Menschen nur träumen können.



Jaguar XJ-S - technische Daten:
Coupé der automobilen Oberklasse, Bauzeit: 1975 bis 1996, Länge: 4,87 Meter, Breite: 1,79 Meter, Höhe: 1,26 Meter, Radstand: 2,59 Meter
5,3-l-V-Zwölfzylinder-Otto-Saugmotor, Hinterradantrieb, 211 kW/287 PS, maximales Drehmoment: 399 Nm bei 3.500 U/Min., 0-100 km/h: 7,0 s, Vmax: 241 km/h, Dreigang-Automatikgetriebe (Wandler)

Ehemaliger Neupreis (1976): 54.200 DM

Jaguar F-Type P575 AWD Coupé - technische Daten:
Sportcoupé der Oberklasse, Länge: 4,47 Meter, Breite: 1,92 (2,04 mit Außenspiegeln) Meter, Höhe: 1,31 Meter, Radstand: 2,62 Meter
5,0-l-V-Achtzylinder-Ottomotor mit Kompressoraufladung, Allradantrieb, Leistung: 423 kW/575 PS, maximales Drehmoment: 700 Nm bei 3.500 bis 5.000 U/Min., 0-100 km/h: 3,7 s, Vmax: 300 km/h, Achtgang-Automatik (Wandler), Durchschnittsverbrauch (kombiniert): 10,5 l/100 km, CO2-Ausstoß: 239 g/km, Grundpreis: ab 134.300 Euro

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